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Jurassic Park 3

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VON MYTHEN UND MONSTERN Dietmar Kesten 4.3.06 10:28

JURASSIC PARK

DER AUFTRITT DER MYTHEN UND MONSTER

von DIETMAR KESTEN, GELSENKIRCHEN, JANUAR 2006.

Das Jahr 1993 war filmisch betrachtet ein Jahr der Desillusion, Science Fiction, Phantasien, Melodramen und Gewaltorgien. Vor diesem Hintergrund ging es bei „Jurassic Park“ (Regie: Steven SPIELBERG, 1993) um die räumliche
Illusionsbildung, der zukünftigen Steigerung der Bewußtseinsillusionierung der Zuschauer, der Computeranimationen, die mit diesem Film zu einem wahren
Höhenflug ansetzte. Die künstlichen Erzählungen, die mit „Jurassic Park“
einsetzten, die Rückkehr der Mythen aus einer vergessenen Welt, die verschwommenen Wahrnehmungen, die sich zusammensetzten und den Zuschauer zu einer Reise einlädt, an diesem Prozess der ständigen Imaginisierung
neuer kohärenter Welten teilzunehmen, in der sich der Betrachter trotz aller schockhaften Überraschungsmomente zurechtfinden soll- all das war „Jurassic Park“.
In der Suggestivität seiner atmosphärischen Bilder und Töne vielleicht eindrucksvoll, jedoch in der selbstreferentiellen Bilderwelt blieb der Film in der Konstruktion verhaftet.

Anfang September 1993 brachte Steven SPIELBERG „Jurassic Park“ in die Kinos. Die Dinos waren da, beherrschten den öffentlichen Diskurs und schafften es, ein Genre wiederzubeleben, an das niemand mehr so recht glauben wollte.
CRINCHTON, der zusammen mit David KOEPP das Drehbuch schrieb, verfehlten nicht die Wirkung, die sie sich von ihm erhofften. „Jurassic Park“ brachte es in Deutschland allein auf gut 100.000 Zuschauer. Weitere Folgen waren also nur eine Frage der Zeit. Und auch später sollte sich erweisen, dass der Werbe- und
Marketingetat einen entscheidenden Anteil für den Erfolg der Serie „Jurassic Park“ hatte.

Dinosaurier im Film waren aber nichts besonderes. Die Spanne dieser Filme reichte bis ins Jahr 1909 („Gertie the Dinosaur“ (Regie: Winsor McCAY) zurück. Der als Tierzeichentrickfilm konzipierte Film fand schnell Nachfolger. Und schließlich waren
bereits 1925 in „The Last World“ andere Exemplare zu bewundern. 1938 folgte „Bringing Up Baby“. Val GUEST brachte 1969 den Streifen “Als die Dinosaurier
die Erde beherrschten“ in die Kinos. „Caprona - Das vergessene Land“ (Regie: Kevin CONNER, 1975) folgte. Und „Caprona 2“ (Regie: Kevin CONNER, 1977) hatte schon
prophylaktisch die Rückkehr der Dinosaurier fest im Blick. „Dinosaurus“ (Regie: Irvin S. YEAWORTH, 1960) vertraute bereits auf jene aggressiven Monster, die im Gegensatz zu „Caprona“, Jagd auf Menschen machten. In „Gwangis Rache“ von 1968 (Regie: Jim O’CONNOLLY) werden sie zur existentiellen Bedrohung. Und der Film, der als Horrorfilm konzipiert war, nahm vieles von „Jurassic Park“ vorweg.

