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Dogville

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Neues Buch zum Film! cojack 13.7.08 15:39

Dogville gibt uns zu verstehen, Shibobu15 8.11.05 17:02

Lehrfilm mit Überlänge 7.3.05 19:51
Lehrfilm mit Überlänge Dietmar Kesten 8.3.05 11:39
Lehrfilm mit Überlänge 13.3.05 16:52
Lehrfilm mit Überlänge Dietmar Kesten 14.3.05 17:45

der Albert 24.6.04 07:16

(7/10)
Dogville

Der Film dauert 175 Min. und ist eigentlich eine ganz neue Erfahrung in dem großen Dschungel von Hollywoodverseuchten Pseudoproduktionen. Dargestellt wird diese wirklich außergewöhnliche Produktion auf einer Bühne, als wäre das ganze Leben ein Theater, und dieser Film zieht den Zuseher in den Bann dieses Theaters, um ihm auf längere Zeit die letzten Gehirnwindungen hinauszupulen, und beizubringen den Hintergrund mit dem Herzen zu sehen, als irgendwelche Special Effekte mit den Augen.

Mitwirkende:

Nicole Kidman – GRACE – Eine Frau die wirklich Power hat. Sie ist eine von den Frauen die nett sind, die freundlich sind, und die eine Vergangenheit haben die keiner wissen darf. Eines Tages stürzt sie in die Stadt Dogville. Die Leute sind freundlich zu Ihr, aber wissen nicht ob sie GRACE überhaupt aufnehmen können. Entdeckt hat sie TOM zu dem kommen wir später. Diese Stadt mit 15 Erwachsenen, 6 Kindern, 1 Baby, 1 Hund namens MOSES, ist so was wie eine Sackgasse in der heutigen Gesellschaft, ein Sinnbild für die Verlorenheit und Tristesse bevor der Winter zu uns kommt. Denn in dieser Stadt gibt es fast nichts. Es gibt nur hart arbeitende Leute, und ein paar Stachelbeersträucher. Es gibt eine Bank für Verliebte, ein paar kleine Gassen, ein Auto, ein Telefon, und die Rocky Mountains.

Lauren Bacall – MA GINGER – Eine Dame die ein Geschäft besitzt. Es ist ein kleiner Laden. Er ist klein aber oho. Es gibt z.B 7 Porzellanfiguren die wirklich schön sind, die auch gut gearbeitet sind, die für GRACE eine Art eigenes Besonderes darstellen. MA ist eine der Frauen die resolut sind, die wissen was sie wollen, die aber auch sehr gefährlich werden können. Sie ist eine Frau die Ihre Einsamkeit mit dem täglichen Geschäft unterdrückt das daraus besteht das was täglich passiert wie eine Hausmeisterin weiterzuerzählen. Sie ist Kino, Radio und TV in einer Person.

Paul Bettany – TOM EDISON. Eine wahrhaft schillernde Gestalt in dieser Stadt, und fast die Hauptrolle in diesem Film, weil von ihm sehr vieles abhängt. Er wandert eines Tages durch die Stadt setzt sich auf die Altweiberbank, baumelt seine Seele in den Sternen, hört den Hund kläffen, dreht sich um, und entdeckt GRACE wie sie in die Stadt kommt, und sieht sie auf der Elm Street, auf der er entlangschländert tief in Gedanken versunken. Elm heißt Ulme, in dieser Stadt wächst keine Ulme, sehr zum Unmut der Eichhörnchen. Sie mit den Alabasterhänden wie LIZ später bemerkt, als sie im Laden von MA steht. Er nimmt sie zu sich und leitet im Gemeindezentrum, das gleichzeitig eine Kirche sein soll, eine Versammlung ein und versucht die Leute dazu zu bringen, trotz der Tatsache das GRACE eine Fremde ist, sie aufzunehmen und Ihr mit Gastfreundschaft zu begegnen. Der Vater von TOM ist ein Doktor gewesen, der mit zunehmenden Alter ein Hippochonder wird, und der mit seiner Pension den Lebensunterhalt bestreitet. TOM ist ein angehender Schriftsteller und Philosoph und versucht immer das beste aus dem Menschen zu holen, und den Leuten beizubringen auf sich mehr zu schauen, überhaupt in dieser Kleinstadt, wo er die Rolle eines Politikers übernimmt. Er war mal Autor und will alles was er gesammelt hat niederschreiben aber dazu kommt es nicht. Alle sind einverstanden GRACE 2 Wochen eine Chance zu geben. Um zu sehen ob sie in die Gemeinschaft sich einfügen kann, da es Ihr Wunsch ist, sich auch einzufügen.

