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Red Eye

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HIMMEL UND HÖLLE Dietmar Kesten 24.1.06 19:21

RED EYE

HIMMEL UND HÖLLE

von DIETMAR KESTEN, GELSENKIRCHEN, 6. OKTOBER 2005.

Es war abzusehen, dass der 11. September im Kino ausgeschlachtet werden würde. Es gibt keine Tabus mehr. Hollywood und seine gezielten Produktionen sind aus dem Kulturbetrieb nicht mehr wegzudenken. Dabei geht es gar nicht mehr darum, Pietät einzufordern, sondern schlicht und ergreifend um die Tatsache, das Reich der totalen Verdauung mit Füllstoff anzureichern. Sich vor den Opfern des Terrors zu verbeugen, um eine andere Sichtweise zu propagieren, daran hat Hollywood kein Interesse. Immer neue Actionstreifen manifestieren den Schock des Grauens täglich aufs neue. Das stillschweigende Abkommen, sich nach dem 11. September mit Terrorfilmen zurückzuhalten, war nur eine Blase. Denn die Geschäftsstrategie musste eindeutig darauf hinauslaufen, dem vorwiegend jungen Publikum mit einer Filmrealität zu kommen.
Erinnert man sich an „Passwort: Swordfish“ (Regie: Dominic SENA, 2001), dann war klar, dass der Terror auf der Leinwand nur weiter nach hinten verschoben wurde. Und in Wirklichkeit ging es nur darum, die schlimmsten Wogen zu glätten, bis der Streifen in die Kinos geschaufelt werden konnte. (1)

Jeder weiß, dass Hollywood am Puls der Zeit sein muss, wenn es nicht seine eigene Zukunft auf dem Filmmarkt verschlafen will. Terror - Themen sind in den Feuilletons der Zeitungen, im Fernsehen und natürlich auch im Kino präsent. Ob auf Bali, Israel, in Afghanistan oder im Irak- an allen Fronten kämpft auch das Kino seinen einsamen Kampf.
Wenn man vom jüngst gestarteten Film „Paradise Now“ einmal absieht, der über palästinensische Selbstmordattentäter handelt, die auf ihre Art die ‚Mission’ erfüllen sollen, um als Märtyrer direkt in den Himmel zu kommen, so sind es vor allem zwei Filme, die für Aufsehen sorgen.

Zum einen ist es „Red Eye“ (Regie: Wes CRAVEN, 2005) und „Flightplan“ (Regie: Robert SCHWENTKE, 2005). Entschlossenheit, Zweifel, Methoden- der Tanz auf dem Vulkan hat hier alles im Griff. Über den Wolken. Dort ist aber die Freiheit nicht grenzenlos. Schon die Vorstellung, dass dort oben Terroristen von ihrem schmutzigen Handwerk Gebrauch machen könnten, kann auf der Erde nur Bestürzung auslösen. Und in der Tat hat Hollywood den Terror dorthin verlegt. Die Situation, dass ein Flugzeug in eine bedrohliche Lage hineingeraten könnte, ist schon die Angst pur. In vielen Filmen wurde das bereits ausgeschlachtet. Es handelt sich hierbei also nicht unbedingt um ein Novum. (2) Anders ist nur, dass man hier der Angst und dem Terror nicht mehr entweichen kann. Die bedrohliche Situation droht sich zuzuspitzen. Und das Horrorszenario kann nun erst richtig greifen.

CRAVEN wartet mit einem Filmszenario auf, das alsbald Himmel und Erde gleichermaßen bedrohen wird. Ein charmanter Sitznachbar entpuppt sich in „Red Eye“ zu einem Terroristen, der eine Dame zu einem Mord zwingen will. Und in „Flightplan“ gerät Jodie FOSTER zwischen den Fronten. In einem Szenario über den Wolken wird so alles ausgegraben, was das Actionkino hergibt. FOSTER spielt eine Mutter, deren Tochter auf einmal spurlos verschwindet. Und wie das so ist, macht sie sich auf die Spur. Und findet zunächst heraus, dass man niemandem mehr trauen kann. Darauf aufgebaut ist die Story, die aus Plastik und Antibiotika besteht; denn der Verfall ist nicht mehr aufzuhalten.

Terroristen als Flugbegleiter, als harmlose Passagiere verkleidet, die im Tower oder im Cockpit ihr Unwesen treiben: es ist kaum noch zu ertragen, dass dieser Alptraum des Massakers in himmlischen Gefilden durchs Kino huscht. Die grandiose Traum - Maschine läuft weiter wie ein Uhrwerk. Hier wird nicht nur der Terror sozusagen groß gemacht, es werden auch die technischen Tricks gezeigt, mit denen sie sich bewaffnen und gegen die ‚Ungläubigen’ zu Felde ziehen. Und die Crux besteht darin: man wird vom Terror sogar noch prächtig unterhalten. Und alle Welt wird sich weiter mit dem starren Zwang der Propaganda und ihrer Lügen abfinden. Was für ein Kino!

Anmerkungen:

(1) „Passwort: Swordfish“ handelte im übrigen von Terroristen, einstürzenden Hochhäusern und der Hilflosigkeit von Geiseln.

(2) Gedacht ist hier etwa „Stirb Langsam 2“ (Regie: Renny Harlin, 1989,
„Cliffhanger“ (Regie: Renny Harlin, 1993, „Cast Away“, Regie: Robert Zemeckis, 2000).

Dietmar Kesten 24.1.06 19:21