Es gab „Hilfe, Dinosaurier“ (Regie: Brett THOMPSON, 1990), die „Insel der Riesen-Dinosaurier“ (Regie: Jim WYNORSKI, 1994), den „Letzten Dinosaurier“ (Regie: Alex GRASSHOFF/Tom KONTANI, 1977), den „Sechsten Kontinent“ (Regie: Folco QUILICI, 1954), den „T - Rex“ (Regie: Stewart RAFFILL, 1993), die „Gamera“ Serie (ab 1970, Regie: Noriaki YUASA), die Monster-Serie um “Gappa” (ab 1968, Regie: Haruyaso NOGUCHI), die „Giganten der Vorzeit“ (Regie: Junji KURATA, 1977), die
„Godzilla“ Serie ab 1954 von HONDA und FUKUDA, ODA, die alleine bis 1995 11 Streifen solcher oder ähnlicher Filme in die Kinos brachten. Und natürlich sind „Godzilla“ (Regie: Roland EMMERICH, 1998) und „King Kong“ (Regie: Peter JACKSON, 2005) zu nennen, der alle Monster/Saurier/und King/Kong - Filme ausbeuteten. In all diesen Filmen um die Dinos war der Phantasie keine Grenzen gesetzt. Hier erzeugten sie Angst, Alpträume, Neurosen, Hysterien, Katastrophen und Bedrohungen. Die Geschichte in „Jurassic Park“ verdankte seinen Erfolg genau dieser Mischung aus bewähren Inszenierungsvorlagen, Strategien und Themen.
Allerdings mit einer einschneidenden Erneuerung: der computergenerierten Spezial-Effekte, mit denen die neue Qualität der Dinos im Film geschaffen wurde.

Insgesamt ist der Film wenig überzeugend. Der britische Millionär John Hammond (Richard ATTENBOROUGH) hat sich vor der Küste von Costa Rica einen Traum erfüllt: er hat einen Freizeit- und Vergnügungspark mit lebenden Sauriern eingerichtet. Zwar sind sie seit rund 60 Millionen Jahren ausgestorben, doch war es einem Team von Genetikern unter der Leitung von Dr. Wu (B. D. WONG) gelungen, diese zu klonen. Die dazu notwendige Geninformation hatte er in dem Blut eines seit Millionen Jahren in Bernstein konserviertes Moskitos gefunden.
Hammond lädt eine Gruppe von Wissenschaftlern, dem der Paläontologe Alan Grant (Sam NEILL), seine Kollegin Ellie Sattler (Laura DERN), sowie dem Mathematiker
Ian Malcolm (Jeff GOLDBLUM), den die Investoren vertretenden Geschäftsmann Donald Gennaro (Martin FERRERO) und seine Enkelkinder Alexis (Ariana RICHARDS) und Tim (Joseph MAZELLO) zu einer Besichtigung ein. Gleichzeitig
erhält Hammonds Computerspezialist Dennis Nedry (Wayne KNIGHT) von einem geheimnisvollen Mittelsmann den Auftrag, tiefgefrorene Saurier-Embryos von der Insel zu schmuggeln.

Das ist jene Ausgangslage, die in der Einleitungssequenz des Films erzählt wird. Jene birgt auch das Konfliktpotential in sich, das der Film vor sich herträgt: als eine Gruppe von Männern einen Stahlkäfig transportiert, wird die Bedrohung
der Saurier bereits offensichtlich. Die Zuschauer ahnen, dass sich in diesem Käfig gefährliche Wesen befinden, verdeutlich durch das Gebrüll und den folgenden Tod eines Mannes. Damit ist eine Erwartungshaltung beschrieben, die für den weiteren Ablauf des Films Fürchterliches uns Absonderliches erahnen lässt. Die Geschichte nimmt nun den entsprechenden Verlauf. Bei der Besichtigungstour wird die Gruppe mit den gentechnischen Möglichkeiten und dem Computerzentrum, von dem aus die
Sicherheitseinrichtungen der Anlage zentral gesteuert werden, vertraut gemacht. Sie brechen durch eine Tour durch die Anlage auf, bei der sie noch friedliche Saurier bewundern. Während der Computerspezialist den Totalausfall aller Computer-Systeme sowie die Unterbrechung der Stromversorgung vorbereitet, zieht ein Unwetter herauf.

Die Gruppe sieht sich den Naturgewalten ausgeliefert, nicht nur Regen und Sturm, auch den Dinosauriern, die nach dem Stromausfall nicht mehr von den Starkstrom-Zäunen in ihren Gehegen gehalten werden können. Ein Tyrannosaurus Rex bedroht die Gruppe in ihren Autos. Nur mit Mühe kann man sich retten. Gennaro, der sich von der Gruppe entfernte, wird von den Ungeheuern umgebracht. Das Kontrollzentrum, das Herr der Lage werden will und die Generatoren wieder einschalten wollen, müssen erkennen, dass die gefährlichen Velociraptoren zwischen Haupthaus und Generatorenhaus lauern. Bevor die Computersysteme wieder funktionstüchtig gemacht werden können, morden die Bestien einige Nebenfiguren.
In der Eingangshalle des Besucherzentrums kommt es dann mit den Sauriern zum Showdown.