Nicht beachtet hat man die Tatsache das Gangster auf dem Weg sind, die sie holen wollen, aber TOM verratet sie nicht, und nimmt auch die Visitenkarte zwar an, aber ruft nicht den Mann an der in dem Auto sitzt, - James Caan – und der ihn bittet, ihn anzurufen falls er was von einer Frau hört die geflüchtet ist. Natürlich hat die Gemeinde Angst vor so eine Situation die nicht im entferntesten bis jetzt dagewesen ist.

Eine gute Chance das Vertrauen der Gemeinde zu erringen ist, das er die Gemeinde eben dazu überredet, das GRACE jedem zur Hand gehen kann, wie er es halt benötigt, und ihm Arbeiten abnimmt, die er sonst nicht machen kann, doch haben die Leute in dem kleinen Kaff keine Arbeit für sie. Das ändert sich aber bald, denn

MA erlaubt GRACE die Stachelbeerbüsche hinter dem Haus zu pflegen auf die sie so Wert legt, und die keiner angreifen darf. Jäten, Unkraut zupfen, das alles gehört dazu.

BILL HENSON spielt immer Dame mit TOM und verliert, doch nach einiger Zeit hilft ihm GRACE und ersetzt dem Schwächling der ein bisschen introvertiert ist seinen Verstand durch weibliches Geschickt und so gewinnt BILL in dem Vertrauen das er gespielt hat, mit einigen kleinen geschickt gelenkten Ratschlägen das Damespiel gegen TOM und das nicht nur einmal, aber dafür zum Ersten Mal in seinem Leben.

Chloë Sevigny – LIZ – die Schwester von BILL. Viele Leute haben geglaubt, das TOM immer hingeht um LIZ zu sehen ,die wiederum glaubt er ist in sie verliebt und sich sehr über die Anwesenheit von GRACE freut, da sie hofft das TOM von Ihr ablässt, doch in Wirklichkeit hat TOM ganz andere Avancen die LIZ gar nicht für möglich gehalten hat, in diesem Augenblick und zu dieser Zeit. LIZ hat aber noch mehr zu bieten, ist alleine stehend, und ein glücklicher Mensch. Sie wird noch eine große Rolle in diesem Theaterfilm spielen.

MARTHA, sie ist eine alte Jungfer, keinen Mann, kein Freund, und etwas beleidigt vom Leben, läutet sie täglich um 19:00 die Glocke um TOM daran zu erinnern, das er wie täglich gegen BILL Dame spielt.
Sie spielt auf einer Orgel ohne den Blasebalg zu treten, da sie meint das sie dann nicht gottesfürchtig ist.
Sie wartet auf den Priester der diese Aufgabe übernimmt und versucht mit Noten zu spielen ohne was zu hören, bis GRACE dann diese Rolle übernimmt, ohne das sich die dankbare MARTHA dann schuldig fühlen muss, gegen ein Kirchengebot zu verstoßen das in Wirklichkeit sich nur in Ihrem Kopf abspielt.

Ben Gazzara - JACK MCKAY – ein alter Blinder Mann. Er lebt alleine, keiner besucht ihn oder eher selten, er ist blind, er gesteht sich das nicht so ganz ein, keiner in der Gemeinde redet darüber, sein Fenster ist gegen Osten gegen die Berge gerichtet, er träumt vom Osten, vom Licht, er weiß das täglich der Schatten von der Kirchturmholzspitze auf das Ö in Öffnen gerichtet ist im Laden von MA damit die Leute nicht vergessen täglich einzukaufen, und er fühlt sich glücklich. GRACE nimmt ihm nichts ab, er ist stolz und eitel, aber sie vertraut ihm und hört ihm zu, er redet mit Ihr und schüttet Ihr das Herz aus, was bisher in seiner Gemeinde, hier in der Stadt oder in der Jugend von ihm, bisher fast keiner machte. Er vermisst eine Frau, hat keine richtige Familie, und braucht sehr viel Zuneigung. Trotz seines fortgeschrittenen Alters ist er nicht senil.
Er ist ein richtiger Bürger der Stadt, er sagt zuerst Nein und dann denkt er irgendwann nach, doch nach einiger Zeit hat er Ja gesagt, zu GRACE, wie die anderen.

