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Das Leben der Anderen

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Die Fehler im "Leben der Anderen" MoritzvonMühlhausen 25.5.06 16:46
Die Fehler im "Leben der Anderen" 5.6.06 22:57

Die Fehler im „Leben der Anderen“

Die auffälligsten Fehler :

1)
Falsches Haus:
Die Stalinbauten in der Wedekindstraße (im Film das Wohnhaus des Schriftstellers von Außen) haben keine großräumigen, spitzen Dachböden, sondern Flachdächer. (Diese sollten als Kampfposten der NVA und der Betriebskampfgruppen der Arbeiterklasse dienen , weil sie, wie die Häuser in der Karl-Marx-Allee/Frankfurter Allee auch, mitunter die erste Verteidigungslinie der Republik bildeten, sollten feindliche Truppen aus dem Westen einfallen.)
Also kann der Stasi-Offizier unmöglich von dort aus irgend etwas abgehört haben. Aber er hätte sich leicht beim Hauswart (der Parteibeauftragte, der das Hausbuch geführt hat) einnisten können; auch dazu waren Hauswarte da. Jedoch etwas, was diese Häuser alle haben, was im Film aber nicht erwähnt wurde, sind riesige unterirdische Keller- und Bunkeranlagen, die ohne weiteres als Lauschposten hätten dienen können.

2)
Die Stalinbauten wurden zwischen ca. 1950 und 1954 errichtet. Die Filmwohnung von Innen war aber eine Altbauwohnung von ca. 1908 mit Parkett, Stuck und Türschwellen. Die Stalinbauten haben alle einen dunkelroten Holzbeton-Fußboden, der keine Türschwellen hat, weil er gegossen wurde. Aber ohne eine Türschwelle hätte der Dichter kein Versteck für die Schreibmaschine gehabt.

3)
Wäre die Wohnung passend zu den Innenaufnahmen, auch von Außen ein Altbau gewesen, wäre keine Klingelanlage, geschweige denn eine Gegensprechanlage vorhanden gewesen. Die sanierten Altbauten Ostberlins haben meist erst weit nach der Wende eine Klingel- Gegensprechanlage bekommen und viele nicht sanierte Altbauten haben bis heute keine.

Daraus folgt:
Der Stasioffizier, der auf dem in einem Stalinbau nicht vorhandenen Dachboden nicht hätte sitzen können, hätte auch nicht die nicht vorhandene Klingelanlage einer Altbauwohnung kurzschließen können. Entweder sitzt Horch und Guck auf dem Trockenboden eines Altbaus, dann gibt es keine Klingel von Außen, aber dafür eine Türschwelle in der Wohnung, oder er sitzt ein einem Stalinbau, womöglich im Keller, wobei es dann die Klingel von Außen gibt, aber eben keine Türschwelle, worunter der Schriftsteller seine geschmuggelte Schreibmaschine hätte verstecken können. Ergo, die Geschichte hätte sich unmöglich so unter den gezeigten Umständen ereignen können.

4)
Als die Schauspielerin zum ersten mal aus dem Wagen des Ministers gestiegen ist und ins Haus ging, haben sie und ihr Schriftsteller-Freund sich in einem völlig anderen Haus (Das Fenster und die Fassade von außen waren anders.) geküsst, nur Sekunden nachdem sie ins Haus ging, es war weder die Stalinbau-Wohnung in der Wedekindstr., noch die Altbau-Wohnung, die später im Film für die Innenaufnahmen verwendet wurde.

5)
Nicht so grundlegend tragisch aber nichtsdestotrotz als Stilbruch zu werten: Die Schauspielerin trägt einen Straps und dicke Baumwollstrümpfe. Die Garnitur kann man ganz deutlich in zwei Szenen erkennen.
Die Kerngeschichte des Films spielt wohlgemerkt 1984 und nicht 1924. IM OSTEN GAB ES AUCH STRUMPFHOSEN! Und wenn nicht, der Schriftsteller-Freund, der in den Westen reisen durfte, hätte ihr welche mitgebracht . Außerdem fickt die Tussi mit einem Mitglied des ZK. Spätestens bei der zweiten Bums-Begegnung hätte der fette Bonze ihr Strumpfhosen besorgen können. Oder schließlich hätte sie selbst ein Paar Forum-Schecks im Intershop dafür verwenden können.

6)
Der mit dem Schriftsteller befreundete Regisseur soll sich im Januar erhängt haben, aber der Friedhof war bei der Beerdigung ganz schön grün. Außerdem werden Tote im Januar in Berlin kaum beerdigt, weil der Boden meist gefroren ist.

7)
Der Spiegel-Journalist reist dem Drehbuch zufolge nach Ostberlin unter einem anderen (falschen) Namen und hängt schließlich seine Stasibeschattung in Prenzlauer Berg ab. Völliger Schwachsinn! Alle Autos mit Westkennzeichen wurden in Zusammenarbeit mit der Volkspolizei, der NVA und rund einer Million IMs des Ministeriums für Staatssicherheit genug beschattet.
Und daß ein Bürger der Bundesrepublik mehrere Pässen mit verschiedenen Namen besitzt, ist unrealistisch; es sei denn, der Spiegel-Journalist war auch Mitarbeiter des BND und/oder Urkundenfälscher.

8)
Musste sich ein prominenter DDR-Schriftsteller von einem westdeutschen Journalist erklären lassen, dass er die illegale Schreibmaschine und die darauf geschriebene, verbotene Literatur an einem sicheren Ort zu verstecken hätte? Waren die Wessis wirklich alle so clever und die Ossis so doof?

