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Goyas Geister

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Good bye, Goya
von Ansgar Thiele

Kein Film über Goya. Ursprünglich, als der spanische Maler noch im Mittelpunkt stehen sollte, war Javier Bardem für die Rolle vorgesehen. Dann entschied man sich für Stellan Skarsgård. Keine schlechte Wahl sicher, nicht nur aus Gründen der Ähnlichkeit. Goya ist die Figur, aus deren Perspektive der größte Teil der Handlung erzählt wird. Aber er wird im Laufe des Filmes immer mehr zum Beobachter eines Geschehens, auf das er nur geringen Einfluss hat. Er ist Repräsentant seiner Epoche. Bisweilen allerdings wirkt er eher wie eine Staffagefigur des Zeitpanoramas.

Auch ein Film über Goyas Kunst ist es nicht wirklich – wie dies viel eher (mit allerdings sicher strittigem Ergebnis) Carlos Sauras Goya en Burdeos gewesen war. Hin und wieder werden Goyas Bilder eingeblendet, seine Hofporträts, vor allem aber die bekannten Schreckensszenarien der Desastres de la guerra. Sie werden konfrontiert mit den im Film dargestellten Greueln von Krieg und Folter, ersetzen Bilder der Filmrealität oder werden in diesen nachinszeniert. Die Konfrontation aber bleibt konventionell: Goyas Kunst als Illustration seiner Zeit. Daneben tritt Goya als Maler des Hofes und der besseren Gesellschaft auf. Er wird als Auftragskünstler dargestellt, der die Mächtigen malt, gleich welche politische Richtung oder Regierungsform sie vertreten, der sich zugleich aber um ihren Wunsch nach idealisierter Darstellung nicht schert. Um Spannungen und Widersprüche zwischen diesen Künstlerrollen geht es weniger. (Kein Wunder, dass die für den Film gemalten Gemälde den Stil Goyas nur sehr näherungsweise treffen.)

Goya fehlt die Vitalität eines Amadeus. Seinen Platz in der Dramaturgie nimmt daher mehr und mehr ein gewisser Lorenzo ein, Mönch im Dienste der Inquisition, der sich den Idealen der französischen Revolution anschließt und dabei vor allem seinem Machtinstinkt treu bleibt. Die Verkörperung dieser schillernden (fiktiven) Figur durch Javier Bardem ist der wesentliche Pluspunkt des Films. Und dann gibt es da noch Natalie Portman als Inés, Opfer der Geschichte im Allgemeinen und der Inquisition im Besonderen, die als jugendlich hübsche Muse Goyas eingeführt wird, den Rest des Films aber in gräuslicher Maske herumlaufen muss. Lorenzo als Bösewicht, Inés als Opfer und Goya als neutraler, aber humaner Beobachter und Helfer: eine doch etwas hölzerne Figurenkonstellation. Dass diesen Protagonisten, mehr Allegorie als Psychologie, zwischendurch, in dem im zweiten Teil des Films rasant beschleunigten Galopp durch gut zwanzig Jahre spanischer Geschichte (1792-1814), immer mal wieder die Puste ausgeht, verwundert nicht weiter. An Dramatik mangelt es dem Film in der Tat nicht. Um Empathie zu erzeugen, schreckt er allerdings auch vor eher drastischen Effekten nicht zurück.

Ein episches Zeitgemälde also. In der Tat wurde viel an Originalschauplätzen gedreht – von denen man allerdings angesichts der vor allem vor der Invasion der napoleonischen Armee seltenen Totalen (erst recht Weiteinstellungen) nicht immer so viel sieht. Reiche, zum Teil gleichfalls originale Ausstattung und den Gemälden Goyas nachempfundene Kostüme lassen, in geschmackvoll inszenierten Bildern, das Spanien der Wende zum 19. Jahrhundert lebendig werden. Oder zumindest das, was man sich üblicherweise darunter vorstellt: Die zentrale, schaurig-faszinierende Rolle, die der Film der Inquisition zudenkt, ist jedenfalls weniger historisch als dramaturgisch legitimiert.

In einem Interview hat Milos Forman, den das Goya-Projekt anscheinend schon seit der Zeit des Amadeus verfolgt, auf Parallelen zwischen Kommunismus und Inquisition, zwischen den Systemwechseln des 20. Jahrhunderts in Osteuropa und den Umbrüchen im Spanien des ausgehenden 18. und beginnenden 19. Jahrhunderts hingewiesen. Die Aktualität von Themen wie Regimewechsel und Fanatismus wird niemand bestreiten. Aber muss man dafür Goyas Geister beschwören?