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[ Archiv ] [ 2002-03 ]
Rollerball - lol 30.3.02 19:04

Filmkritik hin! Filmkritik her! Dieser Film ist, im wahrsten Sinne des Wortes, der absolute Wahnsinn!
Achtung: Scharfe Kurven!

Da scheiden sich die Geister! Anfangs, also am Ende des Filmes, ist es sehr schwierig zu wissen, wo am Besten anzufangen ist. Keines Falls behaupten kann ich, zu wissen, wo es sei. Denn viel mehr beschäftigt die Frage, wo aufzuhören ist, bei dieser schier unbezwingbaren Schar an Gedanken, Ideen und was auch immer, wie auch immer und wo auch immer. Versuch No. Uno.

Das Gleichnis:
In Deutschland leben laut Angabe des Statistischen Bundesamtes rund 82,186 Mill. gemeldete Weiblein und Männlein. Wie hält man diese Masse Unmündiger unter Kontrolle. Natürlich wollen wir uns nicht über Politikwissenschaften streiten. Aber, welches Prinzip wird verfolgt? Wie macht man die Menschen gefügig. Und das, nachdem Immanuel Kant in einem 1784 erschienen Aufsatz sagte. „Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen...“ Cogito, ergo sum – Ich denke, also bin ich? – Rene Descartes. Natürlich genauso wie vor der Französischen Revolution? Nur geschickter? Lassen wir uns überraschen.

„Der Mensch wird frei geboren und überall liegt er in Ketten“, dies sagte Jean-Jacques Rousseau mit seinem Gesellschaftsvertrag (Du Contrat Social) bereits im Zeitalter der Aufklärung und Reformation. Gottfried Ephraim Lessing glaubte eine Lösung gefunden zu haben. In seinem Schauspiel Nathan der Weise, gab er dem Toleranzgedanken der Aufkläreung erstmals lebendigen Ausdruck, in dem er die großen Religionsgemeinschaften (Juden, Christen, Moslems) aufrief, einander nicht mehr unter Berufung auf ihren Gott gegenseitig zu bekämpfen, sondern sich in einer herzlichen Verträglichkeit und von Vorurteilen freien Liebe zu begegnen. Leider kam alles ganz anders. I Have A Dream...

Soviel zur Einstimmung für alle die sich fragen, wo sie hier gelandet sind. Ja, es geht um den Film. Aber, bitte immer schön bei der Kernaussage bleiben. Danke!

Streiten wollen wir uns natürlich auch nicht über die Frage, ob sich seit der Zeit des privilegierten Adels etwas geändert hat. Natürlich hat es das. Sonst wären wir heute nicht da wo wir sind. - Gelle? Wir wollten Erkenntnis (Wissen) und wir bekamen! - Rationalität, zu was für einen Preis? Wir bekamen Brustvergrößerungen, Penisbegradigungen, in jedes Zimmer ein Fernseher, Medien, Internet und und und. Wir bekommen mittlerweile jeden Sonntagabend eine Sendung, in der man anderen dabei zuschauen darf, wie sie sich die Grübchen in ihren Pobakcen ausspritzen lassen. Ein makanteres Kinn gefällig? Darf es diesemal die 370 oder die 530ml Lösung Silikon sein?

Die unangefochtene Sicherheit des mittelalterlichen Menschen, den rechten Glauben und das richtige Wissen zu besitzen, war also im Zeitalter der Reformation und Glaubenskämpfe immer brüchiger geworden. Der französische Mathematiker und Philosoph Rene Descartes (1596 – 1650) zweifelte an allen Erscheinungen dieser Welt. Für ihn gab es nur eine Gewissheit, s.o., Cogito, ergo sum, und lehrte deshalb, (diese Worte sind von entscheidender Bedeutung) dass nur wahr sein könne, was auf dem Wege der Vernunft klar und deutlich zu erkennen sei. Nur das sollte von allen Menschen akzeptiert werden, was vor dem strengen Urteil der Vernunft bestand hatte. Das Dunkel überlieferter Vorstellungen in Politik, Gesellschaft und Kultur sollte kritisch durchleuchtet werden. Und unsere Welt veränderte sich. Was hätte er wohl gesagt, wenn er einen kleinen Blick in die Zukunft hätte wagen können?

Was war damals los? Was war der Grund für eine so mächtige Bewegung der Menschen? Kaiser, König, Ehrenmann, Bürger, Bauer, Bettelmann. Zu Schulzeiten wird beigebracht: Das arbeitende, niedere Volk, der Bauer, diente dem Adel. Die meisten Bauern konnten weder Lesen noch Schreiben. Tag ein, Tag aus wurde hart gearbeitet und wie wild Steuern bezahlt. Es wurde so viel gearbeitet, dass keine Zeit für andere Gedanken blieb. Fakt ist, das Volk wurde künstlich „dumm“ gehalten. Motto: Wer dumm ist, stellt keine unangenehmen Fragen. Im wahrsten Sinne des Wortes, stand der Unmündige, der Bauer unter dem strengen Joch der Herrschenden ständig im Schach. Diente alles anfangs doch nur dem einen Ziel. Aber, kommt Zeit, kommt Gewohnheit, kommt Selbstverständlichkeit, -zwanghaft, erwehren zwecklos?

Wir springen ein paar hundert Jahre in die Zukunft und landen im Hier und Jetzt. Wir schreiben das Jahr 2002.

Was wäre, wenn heute ein Rousseau sagt, „Der Mensch wird frei geboren und überall liegt er in Ketten“? Was wäre, wenn jemand sagt, dass sich nichts, aber auch rein gar nichts seit damals verändert hat und Rousseaus Kernaussage heute wie damals immer noch zutrifft, oder besser gesagt, mehr denn je?!

