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300

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300 Franz Witsch 2.5.07 17:49

300, USA 2006
Regie: Zack Snyder
Hamburg, 26.03.2007
von Franz Witsch
nachzulesen in www.film-und-politik.de

Ohne die Spartaner keine Bergpredigt. Todesmutig werfen sich 300 Spartaner einer Übermacht von widerlichen Persern entgegen, Barbaren, die Orgien feiern, ohne Anstand, schlimmer als Tiere. Vergeblich versucht Leonidas, der König der Spartaner, seine Landsleute von der Gefährlichkeit dieser Tiere aus dem Osten zu überzeugen. Einzig seine 300-Mann-Leibgarde lässt ihn nicht im Stich und folgt ihm in einen aussichtslosen Kampf gegen ein Millionenheer, todesmutig und unbeugsam, während andere mit persischen Unterhändlern verhandeln wollen. Davon hält Leonidas gar nichts. Er macht mit den ungebetenen Besuchern kurzen Prozess und stößt sie eigenhändig in einen dunklen Brunnen, wahrscheinlich mit allerlei Getier darin.

Und so marschiert er 480 v.Chr. mit seiner furchtlosen Leibgarde, Helden wie sie die Geschichte nie sah, zum Thermopylen-Pass, in ein Gemetzel sondergleichen, sehenden Auges in den Tod, um der Heimatfront Freiheit und Demokratie zu erhalten, Zeit zu gewinnen, die seine Königin daheim bitter braucht, um endlich alle Spartaner zu vereinigen gegen das Böse, zu führen in einen großen Kampf, der alles entscheiden muss.

Auch Helden brauchen zuweilen Zuspruch. Damit ihr König auch wirklich marschiert, beschwört die Königin ihn: es sei seine heilige Pflicht, sich für sein Volk zu opfern. Ja, er werde sterben, er werde sie nicht wiedersehen. Ihn erwarte aber Ruhm für die Ewigkeit, wenn er Vorbild sei für sein Volk bis in den Tod hinein, wenn er sterbe für die Freiheit. Komm, ein letzter Beischlaf, bevor wir – stöhn – uns nie mehr wiedersehen. Und dann stirbt er wie nie ein Held vor ihm gestorben. Kurz bevor alles vorbei, schickt er schnell noch einen Krieger an die Heimatfront, damit er seinem Volk ein Lied singe vom heldenhaften Opfertod, auf dass Sparta lebe. Dafür muss die Königin noch allerhand Überzeugungsarbeit leisten gegen verhandlungsbereite Weicheier ohne Werte, für die sie sterben wollten. Die gibt es selbst im Volk der Spartaner. Auch heute, unter uns, sieht man sie immer und überall. Am Ende stehen aber alle Spartaner wie ein Mann hinter ihrer Königin, bereit, sich von ihr in den Kampf schicken zu lassen.

Die hat’s wahrlich nicht leicht. Immerzu muss sie sich gegen miese Typen zur Wehr setzen. Der Schlimmste unter ihnen drückt sie mit dem Gesicht zur Mauer und vergewaltigt sie. Hernach prahlt er damit vor versammelten Griechen. Kein Mittel ist ihm zu mies, um die Königin in ein schlechtes Licht zu rücken. So seht sie euch an, ihr Griechen. Kaum ist ihr Mann mal weg, treibt sie’s zu Hause mit anderen. Selbst mich hat sie nicht verschmäht. So, jetzt reicht es. Grimmigen Blicks stemmt sie dem Denunzianten sein eigenes Schwert in den Magen.

Währenddessen will das Gemetzel am Thermopylen-Pass nicht aufhören. Die Helden gönnen sich keine Pause. Zwischen den Schlachten wird weiter auf Feinde eingehackt, wenn sie noch vor sich hinröcheln. Zwischen dem ganzen Gehacke, auf Bergen von Leichen stehend, unterhält sich der König mit einem Offizier. Beide merken nicht, wie zu ihren Füßen ein Feind stöhnt. Dann endlich, die Unterhaltung ist zu Ende, und der Offizier kann endlich auf den Röchelnden einstechen. Stöhn. Will die Arbeit denn nie ein Ende nehmen? Unentwegt neu anstürmende Bestien, die entsorgt gehören.

