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The Da Vinci Code - Sakrileg

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Städtetour und Paranoia nienna 28.5.06 19:14

Die ganze Sache wurde ja ungünstig aufgezogen: Wochen vor Anlaufen des Films gab es bereits Reportagen und Hintergrundrecherchen bezüglich der Neudeutungen von Leben, Wirken und Sterben Jesu. Selbst dem unbeteiligsten Rezipienten von Alltagsmedien erreichten die sagenhaften Ergebnisse von Dan Browns Exkurs in die lichtlosesten Abgründe der Kirchengeschichte, wie sie nun, werkgetreu bebildert, von Ron Howard in die Kinosäle Europas geschickt werden - mit einem inszenatorischen Pathos, der selbst den edlen Marmor der vatikanischen Gemäuer ins neidvolle Gelb treiben könnte.

Wir verfolgen die beiden Helden auf ihrer kulturellen Rundreise durch die alte Welt und bemühen uns um Aufregung und Gänsehaut, wenn böse katholische Sektierer, Sado-Maso Mönche mit Pigmentstörung und fehlgeleitete Kommissare ihnen nach Freiheit, Wissen und Leben trachten. Audrey Tatou beherrscht nach wie vor nur zwei Gesichtsausdrücke und kommt dabei dem Konzept einer göttlichen Weiblichkeit recht entgegen, welches ebenso farblos in seiner Darstellung bleibt, wie das Spiel der mit diesem Film gefallenen "Amelie"; Tom Hanks ist ja über den hundeäugigen Biedermann bislang noch nie hinaus gekommen, der mit dem Part des Robert Langdon wieder üppig bedient wird. Und Jean Reno, der Arme, wird dem Abonnement auf den griesgrämigen Flic in Hollywoodfilmen wohl nie mehr entkommen.

Auf der Habenseite glänzt indes Ian McKellen, der mit Leben und Leidenschaft einen britischen Kapitän Ahab der Gralssuche abgibt und den Witz auf seiner Seite hat.
Aber wie soll er gegen ein lahmes Skript anspielen, dem jede Überraschung im Vorfeld bereits entzogen wurde und das in seiner Dramaturgie von so manchem Fernsehfilm-Mehrteiler ausgestochen wird? Einzig zu gute halten läßt sich der Geschichte, dass sie Selbstverständlichkeiten des christlich geprägten Abendlandes in Frage stellt, in eine öffentliche Diskussion bringt, dabei aber pretentiös und selbst dogmatisch bleibt und unter logischen Brüchen laboriert: wem, bitteschön, ist mit den Gebeinen der Maria Magdalena (diese Figur hat in der geschilderten Charakterisierung nicht existiert, im übrigen)geholfen, wenn es darum geht, die väterliche Linie der angeblichen letzten Nachfahrin Jesu zu examinieren? Wo zieht man die wissenschaftliche Vergleiche zur Verifizierung? Vom Schweißtuch der Veronika?
Ernsthafter mit dem Thema Wissenschaft, Glaube und Dogmatik geht da schon der einige Jahre ältere Streifen "The Body" um, der allen ans Herz gelegt sei, die an der Materie interessiert sind.

"The Da Vinci Code" jedenfalls bietet neben interessanter kunsthistorischer Interpretationen und einer visuell reizvollen Besichtigungstour europäischer Kulturstätten nur wenig, was die hitzigen Debatten der vergangenen Wochen nachvollziehbar machen würde.

nienna 28.5.06 19:14