Versuch Nr. 2

Die reale Utopie
Der perfekte Marionettenspieler hält alle Fäden in seiner Hand. Meisterhaft versteht er sein Werkzeug zu führen und nur eine Illusion vom Leben einzuhauchen Wer die Menschen unter Kontrolle hält, hat die Macht. Der Mensch allein ist klug. Der Mensch in der Masse ist dumm. Deshalb muss wird der Menschen der Masse in Ketten gelegt. Er wird geknebelt und gefesselt. Damit sich der Mensch aus seinen Fesseln nicht befreit, wird er abgelenkt. Gib ihm andere Probleme und verführe ihn. Man kann es zwar nicht vernichten, aber wenigsten wird niemand mehr darüber sprechen. Perfide Idee oder Realität?

Versuch Nr. 3

Dieser Film als einzige Karikatur betrachtet, stimmt es oder nicht? Meiner Meinung nach, ja, es stimmt. Nehmen wir an, ...
...die Bergarbeiter symbolisieren das Volk, also uns in Deutschland lebende Menschen
...das Spiel Rollerball ist Sinnbild für Kinos, Sportveranstaltungen (Fußball), Fernsehen, Internet, Medien, eben für alles was die Aufmerksamkeit der Masse erregt.
...die Spieler, stehen für unsere Stars aus Film, Sport, Politik, eben für die mit denen man sich gerne identifizier, sich das Maul zerreist, liebt, nacheifert oder hasst.
...die Drahtzieher des Spiels, sind unsere Politiker und Meinungsmacher, eben diejenigen die es unter Kontrolle haben und es unter Kontrolle halten wollen.

Versuch Nr. 4
Regisseur John McTiernan nahm einen Klassiker, entgrätete ihn, drehte ihn durch den Fleischwolf und serviert ihn mit schlaffer Sauce in einem weichen Milchbrötchen: Die BigMac-Generation hat eine neue Goldgrube gefunden. Nichts, aber auch gar nichts ist von der visionären, brutalen, bewegenden und erschütternden "Rollerball"-Verfilmung von Norman Jewison von 1974 geblieben. Die politische Tragweite wurde für die schnelle Verdaulichkeit der Fun-Generation komplett entfernt, und gerade die war der Sinn von "Rollerball". Schade eigentlich. So haben wir nur ein buntes, blutiges Spektakel, wie es so viele im Kino gibt. Wir wollen ein buntes Spektakel mit Tiefgang, Mr. McTiernan!

Was mir sonst noch aufgefallen ist...

Sehr interessant finde ich die Stelle ziemlich am Anfang des Filmes, als der Zuschauer ein Vorgeschmack auf die Größenordnung des Spieles Rollerball bekommt. Als Jonathan Cross (Chris Klein – der neue Keanu Reeves Klone) das Idol der „guten“ Seite zu seinem Getränk greift. Sofort richten sich die Kameras auf ihn und dem Zuschauer wird genau gezeigt, was er trinkt und wie er trinkt. Die Fans, die sich mit ihm identifizieren und sympathisieren können sich mit ihm Verbunden fühlen. Das ist Manipulation!

Was sich eigentlich nicht zum Nachdenken lohnt, aber eine Erwähnung wert ist, ist die Frage, was wohl in den Köpfen einiger Männchen vorging, als sie mit diesen supergeilen, hauteng in Latex-Leder verpackten, unantastbaren, kaltblütig coolen Weibchen konfrontiert wurden, die scheinbar mit Männchen machen können, was sie wollen. (Ich spreche von der, die mit ihrem Motorrad über einen männlichen Gegner steht, ihm ganz cool den Stinkefinger zeigt und über ihn hinweg braust) Die weiblichen Zuschauer des Filmes sahen, schöne Frauen, die versucht haben zu erklären, dass sie (die Zuschauer) es nicht seien. Ich denke, so was gräbt sich in den Köpfen ein. Eine mögliche und heute sicher schon offensichtliche Folge daraus (man betrachte nur die neue weibliche Schuhmode in den Städten) – Frauen versuchen es nachzueifern. Ich möchte nichts generalisieren. Ich denke, die Menschen brauchen diese Sachen nicht um schön zu sein. Alles was sie tun müssen, ist nur sie selbst zu sein. Mehr nicht. Ich habe eine Frage an den weiblichen Leser: Wenn du eine Frau voller innerer Schönheit sein könntest oder eine von den oben genannten Frauen, was würdest du wählen?

Eine erschreckende Realität für mich ist die Tatsache, dass es wirklich funktioniert. Zeig´ den Menschen das Böse, zeig ihnen Blut und Gewalt, zeig ihnen Sex und wilde Lust. Zeig ihnen den Tod, die Finsternis und die Einschaltquoten gehen nach oben! Daraus ergibt sich die Frage: Wenn du die Wahl hättest, auf der Straße jemanden zu sehen, der aus einem Stück Holz ein Kunstwerk schafft oder jemanden, der mit einem Baseballschläger demonstrativ vorführt, wie man Ferraris kurz und klein haut, was würdest du wählen? Würdest du dich für die Zerstörung oder die Erschaffung entscheiden? Warum gähnen wir beim Schöpferischen und lieben die Zerstörung? Warum?

Und eine weitere Frage: Am Ende des Filmes, beim entscheidenden Spiel, hatte Jonathan die Wahl aus dem Spiel wie seine Team-Kollegen auszusteigen und dadurch etwas ganz besonderes zu signalisieren. Stattdessen entschied er sich das Spiel selbst in die Hand zu nehmen. Darüber lohnt es sich echt nach zu denken: War es wirklich die bessere Entscheidung?

Mit lieben Grüßen - BF




30.3.02 19:04