Natürlich geht es unter den Griechen ziemlich roh und ungeschliffen zu. Aber sie schlagen schon mal eine Bresche für die Demokratie und Freiheit. Mit Bestien verhandeln? Sich von ihnen erpressen lassen? Niemals. Unsere Jungs, sie wackeln nicht. Je näher sie ihr Ende auf sich zu kommen sehen, desto fester und unbeugsamer fühlen sie sich der Freiheit verpflichtet. Dafür tränken sie die heilige Erde mit ihrem Blut. Zu keinem Zeitpunkt geben sie auf. Niemals weichen sie zurück. Freiheit oder Tod, so immer wieder ihr Schlachtruf. Männer, ihr werdet sterben, aber ewiger Ruhm wartet auf euch, der die Welt erleuchten wird, Wankende und Unentschlossene Mut machen wird, auf dass sie das Werk vollenden.

Und diese ihre Hoffnung, sie trügt tatsächlich nicht. Schon formiert sich daheim der Widerstand. Die Reihen schließen stets fester sich zusammen. “Wo die Gefahr am größten, wächst immer das Rettende auch”, so wusste schon Heidegger seinen Hölderlin zu zitieren, um den Untergang der Nazis vielleicht noch in letzter Minute abzuwenden. Auch hier stirbt der König, wie es sich gehört, so ziemlich als letzter. Die Arme nach links und rechts gereckt. So liegt er da wie der leibhaftige Jesus, blutüberströmt, von unzähligen Pfeilen durchbohrt. Hand in Hand, zusammen mit seinem getreuen Offizier. Nein, schwul sind die nicht. Sie stehen sich bei in dieser schwersten Minute ihres Lebens, beim Sterben. Der Offizier sagt mit allerletzter Kraft, es sei eine Ehre, zusammen mit dir, oh König, dem Himmelreich nah zu sein, pardon, beim Sterben vom der Mantel der Geschichte umweht zu werden. Da flennen selbst die ganz Harten.

Hört man die Filmemacher reden, so steht fest, sie glauben an den faschistischen Dreck, den sie da produziert haben. Ohne die 300 und ohne ihren unbändigen Freiheitsdrang, damit einhergehende Opferbereitschaft, würden wir heute unsere Freiheit nicht genießen können. Dafür lebten die Griechen. Das ging zwar, wie auch anders, mit der einen oder anderen Rohheit einher. Aber wirklich blutrünstig waren sie nur in Notwehr, im Krieg, wenn es sich nicht vermeiden ließ. Wiewohl sie, ohne es recht zu wissen, im Keime schon das waren, was die heutige christliche Zivilisation in vollster Blüte charakterisiert. Erschreckend, der Film lief in den USA sehr gut, trotz Anti-Bush-Stimmung. Die glauben immer noch, dass der Irakkrieg nur ein Fehler war. Man möchte “unsere tapferen Jungs” wieder daheim haben. Die können doch nichts dafür. Auch sie fühlen sich im Irak von der Heimatfront, oh Dolchstoßlegende, schmählich im Stich gelassen, wie aus der Kriegsheimkehrerschmonzette “Home of the Brave” unschwer herauszulesen ist. Heute ist der Tod schwerpunktmäßig ein Meister aus den USA. Bei uns floppte “300” zumindest auf der Berlinale schon mal. Da guckten ihn aber nur Presseleute, was also nicht heißt, dass er in deutschen Kinos ab dem 5.April 07 nicht gut laufen muss. Hier sind Pressefuzzis ohnehin nicht maßgeblich. Nicht weniger stimmungsabhängig labern die heute mal so und morgen wieder ganz anders. Und überhaupt, bei so viel Kino – 400 Filme – auf einmal hatten sie vielleicht nur keine Lust mehr, diesen Dreck auch noch in sich reinrieseln zu lassen. Fest steht, jedes Land hat – zumindest ein wenig – die Filmemacher, die es verdient. Auch die fallen nicht einfach so vom Himmel.

Franz Witsch (Homepage) 2.5.07 17:49