9)
Den auf einer, in die Hauptstadt der DDR hereingeschmuggelten Schreibmaschine, geschriebene Spiegel-Beitrag hätte kein West-Journalist eigenhändig in einem Geheimfach seiner eigenen Aktentasche aus der DDR herausgeschmuggelt. Die in der DDR nicht akkreditierten Westjournalisten haben lange vor 1984 gelernt, die Ostaufträge von Angehörigen ihrer Botschaft bzw. der Ständigen Vertretung heraus bringen zu lassen.

10)
Das Ministerium für Staatssicherheit verlegt in der Wohnung des Dichters/der Schauspielerin hunderte von Metern Kabel . Der Stasi standen aber schon Mitte der Siebziger drahtlose Wanzen zur Verfügung. Und wenn es schnell gehen musste (im Film sollen es knapp 20 min gewesen sein) wurden sie auch eingesetzt. (Und somit war Stasi übrigens auch nicht auf einen nicht vorhandenen Dachboden (s.o.) angewiesen.)

11)
Um die Wohnung des Dichters/der Schauspielerin auf Wanzen zu prüfen, lässt der Dichter den Onkel eines Freundes aus dem Westen kommen, wobei sie lauthals Anti-DDR-Sprüche klopfen.
Warum hat der Schriftsteller nicht einfach ein Kofferradio an die Wand gehalten? Jeder, der nach 1900 geboren wurde, weiß doch, dass ein Mikro zusammen mit einem Lautsprecher eine akkustische Rückkoppelung gibt, oder?

12)
Zusammen mit dem Westberliner Onkel saßen alle herum und haben Bier gesoffen. Und dann ist der Onkel wieder unbehelligt nach Westberlin zurückgefahren? Nach der StVO der DDR war am Steuer 0,0 Promille erlaubt. Und wäre nicht der Fahrer eines dicken, kapitalistischen Mercedes, der nach Bier stinkt, an der Grenze kontrolliert worden? (Schließlich war der Freikauf von Gefangenen aus Westdeutschland und Westberlin eine nicht unbeachtliche Devisen-Einnahmequelle der DDR.)

13)
Außerdem soll der Onkel, laut Drehbuch, über die Grenzübergangsstelle Heinrich-Heine-Strasse JEDEN Sonnabend ein- und ausreisen. Die GÜSt Heinrich-Heine-Strasse war jedoch nur für Westdeutsche, nicht aber für Westberliner.
Und normalerweise, auch zu DDR Zeiten, hat ein Jahr ca. 52 Sonnabende. Einreisen durften Westberliner allerdings nur ca. 30 mal im Jahr.

14)
Auf dem Parkplatz des Ministeriums für Staatsicherheit in der Normannenstraße gibt es nur Trabis und Wartburgs. Wo sind die Skodas, Volvos, Mazdas und Polos? Die DDR hat ab 1975 Volvos für die Privilegierten und ab 1982 Mazda 323s für jedermann importiert. Zumindest einige Stasi-Mitarbeiter hatten Mitte der 80er schon andere Fahrzeuge.

15)
Auch auf diesem besagten Parkplatz ist ganz im Hintergrund und ganz klein das gelbe Schild mit dem Bundesadler am Eingang vom Haus 7 zu erkennen.

16)
Die meisten prominenten DDR-Künstler gingen nicht so selbstverständlich davon aus, dass ihre Wohnungen nicht präpariert waren. Begriffe wie Wanzen, Abhöranlagen, Richtmikrofone, waren sogar schon vor der Wende allgemein bekannt

17)
Generell stand Schwert und Schild der Partei nicht im Treppenhaus herum und hat geklingelt und dann sich großzügig angekündigt; sie war nicht die GEZ. Sie hätte die Tür sofort aufgebrochen und die Bude brutal gestürmt.

Fazit:
MfS hat nicht nur Wohnungen nach möglichen Beweismaterial durchsucht, sondern auch solches gepflanzt falls notwendig. Sie war die deutsche Version vom sowjetischen Komitet Gosudarstvennoy Bezopasnosti (Komitee für Staatssicherheit) und die Nachfolgeorganisation der Gestapo. Sie war eine paranoide Geheimpolizei, die schätzungsweise ein sechszehntel der geängstigten DDR-Bevölkerung dazu genötigt hatte, als Spitzel für sie zu arbeiten. Zu der Zeit, in der dieser Film spielt, war das MfS, gemessen an der Größe der Bevölkerung des Landes, der größte, wenn nicht auch der mächtigste Geheimdienst der Welt.

Der Film zeigt nichts von der alltäglichen Paranoia des Staates gegenüber dem Westen, nichts von dem immer angespannten Zustand der Bevölkerung, die sich zuerst in die Schlange stellte und dann fragte, was es zu kaufen gab, jener Bevölkerung, die ständig auf dem Prüfstand der sozialistischen Gesellschaft stand und dann die resultierende Unsicherheit bzw. den Frust durch einen hohen Alkoholkonsum zu kompensieren versuchte. Die Tablettensucht der Schauspielerin wurde im Film lediglich als Mittel zur Erpressung benutzt. Die Ursacht der Sucht wurde ignoriert. Und vor allen zeigt der Film nichts von der Hassliebe des einzelnen DDR-Bürgers zu seinem sozialistischen Vaterland.

Diese Kritik des Filmes soll nicht in erster Linie die Unfähigkeit eines neuen deutschen „Filmemachers“, die jüngste deutsche Geschichte filmisch glaubhaft darstellen zu können, anprangern, sondern vor allem auch die Bereitschaft der Filmpreis-Juries, eine verharmlosende Vergangenheitsdarstellung mit Preisen maßlos zu überhäufen.

MoritzvonMühlhausen 25.5.06 16:46