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Saw II

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TÖDLICHES KINO Dietmar Kesten 10.2.06 10:58
TÖDLICHES KINO Nils 15.2.06 15:29
TÖDLICHES KINO Dietmar Kesten 15.2.06 16:27
TÖDLICHES KINO Niko 12.2.06 23:13
TÖDLICHES KINO Dietmar Kesten 13.2.06 19:48

SAW II

EINE FORTSETZUNG DES TÖDLICHEN KINOS

von DIETMAR KESTEN, GELSENKIRCHEN, 10. FEBRUAR 2006.

Dass das moderne Horror und Splatter- Kino eine Spielwiese der gesellschaftlichen Barbarei geworden ist, kann nur bedauert werden. Filmkritiker stehen von vornherein unter einem ungünstigen Stern, oder auf verlorenem Posten, wenn sie diese kranken und abartigen Verwilderungen kritisieren, diese unappetitlichen Vergiftungen des Denkens als „nichtswürdiges Schauspiel“ betrachten. Der Horror ist zu einem weiten Feld geworden. Die Kritik daran auch. Fast alles positive und negative ist gesagt worden, und jede/r der schreibt, muss sich mehr mit den Gegnern herumschlagen; denn sie sind scheinbar auf der sicheren Seite, da das Kino ihre Argumente unterstützt. Auf Internetseiten haben sie sogar ihr eigen Foren, keifen gegen die Gegner, denunzieren und lassen durch ihre Wortwahl, die teilweise unterhalb der Gürtellinie angesiedelt ist, erkennen, dass sie nicht beabsichtigen, sich
ernsthaft auseinander zusetzen. Wie es der gemeinbürgerlichen Ideologie geziemt, dreschen sie munter auf alles ein, was ihnen in die Quere kommt. Es bleibt einem letztlich nur der Rückzug, oder der Versuch, durch Worte zu überzeugen.

Doch es ist schwierig geworden, diese radikal - kritische Thematisierung voranzutreiben, und darauf zu hoffen, dass der Sieg der Vernunft über diesen Urgeist der eindimensionierten Entmenschlichung obsiegt. „Die Gedanken sind frei“, gilt immer noch. So schreibt man an: gegen Denunziation, verquerte Glaubenssätze, gegen notorische Selbstdarstellung, gegen heruntergekommene Gehirne der Drehbuchschreiber, Regisseure und Filmproduktionsfirmen, gegen ekelhafte Koterei im Film, ergraute Definitionsmacht, gegen verhetzte Subjekte und klammheimliche Sektenprediger. Für sich genommen ist diese Konfliktaustragung reine Privatsache. Sie wird dann zur öffentlichen, wenn sie wie hier, einen (kleinen) Kreis des Publikums erreichen soll, das bereit ist, sich mit der umgebenden Verrohung filmischer Gewalt zu beschäftigen.

„Saw II“ (Regie Darren Lynn BOUSMAN) ist die Fortsetzung von „Saw“ (2005). Der Killer aus dem Erstlingswerk ist zurück. Jigsaw (Tobin BELL) hat dieses Mal eine Gruppe von Menschen in einem Haus eingeschlossen. Der Cop Eric Matthews (Donnie WAHLBERG) nimmt seine Spur auf. Schnell wird Jigsaw gefunden. Doch dieser Fahndungserfolg ist nur ein Teil des Spiels, das der Killer fortan genüsslich zelebriert. Schnell muss Matthews erkennen, dass neben seinem Sohn weitere sieben Menschen gefangen sind. Sie haben nur zwei Stunden Zeit, um das Spiel zu spielen und den drapierten Todesmaschinen zu entkommen. Matthews muss sich zudem alles auf Videomonitoren mit ansehen. Es kommt, wie es kommen muss. Die spezielle Art des Tötens, das sind die Spielregeln des entpersönlichten Zombies, der sein Gehirn an der Garderobe abgegeben hat und als perspektivloser egozentrischer Mordbube nun sein Unwesen treibt.

Wiederum ist nichts dem Zufall überlassen. Wer dieses Spiel gewinnen wird, ist klar: die Uhr; denn sie tickt unaufhörlich. Jigsaw lässt sich sein Gewaltmonopol nicht streitig machen: Tod durch Vergiftung, Fallen, Gas, verbrennen von Menschen bei lebendigem Leib, eingeschlagene Schädel, durchschossene Augen, platzende Schädeldecken und Puzzelteile, die aus der Haut geschnitten werden. Die mörderischen Injektionsspritzen, die verabreicht werden, lassen sich nicht mehr zählen. Jede/r rennt um sein Leben; denn das Ticken der Uhr verrät, dass das Leben keinen Wert hat, dass Rätsel gelöst werden müssen, um dem kalten Blutgericht zu entgehen. Selbst wenn man meint, Glück gehabt zu haben, hält die funktionierende Horrormaschine mit entsetzlichen Konsequenzen für die Überlebenden immer noch die Hand an der Wiege.

Der blanke Horror, der sich nun schon seit Jahrzehnten mit immer neuen Varianten durchs Kino zieht, ist zu einer Universalgeschichte der Niedertracht geworden. Irgendwo stellt er in der Zwischenzeit nicht nur ein Abbild von der Realität dar, sondern ist Realität selbst, wenn an die absurde Idee gedacht wird, den „Kannibalen von Rothenburg“ in einem Film zu verewigen. Die „echten Verbrechen im Kino“, wie die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ schrieb, haben noch gefehlt. So gesehen ist Jigsaw eine „wahrhaftige“ bürgerliche Denkfigur; denn unter seinem (weiten) Mantel hat er nicht nur modernes Mordwerkzeug versteckt, sondern gleichsam auch (s-)eine Ideologie: ich richte mit dem Schwert und der Waage.

Die monströse Gewalt und das Beharren darauf, sie anzuwenden, ist nichts anderes als moderne Kriegsführung; denn auch sie begann einst damit, dass der Söldner sich die Technologie der (Distanz-)Waffe zu Eigen machte. Jetzt hat sich Jigsaw mit diesem Durchsetzungsmechanismus voll identifizieren können. Sein explosives Zerstörung- und Selbstzerstörungspotenzial ist ein nicht mehr zu überbietender Todestrieb, Subjektivität des Selbstzwecks der postmodernen Weltgerichte.

Nun ist das Kino kein Ort um die Gedankengänge von Gewalttätern Revue passieren zu lassen, aber ein Ort, der in diesem Rahmen nur Feindseligkeit gebären kann. Der Exekutor verwandelt die Welt in die Vergleichgültigung, er „ökonomisiert“ sie sozusagen. Und das geht nun wahrlich über das Risiko des bloßen Schauens hinaus. Mit diesen perfiden Untertaten des Jigsaw - Killers sitzt man selbst schon in seinem Boot. Und das Resultat endet mit der eigenen Kinobeerdigung.

Dieses Kino des Ekels wird weiter ungehindert den Pfropf des Horrorwahns von Schwelle zu Schwelle tragen. Die autistischen Monster werden weiter ihre Kreise ziehen. Es fragt sich nur, wie lange man diesen Vandalismus noch über sich ergehen lassen kann?

Fazit:

Siehe oben.

Dietmar Kesten 10.2.06 10:58