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The Descent - Abgrund des Grauens

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GENREPERLE AUS ENGLAND Filmstudentin 1.6.06 00:58

Mit "The Descent - Abgrund des Grauens" brachte der englische Regisseur Neil Marshall den kreativsten Ausnahmefilm unter den Horrorschockern der letzten Jahre in die Kinos.

Eine Mixtur aus unterschiedlichen Elementen und Ebenen, die in ihrer klassischen Art und Weise fast schon neuartig - erfrischend und innovativ daherkommt.

Die Geschichte läßt sich in nur wenigen Sätzen treffend erläutern : Eine kleine Gruppe weiblicher Adrenalinjunkies erforscht ein Grottenlabyrinth und trifft dabei auf unheimliche Kreaturen, die sich hungrig nach frischem Menschenfleisch verzehren. Es entbrennt ein höllischer, blutiger Kampf um Leben und Tod.

Neil Marshall allerdings holt aus der einfachen Story alles heraus, was nur geht - und unterteilt diese geschickt in drei, in sich schlüssige, Abschnitte.
Die ersten Minuten dienen dazu, die Protagonistinnen einzuführen. Jede der Frauen erhält dabei ihr ganz eigenständiges Profil, jede hat ihre eigene Geschichte mit sich zu tragen, und daraus wiederum entwickelt sich ein konfliktreiches Beziehungsgeflecht, welches bis zum Ende des Filmes eine tragende Bedeutung haben wird.
In ruhigen Kamerafahrten, die geschickt den Bogen vom Einzelnen zum Großen und Ganzen und wieder zurück schlagen, setzt der Regisseur seine Heldinnen zielsicher und behutsam in Szene, um sie schließlich in das Dunkel des Höllenlabyrinthes hinabsteigen zu lassen.
Die Enge des Grottensystems übernimmt dabei fast schon eine metaphorische Funktion, denn hier beginnt sich das Beziehungsgeflecht Schritt für Schritt zu verdichten, psychologisch ausgearbeitete Entwicklungen setzen an, und daraus bezieht der Film bereits viel subtile, beunruhigende Intensität.
Schließlich gipfelt die Situation in einem actionreichen Überlebenskampf. Mit einem konsequenten Schnitt bricht das unfassbare Grauen herein, und ebenso konsequent, kompromisslos brutal wird dieses bis ins absolute Extrem gesteigert und durchgezogen.
Dabei geht es dann wesentlich weniger subtil zur Sache, der Schocker geizt nicht mit furchterregenden Splatterelementen, dennoch bewahrt sich der Terror auch hier noch seine Komplexität.
Die Beziehungen innerhalb der Gruppe eskalieren, und ferner beginnt ein unheimlich raffiniertes Spiel mit Genderklischees. Die Denk und Handlungsstrukturen der Protagonistinnen verlassen sämtliche klassisch femininen Bahnen und erreichen Verhaltensformen, die in der Genderforschung eher männlichen Figuren zugeordnet werden. Die Entwicklungen der Charaktere bekommen damit eine neue, ungewöhnliche und eigenwillige Basis.

Neben diesen perfekt durchdachten Ebenen, die Neil Marshall konsequent in der Handlung verankert, ist es aber natürlich auch die ebenso perfekte und eigenwillige technische Umsetzung, die fasziniert.
Denn alles in diesem Szenario ist handgemacht, womit "The Descent" zu den Wurzeln des Horrorgenres zurückfindet.
Die Schnitte sind an den richtigen Stellen platziert, die Montage der Szenen kommt komplett ohne Anschlussfehler daher.
Weiche Schnittechnik ergänzt sich treffend mit bewußt harten Schnitten und geschickt gesetzten Ellipsen, der dezente Einsatz von Licht und Schatten trägt fast schon expressionistische Züge. Und vor allen Dingen wird besonders geschickt mit unterschiedlichen Toneffekten gearbeitet, welche vor allen Dingen für wirkungsvolle Schockmomente sorgen.
Neil Marshall spielt die Klaviatur des Schreckens soweit aus, wie es nur möglich ist.
Und inmitten dessen beherrscht er es ebenso, sehr bösartig instinktive Urängste wie Angst vor engen Räumen, Angst vor der Dunkelheit, Angst vor Blutfontänen, dem Tod und verunsichernden, unbekannten Situationen zu reflektieren.

Der Abschluß letztendlich arbeitet erneut mit psychologisch angehauchten Metaphern und löste damit unweigerlich diverse Interpretationen und Diskussionen aus.
Dabei ist die Aussage ebenso gradlinig wie der gesamte Film, der auf unwesentliche Erklärungen und Philosophien bezüglich der Höllenbewohner verzichtet und den eigentlichen Fokus immer beibehält - dramaturgisch sehr sinnvoll gedacht.

Und zu den Darstellerinnen kann letzten Endes gesagt werden, daß sie nicht nur sehr gut aussehen, sondern zur Abwechslung endlich auch mal sehr überzeugend und blendend zu agieren vermögen. Ein seltener Lichtblick in diesem Genre !!

Filmstudentin 1.6.06 00:58