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Eden

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Erotische Schwarzwaldküche
von Ansgar Thiele

Ein biederer Kurort im Schwarzwald. Ein beleibter Meisterkoch. Die verheiratete Serviererin eines Kurcafés, Mutter einer fünfjährigen Tochter mit Down-Syndrom. Dazu der Mann der Serviererin, der als Animateur im Kurpark arbeitet. Zutaten einer Dreiecksgeschichte. Denn natürlich wird Eden, die junge, hübsche Serviererin, den Künsten des übergewichtigen, kahlköpfigen Kochgenies Gregor verfallen, wird ihr Mann Xaver eifersüchtig um seine – spießige – Ehe kämpfen. Die Zutaten sind nur allzu vertraut.

Und auch die Erotik der Kochkunst ist im Kino oft genug zelebriert worden. Cucina erotica – es gehört fast schon eine gewisse Dreistigkeit dazu, die vorgeblich aphrodisierenden Kreationen Gregors auch noch so zu nennen. Schwieriger allerdings, die Gaumenlust filmisch zu vermitteln. Die Inszenierung des Essens und seiner Zubereitung bleibt unentschlossen. Kurze, bewegte Einstellungen unterstreichen die körperliche Dynamik des Kochvorgangs, während die an der Food Photography der 1980er Jahre geschulten Aufnahmen der auf von unten beleuchteten Glastellern adrett angerichteten Speisen nach sterilem Kunstgewerbe schmecken. Dazu noch im etwas unmotivierten Off-Kommentar Gregors einige Prisen ‘Kochphilosophie’. Paradiesischer Genuss und erst recht Erotik bleiben Behauptung. Im Vergleich beispielsweise zu Greenaways The Cook the Thief, his Wife and her Lover, auf den der die Anfangssequenz untermalende hohe Männergesang (nicht ohne Anmaßung) verweist, ist hier alles sehr zahm. Zumindest für den Meisterkoch, für den sexuelle Betätigung angesichts gar zu ‘mütterlicher’ Rundungen ein Gesundheitsrisiko darstellte, ersetzt Kochen Erotik. Eine auf TV-gerechte Familientauglichkeit heruntergekochte Variante des Themas.

Allerdings entsprechen die Handlung und ihre Inszenierung sehr genau der (wenn man so will) Biederkeit von Setting und Protagonisten. Kein falscher Glamour ist der Provinzdarstellung beigemischt, keiner jedenfalls, der nicht der Vorstellungswelt der handelnden Personen entstammen könnte. Der Gipfel der Kochkunst ist denn auch nichts Exquisiteres als Schoko-Cola-Sauce. Gerade seine Inszenierung von Biederkeit ist eine der Stärken des Films. In diesem Rahmen ist dann mehr möglich, als man vielleicht vermuten würde. Vor allem aber lebt Eden durch seine Figurenzeichnung und Schauspieler. Josef Ostendorf als eigenwilliger, schüchterner Meisterkoch und Devid Striesow als der wenig erfolgreiche, schwache, dann aggressive Ehemann sind überzeugende Kontrahenten. Und Charlotte Roche als Eden macht die Rivalität der beiden Männer verständlich. Ihre Dialoge wirken oft auf eine charmant-natürliche Weise hölzern. Sie kann geradeheraus und eigensinnig sein, verletzlich, klug und naiv. Manchmal wirkt sie fast wie ein Kind – und setzt dies im liebevollen Zusammenspiel mit ihrer Tochter (Leonie Stepp) auch bewusst ein. Eden mag cineastisch eher Hausmannskost als 5-Gänge-Menü sein. Der Film führt aber auch vor, was ein Kochkünstler selbst aus einem Leberwurstbrot zaubern kann.