Wie betont, folgt auch „Jurassic Park“ den altbekannten Strickmustern, den klassischen Dino-Filmen, die auch zuerst ein Konfliktpotential aufbauten, sich dann latent-bedrohlich entwickelten. Die Protagonisten müssen sich bewähren, an ihre Grenzen gehen, müssen Mut, Intelligenz, Dynamik und Leidenschaft beweisen.
Belohnt werden sie mit dem Überleben. Angst, mangelnder Einsatz, ungenügende Solidarität und Phlegmatismus werden mit lebensgefährlichen Verletzungen,
gar mit dem Tod bestraft. Am Ende steht der wiedergewonnene Alltag, die Freude am Sieg über die Bestien, die traute Ehrfurcht, das heimische Glück. Doch die Bedrohung gibt es weiter. Aus diesem Grunde gibt es die Fortsetzungsgeschichten
im Film, gibt es Fortsetzungsromane, Fantasy, Action- und Abenteuerfilme.

Hollywood hat sozusagen ein weltumspannendes Netz von Filmen gelegt, die in der Konstruktion- und dem Spannungsaufbau mit der Phantasie spielen, mit der
Illusion, mit dem Wissen, den Zuschauern, den Kindheitsträumen, der Erwachsenenwelt. Diese Verwertungsfilme sind es, mit denen SPIELBERG
bekannt geworden ist, und die ihm Ruhm, Ehre und Geld einbrachten.
Nun braucht man nicht unbedingt an seine Kind-Perspektive im Film zu denken, die „Jurassic Park“ zum dominanten Grundzug werden ließ, obwohl sein Film „E. T. - Der Außerirdische“ (1982) diesen deutlich hatte. Bei „Jurassic Park“ ist es vielmehr die Suche nach der verlorenen Kindheit, die in jedem Erwachsenen steckt, wenn auch die Kindheitsträume sich wie hier in Alexis und Tom niederschlagen.

Das Kind im Manne, die kindliche Perspektive, der jugendliche Mensch ist hin- und hergerissen von der Bedrohung der Unheimlichkeit. Das zieht an. Der lebende Zauber könnte als Projektion dienen, die in gelebte Erfahrungen, oder solche, die erst gemacht werden müssen, eingehen. „Jurassic Park“ ist dann zugleich die postmoderne Widersprüchlichkeit von Mut und Angst: Ängste wahrnehmen, Ängste kennen lernen, Ängste überwinden, Mut beweisen in schier ausweglosen Lagen, jede Situation meistern. Das hat auch viel mit der westlichen Kultur zu tun, die dabei
die beste Argumentationshilfe ist.

Die Opferrolle in „Jurassic Park“ ist es, die zum Jäger und Gejagten werden lässt.
Deutlich gibt es diese Entsprechung zur bürgerlichen Gesellschaft, die mit ihren etablierten Konfliktlösungsmodellen die moralisch regenerierende Kraft der Gewalt hervorruft. Im Film opfert sich immer jemand, wird selbst zum Opfer im Kampf gegen die Naturgewalten, gegen die Dinos. Es opfert sich jemand für die anderen auf, immer wieder gibt es menschliche Opfer. Dieser Opferkult hat schon mythische Züge, weil die Dinos zu einem Abbild einer ge/zersplitterten gesellschaftlichen
Wirklichkeit werden, wo sich die bizarren Bilder in die Eindringlichkeit der destruktiven Triebkräfte verwandeln.

