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Letters from Iwo Jima

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Grandioses, stilles Kriegsdrama 1.3.07 14:27
schreib doch gleich ein Roman ohne Text 1.3.07 20:07

Die Schlacht um die Insel Iwo Jima zwischen amerikanischen und japanischen Soldaten dauerte fast 40 Tage lang und endete im Frühjahr des Jahres 1945 auf geradezu tragische Art und Weise.
Mehr als 20.000 Japaner kostete die aussichtslose Verteidigung der Insel das Leben. Eine Geschichte, die bis heute beide Nationen beschäftigt.

Clint Eastwoods kritischer Kriegsfilm „Flags Of Our Fathers“ veranschaulichte die amerikanische Seite des Geschehens.
Sein Kriegsdrama „Letters From Iwo Jima“ nähert sich der japanischen Perspektive.
In den Tunneln, die japanische Verteidiger gegraben hatten, wurden Jahrzehnte nach den Kämpfen Hunderte von Briefen gefunden. Sie beschreiben die individuellen Schicksale der Soldaten, die unter der Führung des Generalleutnants Tadamichi Kuribayashi kämpften, und dienten Eastwood als Grundlage für sein ambitioniertes Filmwerk.
Wie dieser Ansatz schon vermuten lässt, fokussiert Eastwood lediglich eine kleine Menschengruppe und schildert in diesem Rahmen erstrangig ein stilles und persönliches Drama.

Der größte Verdienst des Filmes ist wahrscheinlich seine außergewöhnliche und konsequente Auseinandersetzung mit der japanischen Kultur.
„Letters From Iwo Jima“ ist zwar nicht das erste amerikanische Kriegsepos, das sich mit der japanischen Seite beschäftigt, mit Sicherheit aber einer der wenigen amerikanischen Filme, der dieser fremden Kultur mit viel Fingerspitzengefühl, Verständnis und Respekt begegnet.
Clint Eastwood wahrt eine beeindruckende Balance, die kulturelle Unterschiede aufzeigt, den Feind jedoch gleichermaßen als menschliches Wesen entdeckt und mit universellen Emotionen wie Angst, Hoffnung und Zweifel ausstattet. Eine sehr humane und weitsichtige Herangehensweise, welche die Grenzen zwischen Täter und Opfer aufhebt.
„Letters From Iwo Jima“ wurde von den Japanern gefeiert und erzielte großen Erfolg an der heimischen Kinokasse.

Wie Eastwood diese Geschichte vorträgt, ist geradezu meisterhaft.
Ein großer Pluspunkt sind die epische Langsamkeit und trügerische Ruhe seiner Erzählung. Auf diese Weise eröffnet der Regisseur einen großen Raum für seine Charaktere und ihre Psychologie. Er beobachtet seine Figuren distanziert, sehr genau und aufmerksam - und macht „Letters From Iwo Jima“ damit zu einem der intimsten und atmosphärisch dichtesten Kriegsdramen überhaupt. Die Inszenierung der klaustrophobischen Stimmung in der dunklen Bunkerwelt entfaltet ein bedrückendes Klima und fühlt sich bisweilen an wie ein düsteres Kammerspiel. Getragen von einer zunehmend apokalyptischen und eindringlichen Stimmung, denn umzingelt von ihren Feinden steuern die japanischen Soldaten, welche aus traditionellen Gründen am Ergeben gehindert werden, auf ihren unausweichlichen Untergang zu. Die Tragik ihrer aussichtslosen Lage erlebt der Zuschauer intensiv und einnehmend.
„Letters From Iwo Jima“ wird visuell in ausgebleichten, fast schwarz weißen Farben erzählt, in die sich mitunter das Rot des Blutes mischt, als hätten die Aufnahmen über lange Jahre hinweg mit den Farbtönen auch ihre Lebenskraft verloren. Die Bildsprache ist geprägt von einer tristen, deprimierenden Stimmung und einer sehr eigenen visuellen Wucht zugleich, welche zeitweise an die großen Werke des Akira Kurosawa erinnert.
Der japanische Originalton intensiviert die Atmosphäre des Filmes und setzt wichtige, authentische Akzente.

Mit „Letters From Iwo Jima“ hat Clint Eastwood in Zusammenarbeit mit einer überwiegend japanischen Crew ein Denkmal geschaffen, das sich vielen Regeln des Hollywood Kinos entzieht.
Ein Denkmal, das mit seinen ganz besonderen Ansprüchen und Intentionen problemlos, weil eigenständig, neben gefeierten zeitgenössischen Genrevertretern wie „The Thin Red Line“ oder „Saving Private Ryan“ bestehen kann. Filmhistorisch und filmpolitisch relevant - und gerade für das amerikanische Kino von immenser Bedeutung.

Seinen durchaus interessanten, gelungenen, aber auch von klaren Schwächen gekennzeichneten Vorgängerfilm „Flags Of Our Fathers“ stellt „Letters From Iwo Jima“ somit deutlich in den Schatten. Bringt er doch mehr Substanz auf die Leinwand, feinfühliger gezeichnete Charaktere und eine Riege weitaus souveräner japanischer Darsteller.
Allem voran besticht „Letters From Iwo Jima“ durch ein grandioses Drehbuch, welches trotz eingestreuter, rührender Rückblenden überwiegend gradlinig und in sich absolut stimmig bleibt. Die kritische Akzentuierung ist wesentlich subtiler. In den Dialogen finden sich nachdenklich stimmende Entschlüsselungen von kulturell bedingten, aber auch kriegstypischen Paradoxien wieder, welche symbiotischer mit der Handlung und der tragenden Gesamtkonzeption verschmelzen.
Dennoch gehen beide Filme Hand in Hand miteinander und sollten bestenfalls als ausgewogenes, historisch-intimes Gesamtwerk verstanden werden. Beide Filme verzichten weitgehend auf Inszenierungen von Schlachten und Gewalt, sondern skizzieren menschliche Dramen, die sich im Kern nicht voneinander unterscheiden.

"Mütter, die ihre Söhne verlieren, und Frauen, die ihre Ehemänner verlieren, das ist überall auf der Welt das gleiche." sagte Clint Eastwood in einem Interview. Diese Botschaft und Wahrheit auf die Leinwände der Welt zu projizieren, ist ihm nun endgültig und fast vollendet gelungen.
Möglicherweise ist der mehrfach preisgekrönte „Letters From Iwo Jima“ (ua. Oscar, Golden Globe, National Board of Review Award) gar das beste seiner bisherigen Regieprojekte.

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