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Die Geisha

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HOLLYWOODS MÜHLEN MAHLEN Dietmar Kesten 21.1.06 12:22

DIE GEISHA

HOLLYWOODS MÜHLEN MAHLEN

von DIETMAR KESTEN, GELSENKIRCHEN, 21. JANUAR 2006.

Soviel Schmalz war nie. Schon programmatisch kommt Hollywood daher, wenn es seit Jahren die Kinos mit Epen über zurückgelassene Frauen, hehre Helden und weinenden Zöglingen überschwemmt. Nichts ist Hollywood heilig. Alles ist nahezu filmisch schon verarbeitet worden. Eigentlich fehlt im Boulevard der Träume nichts mehr. Jedes Melodrama, jede Komödie, Thriller- oder Action Film ist ein Sozialpaket geworden, aus dem sich jeder bedienen kann: die Regisseure, die Schauspieler und natürlich das Publikum. Trotz Umsatzeinbrüchen (in Deutschland fast 20%) geht der Siegeszug Hollywoods unvermindert weiter. Mit Filmen, die offenbar schwer beeindrucken, die sich ungemeiner Popularität erfreuen, die aber auch im Dickicht der Zweitklassigkeit verschwinden. Hollywood, das weiß jeder, zieht seinen enormen Erfolg auch aus Buchverfilmungen.

Dass ausgerechnet Arthur GOLDENs Roman „Die Geisha“ zur Verfilmung gelangte, entbehrt nicht einer gewissen Pikanterie und einem mehr als deutlichen Affront; denn die Titelstars sind ausnahmslos Chinesinnen, darunter Zhang ZIYI („Tiger and Dragon“, 2000, „Hero“, 2002, „House of Flying Daggers“, 2004). „Die Geisha“ (Regie: Rob MARSHALL, 2006) ist die (Lebens-)Geschichte von Mineko IWASAKI, dem armen Fischermädchen, ein Filmstück über Traditionen, Werte, Ergebenheit, Unterdrückung und Kunst der Bewegung. Eingebettet in die fernöstliche Kultur, in Rollenverteilung, Mythos, Klischees, Gesten, Willkür, Laster und Liebe, der geschmeidigen Bewegung im Tanz und des Spiels (Shamisen), erzählt der Film den Aufstieg von Chiyo (Suzuka OHGO/Ziyi ZHANG).

„Die Geisha“ zeigt auf den ersten Blick opulente Bilder, farbenprächtige Kostüme, Ballett, Teezeremonien, Kimonos, Make - up und schöne Frauen. Doch der Film ist alles andere als Verzückung, exotische Begegnung, Extravaganzen oder sehnsuchtsvoller Schwere. „Die Geisha“ ist ein amerikanisches Melodrama in japanischer Verkleidung. Er ist Oper, Operette, Musical, Film und Tanzgeschichte in einem, überdies eine Ansammlung von Widersprüchen, die sich auf den Geisha - Beruf beziehen; denn sie standen seit der Edo- Zeit (1603 - 1868, nach der Hauptstadt Edo, ab 1869 Tokio) vermutlich immer zwischen Kunst und Prostitution.

Vom armen Mädchen zum Star, die gesellschaftlichen Kasten hinauf- das liest sich wie: vom Tellerwäscher zum Millionär. Und so verkehrt ist diese Beschreibung nicht. Auftrumpfend sorgt „Die Geisha“ zunächst für Verzückung, betört nach harter Ausbildung und zahlreichen Tests Männer, setzt sich durch, erweist sich als flink, geschwind. Und stößt aber auch bald an ihre Grenzen, die sich im Widerstreit mit ihren Kolleginnen zeigen, sozusagen kulturübergreifend; denn das Stück ist „Denver Clan“ und „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“ in einem.

Umwoben mit bunten und bombastischen Knalleffekten, ist dieses Kino mit jenem Pseudorealismus unterlegt, der der Geschichte den Hauch einer realen Begegnung mit der fernöstlichen Sonne im Hintergrund vermitteln soll. Diese „Geisha“ hat strenggenommen nichts mit der ‚onna Geisha’, des Beginns ihrer Blütezeit zu tun: Seele, Herz, Talent, Kleidung, Tanz, Dekoration, Gestik und Mimik ist hier ein Fantasieprodukt, das von reinen visuellen Effekten lebt, aber nichts Authentisches inszeniert. Historische Fakten, die mitunter hier gar keine sind, werden als Abenteuer dargestellt. Damit war schon „The Last Samurai“ (Regie: Edward ZWICK, 2003) gescheitert, der eine Vergangenheit präsentierte, die allenfalls ein amerikanisches Schnittmuster war. In diesen Linien verliert sich dann auch „Die Geisha“ mit Gewissheiten und historischen Fakten, die keine sind, und die allenfalls an der Oberfläche dümpeln.

Völlig außer acht gelassen wird natürlich auch ein Tabu, das mit der Thematik Zwangsprostitution im Zusammenhang steht. Der Film, der in der Zeit spielt, als über Japan der Zweite Weltkrieg hereinbrach, muss als kompromittierend bezeichnet werden. Zwischen 1932 und 1945 zwang die japanische Armee mehr als 200. 000 Frauen aus den besetzten Ländern in die Prostitution, verschleppt oder mit falschen Versprechungen geködert. Tatsächlich landeten sie jedoch in den Bordellen, wo sie vergewaltigt, misshandelt, gedemütigt und sogar getötet wurden. „Die Geisha“ verweigert sich an diesem Punkt der Geschichte. Und tischt ein reaktionär - cineastisches Gebilde von Teehäusern, Theatern und Vergnügungsbezirken mit einer Love - Story auf.

Fazit:

Über japanische Kulturkreise erfährt man wenig, rein gar nichts. Der Film ist ein amerikanischer Blockbuster im japanischen Gewand, eine Verpackung, der bei näherer Betrachtung die weiße Schminke von alleine abfällt.

Dietmar Kesten 21.1.06 12:22