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Million Dollar Baby

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Boxerfilm mit Tiefgang. Spoiler! Dietmar Kesten 25.3.05 15:01

MILLION DOLLAR BABY

BOXERFILM MIT TIEFGANG

von DIETMAR KESTEN, GELSENKIRCHEN, 25. MÄRZ 2005.

Über „Millionen Dollar Baby“ ist in der Zwischenzeit so viel
geschrieben worden, dass die Wiedergabe des
Filminhalts nur störend wirken könnte.
Knapp gesagt geht es um den Aufstieg der jungen
Boxerin Maggie (Hillary SWANK), die vom alten
Boxtrainer Frankie Dunn (Clint EASTWOOD)
bis zu einem Weltmeisterschaftskampf geführt wird, um dann
auf tragische Weise zu verunglücken.
Clint EASTWOOD, der vermutlich einer der letzten großen
amerikanischen Geschichtenerzähler ist, erzählt die Geschichte
eines gebrochenen Menschen, vom Aufstieg und Fall,
von Ruhm, Geld und Ehre.
In Maggie und Frankie schlummert die Hoffnung, aus einem
alptraumhaften Wachzustand von Selbstzerstörung und
Gewalttätigkeit, von Schuldgefühlen und Schicksalsschlägen
herauszukommen, den Weg ins Freie zu suchen.
Doch die Tragik dieser leidgeprüften Seelen kennt
kein Erbarmen.
Mit aller Härte schlägt das Leben zu, mit Verbitterung und
tiefem Schmerz.
Der k. o., der Maggie trifft, ist der Schlag eines langen
Prozesses, der den Vernichtungskampf anzeigt, der die
absolute Ohnmacht versinnbildlicht, wenn das Schicksal
anstatt der Träume, der Versöhnung nur die Tragödie des
Todes hervorruft, wenn das Erträumte nur noch zu einem
Requiem wird.

„Million Dollar Baby“ ist keine einfache Geschichte über
ein Boxdrama.
Bereits in „Wie ein wilder Stier“ (Regie: Martin SCORSESE,
1979) mit Robert De NIRO wurde die Sprachlosigkeit eines
Menschen gezeigt, der erst wieder ans Tageslicht kommt,
als er verliert, der sich unsichtbar macht, um zu überleben,
und der abstürzt, als er erkennen muss, dass er die
unerträgliche Enge des Boxgeschäftes, dass hier das
Leben symbolisiert, nicht ertragen kann.
DE NIRO lächelte im Ring, obwohl die Pistole auf ihn
gerichtet war, er schaute in das Gesicht seiner Gegner
und wurde doch zum kalten Weiß der Hölle, er suchte den
verzweifelten Weg nach draußen und wurde doch von
einer unsichtbaren Mauer getrennt.
Er wollte das Leben finden, das er niemals bekam. Und
machte sich doch aus Geschichte davon, und kam nie wieder.
Verfolgt man die Geschichten der Boxdramen, dann fiele
nur noch „Rocky“ (Regie: John G. AVILDSEN, 1976)
auf.
Als soziales Aufsteigerdrama konzipiert, dominierter
Sylvester STALLONE perfekt in der Rolle des Rocky Balboa,
der sich selbst vor dem Ertrinken rettete, später als
Geschlagener davonziehen musste.

„Million Dollar Baby“ nimmt diese Filme als Motiv mit,
als Hintergrundschau, um dann seine eigene Dramatik
zu entwickeln, ein größeres menschliches Drama.
EASTWOOD ist der überragende Mann, der sich wie ein
Überlebender an seiner Rettungsinsel, dem Trauma von
der totalen Verletzung, festhält.
Das erinnert an seinen Film „Erbarmungslos“ (1992), als
er die Gewalttätigkeit symbolhaft entmythologisiert, die
sich einmal mehr in „Million Dollar Baby“ konsequent zeigt:
man wird am Ende allein zurückgelassen, erschlagen,
zerschossen und erwürgt.
Zum Siegen gehört die Vernichtung, das Verletzten,
die Nackenschläge und der Betrug. Wer das hier
begreift, der lernt etwas über sich selbst, und der lernt,
welche Folgen die unverminderte Gewalt hat, der
durchschaut vielleicht nicht das Leben, doch er kann
sich in diese geschlagenen Menschen hineinversetzen,
die so an sich geglaubt haben, und doch viele lauter
und schneller die doppelte Entblößung wahrnehmen
mussten.

Wenn man das Leben hinterfragt, dann müssen wir
den Figuren, die vorbeigehen, Aufmerksamkeit
widmen.
Wenn man liebt und doch verliert, dann kommen die
Gespenster der Nacht wieder, die man glaubte,
vertrieben zu haben, sie nisten sich wieder ein, so, als
ob sie nie weg waren, und wir, die so sehr auf den
Ausweg hoffen, verwandeln uns in endlose Melancholie.
Im Gesicht wie in den Gesten von Maggie und Frankie
wird deutlich, dass unser Gemüt zu taumeln beginnt,
wenn die Schicksalsschläge näher rücken, wenn wir
durch Hallen und Flure gehen, die urplötzlich enger
werden, wenn wir außer einem infernalischen
Schluchzen, Seufzen und Stöhnen nicht anderes mehr
vernehmen können, wenn das Leben zur Folter wird,
verzweifelt und gelähmt.

In „Million Dollar Baby“ geht es auch um Prüfungen.
Frankie der seine eigene Tochter nicht zu lieben vermag,
findet eine andere Liebe, einen anderen Menschen, dem
er sich anvertrauen kann, so als sei es seine eigene
Tochter.
Maggie wird seine Ersatztochter, die er nun fortan
bis zu ihrem tragischem Tod begleiten wird.
Und man geht hier hinaus in die Nacht und lässt alle
Hoffnungen fahren.
Es ist grausam, dass das Leben, egal wie es
abgebildet ist, nur einen Ausweg hat: den Tod.
Maggie, die sich von dem Sturz auf den Ringhocker
nicht mehr erholt und querschnittsgelähmt werden
wird, sucht verzweifelt die Erlösung.
Und Frankie, der mit furchterregender Konsequenz
ihrem Leiden ein Ende bereitet, muss am Ende erfahren,
dass in wenigen Sekunden ein ganzes Leben
ausgelöscht werden kann.
Man wird sich gegenseitig von den Verletzungen
nicht heilen können. Und man will sich nicht
so tief verlieren, dass man sich nicht wieder findet.
Das Herz ist eben auch eines der Finsternis.
Es ist schutzlos allem ausgeliefert und es brennt
andauernd wie ein Laserstrahl.
Man sollte nicht mehr an Wunder glauben, sondern
daran, dass wir die Erinnerungen an das Leid, das
wir anderen antun, und das wir selbst erfahren müssen,
manchmal nicht mehr ertragen können.
Es lodert ewig wie eine Müllkippe.

Fazit:

Ein Film, der unter die Haut geht.
Manchmal muss ein ganzes Leben erzählt werden,
auch wenn es nur kurz ist, damit jeder Moment von
uns begriffen werden kann.

Dietmar Kesten 25.3.05 15:01