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Cars

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...unbedingt ansehen! cortez 3.10.06 09:55

"Des Widerspenstigen Zähmung" oder "Die Waffen der Frauen"

Dieser Film ist ein Knaller – doch kaum einer hat es bislang gemerkt. Das liegt daran, dass in Deutschland "Animé" generell in die Kinder-Ecke gesteckt wird. Bei "Cars" handelt es sich jedoch trotz der kulleräugigen Autos als Darsteller um alles andere als um einen Kinderfilm. Was in Kritiken bereits bemängelt wurde, nämlich, dass der "Familienappeal" fehle, ist in Wahrheit die Stärke dieses Filmes, er erreicht nämlich eine Komplexität und Tiefgang, die man bei "Finding Nemo", "Toy Story" oder "A Bug's Life" vergeblich sucht.

"Cars" handelt zum einen von des Widerspenstigen Zähmung, hier in Form des Rennwagens Lightning McQueen – ein arroganter Macho, wie er im Buche steht. Aber eigentlich ist dies nur die vordergründige Handlung, denn ab dessen Begegnung mit dem hübschen Porsche Sally hat diese das Heft fest in der Hand. Dieser Film ist nämlich ein Lehrstück darüber, wie "frau" "man(n)" um den Finger wickelt (Mädels, geht ins Kino – von Sally könnt ihr alle noch lernen...) "Cars" ist eine sich langsam entwickelnde, zauberhafte Liebesgeschichte, die so sehr menschelt, dass es einem schon ziemlich warm um's Herz werden kann.
Vielleicht habe ich mich damit als "Weichei" geoutet, aber sei's drum...
(Keine Angst, Leute - es geht nicht nur um Gefühle. "Cars" ist darüber hinaus auch ein spektakulärer Renn-Film mit sensationeller Grafik - aber hier will ich Euch noch ein bischen von den darunterliegenden Emotionen erzählen.)

Eine Beleidigung kann eine hervorragende Anmache sein, denn sie hinterlässt meist bleibende Eindrücke – so auch bei Sally. Nur hat Lightning sich hier gründlich verkalkuliert! Im Verlauf des Films wird er in Nullkommanix vom Jäger zum Gejagten werden. Zu diesem Zeitpunkt jedoch weiß er eben noch nichts davon...
Es passiert, was allen geschieht, die eigentlich füreinander bestimmt sind, es jedoch nur noch nicht wahrhaben wollen: In dem Moment, in dem die Hormone zu sprechen beginnen, macht das Hirn plötzlich Pause. Er kann es nicht verwinden, dass sie nett zu ihm ist, und seine Bemerkung über ihr goldiges Heck-Tattoo bringt sie völlig aus der Fassung. Es ist nämlich genau der Moment, in dem zum ersten Male das gewisse "Knistern" spürbar wird – und sofort stürzt die Konversation ab auf das Niveau stammelnder Idioten. Tja, wo die Liebe hinfällt... Das war schon immer so, da geht es den Autos wohl wie den Menschen.

Ab da ist es eigentlich nur noch eine Frage der Zeit, bis beide "sich kriegen". Und Sally (ja, immer sind die Frauen den Männern in solchen Dingen haushoch überlegen) sorgt schon dafür, das alles nach ihrem Willen geht - indem sie Lightning zu einer Ausfahrt überredet und dabei flirtet, dass sich die Balken biegen. Meine Güte, ist diese(r) Porsche sexy! Jetzt kann "Stickers", wie sie ihn zunächst spöttisch nennt, den Verlauf der Geschichte nicht mehr steuern, er ist Sally hilflos ausgeliefert... Das merkt man schon beim Abschied, der ihm sichtlich schwer fällt: Die Entscheidung, zu gehen, trifft nicht er, sondern sein Agent. Während des nachfolgenden Rennens erlebt er dann die totale Katastrophe, da er sich nicht mehr konzentrieren kann: Vor seinem geistigen Auge erscheint das Bild des hübschen Porsche und füllt sein Denken völlig aus, so dass er beinahe einen Unfall baut...
Gottseidank ist das auch der Moment, in dem der Groschen fällt. Endlich beginnt er, zu verstehen, was er eigentlich wirklich will. Und dabei spielt Sally nun wirklich keine Nebenrolle... Des Widerspenstigen Zähmung hat zu diesem Zeitpunkt bereits schon längst stattgefunden, ohne dass er es gemerkt hat, und wir als Zuschauer haben uns köstlich amüsiert.

Als alter Disney-Hasser konnte ich Werken wie "Bambi", "Schneewitchen", dem "König der Löwen", aber auch den Pixar-Produktionen wie "Toy Story" oder "Findet Nemo" nie etwas abgewinnen. Vielleicht liegt es ja wirklich daran, dass es sich bei den vorgenannten um echte Kinderfilme handelt – mit entsprechend flacher Handlung. "Cars" dagegen hat starke, tiefgründige Charaktere und eine Storyline, die sich kaum für Kinder eignet, da sie sich um komplizierte Gefühle dreht. Die Darstellung der automobilen Welt ist von einem Detailreichtum, der fast alles in den Schatten stellt, und die Renn-Szenen sind einfach spektakulär.... Auch ist die nicht ganz leichte Aufgabe, Autos menschliche Regungen einzuhauchen, den Pixar-Leuten erschreckend gut gelungen. Und noch mehr Emotionen: Wer genau hinsieht, dem wird auffallen, wie bezaubernd weiblich Sally aussieht. Leute – wir reden hier von einem Auto!
Ein mitreißender Soundtrack (zieht man mal die Sammlung von Oldies ab) mit gelegentlichen musikalischen Anleihen an Star Wars und Superman rundet den Film ab.

Kommen wir zu den negativen Punkten: 1. Wie alle Filme aus dem Hause Disney ist auch hier die Botschaft ("Freunde sind wichtiger als Ruhm und Ehre") sehr dick aufgetragen. Das muss aber auch so sein, da sie sonst im Vergleich zur Liebesgeschichte völlig untergehen würde. 2. Dieser Film ist amerikanisch-selbstverliebt, und der Pathos, mit dem die "gute alte Zeit" gefeiert wird, kann einem schon auf die Nerven gehen. 3. Die Zugeständnisse an die "lieben Kleinen". Tja, das ist nun einmal Disney/Pixar.

Davon abgesehen, macht "Cars" zu sehen unglaublichen Spaß. Auch, oder vielleicht gerade weil die Darsteller alles Autos sind – dieser Film menschelt sehr. Wer allerdings kein Herz hat, dem wird auch „Cars“ nicht gefallen...

cortez (Homepage) 3.10.06 09:55