Wichtigstes Indiz für die bloßen Versatzstücke, die SPIELBERG anbietet, ist sein Spiel mit der regressiven Kindheitsphantasie: die Eltern werden vor monströsen
Angreifern gerettet. Man könnte an GRÖNEMEYER denken: „Gebt den Kindern
das Kommando“. Doch leider werden sie auch groß, und SPIELBERG stellt sich selbst eine Falle. Er inszenierte vage psychologische Erlebnisse zwischen Kind-Sein und Erwachsen-Werden. Es entspricht dem Erlebnismuster im Film, dass Kinder,
Jugendliche, Erwachsene gleichermaßen bedient werden. Hier sind es die weltlichen Erfahrungen, die die emotionale Bereitschaft hervorrufen, im Abenteuerland der Dinos (die Allegorie wäre: Erlebnispark Gesellschaft) sich selbst zu entfalten.
Die ‚Kommunikation’ mit Velociraptoren, Tyrranosaurus Rex und anderem Getier, zeigt, dass sich ein harmloses Spielvergnügen urplötzlich verwandelt. Werden die Spielregeln im Film, wie auch in der Realität durchbrochen, dann ist jene Gefährlichkeit im Spiel, die den agierenden Personen alles abverlangt.

Das Erleben und die Angstlust sind zwar zwei Ebenen, sie werden hier verschmolzen: das Paradoxon einer populären Handlung reproduziert sich ständig neu. Dieses Spiel mit den Gefühlen der Zuschauer hinterlässt einen Realitätseindruck des Phantastischen und mit Hilfe der Spezialeffekte mutiert
„Jurassic Park“ zu einen melodramatisches Filmgeschehen, dass auf das Publikum einen überwältigen Eindruck hinterlassen musste. Das reale Filmbild als Postproduktion von Kindheitsträumen, kollektiven Ängsten und archetypischen Motiven mag zwar lebensecht wirken, ist es aber nicht. Die Selbsttäuschung des Betrachters zu simulieren, ein abgefilmtes Modell vorzulegen, verbunden mit der
typischen Kombination von Suspense - Dramaturgie und lebendigen Wesen mit Hilfe einer geeigneten Computer-Software, dürfte das eigentliche Anliegen von
SPIELBERG gewesen sein.

Mechanische Abläufe und hydraulische Anlagen, Trick-Spezialisten, Fernsteuerungen, technische Fertigkeiten und Computeranimationen auf höchstem Niveau zeigen auch, dass die Welt von „Jurassic Park“ kopierbar erscheint.
Bedenkt man, dass heute ein simpler Action-Film im Fernsehen nicht ohne die berühmte Computersteuerung auskommt, dann wird klar, dass SPIELBERG zwar zu den ersten Filmemachern gehörte, der diese Technik ins Kino brachte.
Es dürften jedoch Zweifel daran aufkommen, ob die Besichtigungstour mit Hilfe dieser Scheinwelten das Kino auf Dauer und grundsätzlich noch beleben kann.

Fazit: Die Suche nach medialen Erlebnissen im Kino wird zur Sucht.
Die Angebotsflut ist unbeschreiblich und wird sich in der Zukunft noch verstärken.
Die Tendenzen der permanenten Steigerung der Illusionierung durch immer neue mediale Erfindungen bedeuten gleichzeitig, dass die Desillusionierung beim
Betrachter Einzug hält. „Jurassic Park“ ist mit Skepsis zu betrachten. Wenn die mediale Konstruktion auch auf Illusion und Desillusion basiert, dann war der Film der Beginn einer künstlerisch erzeugten Kulisse. Die Filme, die komplett im Rechner erzeugt werden, werden zunehmen. Der erste computeranimierte Film war „Toy Story“ (Regie: John LASSETER, 1995). Es folgten “Antz” (Regie: Eric DARNELL/Tim JOHNSON) „Der Prinz von Ägypten“ (Regie: Brenda CHAPMANN/ Steve HILKNER/Simon WELLS) und „Das große Krabbeln“ (Regie: John LASSETER, 1999). „Shrek - Der Tollkühne Held“ (Regie: R. Andrew ADAMSON, 2002), „Findet Nemo“ (Regie: Lee UNKIRCH, 2003) und „Back to Gaya“ (Regie: R. LENARD/F. KRAWINKWL/Holger TAPPE, 2004) zeigen, wohin die Reise geht. Die Computerallmacht in der Gesellschaft ist bereits zur bitteren Realität geworden.
Der Film zieht hier unaufhörlich nach. Doch das reale Filmbild ist das, was das, was PASOLINI einmal sagte: „Die menschliche Leere zu füllen... um im Raum anwesend zu sein.“

Dietmar Kesten 4.3.06 10:28