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Lichter der Vorstadt

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Mein erster Aki Kaurismäki Film Ildiko J. 11.12.06 21:02

Mein erster Aki Kaurismäki Film. War daher stark beeindruckt von den Farben, den Bildern, der Handlung, dem trockenen Humor, seiner stilisierten, leicht verständlichen Wiedergabe dessen, was er sagen möchte.

Ich habe in dem Film folgendes gesehen:
Lichter der Vorstadt, das sind die Menschen, die noch Prinzipien haben, die Romantiker, die von denen, die es nicht sind, schamlos ausgenutzt werden. Die Idealisten sind die Looser der Gesellschaft. Sie haben zwar Träume und Hoffnung, jedoch bekommen sie scheinbar nichts auf die Reihe im Gegensatz zu denen, für die Gefühle und abstrakte Werte wenig bedeuten. Es ist eine Gegenüberstellung der Welt des Materialistischen und der Welt des Emotionalen.
Einsamkeit, Unverstandensein des Suchenden durchziehen den Film. Niemand kennt und mag die Hauptfigur Koistinen. Warum? Vielleicht weil er ein Träumer ist.
Da passt sein Beruf, der des Nachtwächters wie die Faust aufs Auge. War die Nacht nicht immer die Zeit der Träumer? Auch wenn er mit seiner beruflichen Situation nicht wirklich zufrieden ist (weil er weiß, dass er so zu den Verlierern gehört?) und große, irreale Pläne hat.

Koistinen gerät in den Strudel der Ereignisse, weil er die Freundin des Freundes eines Gangsters mit einem Hallo "angemacht" hat. Der Gangster rächt sich für seinen Freund und schickt seine blonde Geliebte zu ihm, um den Code für ein Juweliergeschäft herauszufinden, dieses auszurauben und Koistinen den Diebstahl in die Schuhe zu schieben. Die Blonde wickelt K. leicht um den Finger, der sich freut, dass ihn endlich jemand mag und Interesse an ihm gefunden hat.

Die Blonde könnte kälter nicht sein. Manchmal flackert während des Films ein Funken Hoffnung auf, dass auch sie Mitleid und Gefühle haben könnte. Doch Geld ist stärker als Moral. Bezeichnend fand ich, wo sie in Anwesenheit des Gangsters, als er das nächste Übel gegen K. plant und durch sie ausführen lassen will, wie durch Gewissenbisse geplagt fragt:
"Warum mache ich sowas?"
Und der Gangster antwortet:
"Weil du sonst arbeiten müsstest."
Das ist das schlagende Argument, das ihr "Gewissen" zum Schweigen bringt.
(Da stellt sich bei mir die Frage: War sie immer schon so? Ist da ein Rest Güte in ihr? Hat die Welt, die Großstadt sie zu dem gemacht, was sie jetzt ist?)
Und Koistinen, der vom Gangster als "romantischer Trottel" bezeichnet wird, lässt alles über sich ergehen, ergibt sich seinem Schicksal. Denkt er selber über sich, er sei ein Verlierer?
Zum Helden wird er nur, um für die angebetete Frau zu kämpfen.

Parallel dazu ignoriert er das Glück, das ihm greifbar nah wäre. Die kleine brünette Grillbudenverkäuferin, die er jeden Tag sieht, scheint von ihm eingenommen zu sein. Das kommt zum Vorschein, als sie erfährt, dass K. eine Freundin hat.
Ob sie auch so einsam ist wie K., erfährt man nicht.

Treue ist eines der wichtigsten Werte, den ich dem Film entnommen habe. K. verrät seine "Liebste" (oder die romantische Liebe?) nicht und die Grillbudenbesitzerin wartet auf K., egal wie lang. (oder wartet sie nur, weil sie niemand anderen findet?)

Aus meiner Sicht ist Lichter der Vorstadt ein Film über die Einsamkeit des Romantikers, des Unverstandenen und der ständigen Suche nach dem Glück und des gleichzeitig nicht Erkennenwollens.
Weitere Frage: Zählen Romantiker zu den Dummen, den Deppen?

Kaurismäkis Figuren zeigen keine heftigen Gefühle, keine wahren Wutausbrüche, kein Heulen. Gefühle werden nur angedeutet. Und wenn etwas zum Ausbruch kommt, dann wirkt es auch sehr distanziert und wie von Puppen gespielt. Die figürliche Darstellung bleibt mit Absicht grob und stilisiert.

Und die Farben und Kulissen tun ihr Restliches.
Alles allegorisch und aus sicherer Entfernung. Damit die Realität nicht so weh tut.

Ildiko J. 11.12.06 21:02