Stellan Skarsgård – CHUCK – er ist ein Schwerarbeiter, er erntet Äpfel, kümmert sich um seine Ernte, er ist ein richtiger Draufgänger. Er hat 6 Kinder und eines als Baby, er ist dauernd weg, er arbeitet hart, und ist von Anfang an gegen GRACE die er dann aber nach Monaten schätzen lernt, da sie arbeitsam, fleißig und eine gute Zuhörerin ist, und gegenüber seiner Frau VERA, die als stoische Lehrerin in der Stadt die einzige Bildung besitzt, da sie gescheit ist, die Kinder nach griechischen Gottheiten benannt hat, sich mit ihm über die Ernte, die Natur und über Sträucher unterhält. Und so gewinnt sie CHUCK herzlich lieb und mag sie, da sie ein guter Mensch ist. CHUCK ist der Typ der nicht viel redet, der nicht viel macht, außer arbeiten, aber das was er macht hat Hand und Fuß und ist von einer eigenartigen urtümlichen ländlichen Ehrlichkeit erfüllt die so die Leute in Kleinstädten einfach haben.

BEN ist ein Truckfahrer. Er bildet sich ein was besonderes zu sein und ein Fuhrunternehmen zu besitzen, das in Wirklichkeit ein keiner Pickup ist mit der er die Waren von den Ernten nach Georgetown die Canyon Road hinunterführt um das alles zu verkaufen, und auch Waren wieder hinaufführt, und so manche gefährliche Fuhre geführt hat. Er ist ehrlich, einfach und wenn es einen Dorftrottel gäbe, dann wäre er das, da er von nichts eine Ahnung hat, keine Frau und 1 x in der Woche das Hurenhaus besucht, von dem jeder weiß, aber jeder schweigt so richtig laut wie es halt in einer Kleinstadt oft üblich ist. Und nachdem GRACE davon erfahren hat, ist es das erste Mal in seinem Leben das er sich für seine Lüste und Genüsse nicht zu genieren braucht da sie ihm Selbstbewusstsein beigebracht hat.

Aber es wird noch vieles anders kommen als man es erwartet hat.

Meinung und Fazit:

Anfangs dachte ich, meine Güte was ist das für ein schwacher blöder langweiliger Film, der noch dazu auf einer 30 x 30 Meter großen Bühne sich abspielt. Die Maße sind nur ungefähr geschätzt. Es sind einige Kulissen aufgebaut, wo man nur wenig sieht, die Wohnungen sind sichtbar, da sie mit Kreide am Boden angemalt sind, so nach dem Motto, das ist das Haus von Jeremiah usw. Der Hund ist nicht echt , es ist nur eine Zeichnung am Boden, und die Türen werden nur pantomimisch geöffnet, was alle Anwesenden sehr gut beherrschen. Der Film unterteilt sich in 9 Kapitel die alle 15 – 20 Minuten auftauchen, und eine passende Überschrift haben. Die Story ist anfangs fade, aber zu Ende hin wird sie spannender, und man merkt erst im Laufe des Geschehen das es sich um eine tiefergründige philosophische Parabel handelt, die eigentlich die Welt wie sie ist eben zeigt, wo die Akteure, die Hauptfiguren spielen, was die verschiedenen Leiden und Glücklichseinsituationen und die Menschen mit Ihren Gemüt und Ängsten versinnbildlichen sollen.
Allesamt die im Film mitspielen, haben sehr gut gespielt, und man muss mal bedenken, eine Art Theater im Kino, das ist was seltenes, da hat man einfach ein anderes Gefühl, denn man muss mitdenken, man ist nicht so sehr von Action und Ausstattung abgelenkt, und man fühlt sich wie ein Maturant in der Schule der eine Rezension über Berthold Brecht schreiben muss, denn diese Geschichte ist eine Mischung zwischen Brecht und „ The Hours „.Der Film konzentriert sich eigentlich die ganze Zeit um das wesentliche, um die Hinter und Beweggründe der Menschen, warum sie so handeln, und funktionieren und wieso sie so sind wie in dem Film, und versucht erst gar nicht viel zu erklären, sondern lässt dem Zuseher die ganze Denkarbeit über die Leute einzuschätzen wie sie sind. In dem Film gibt es einen Erzähler der im Amerikanischen Original von John Hurt gesprochen wird, der die Geschichte anfangs sehr oft erklärt, und vieles erzählt, was dann nachlässt in den Momenten in denen Lars von Trier, der Regisseur meint, wir hätten es verstanden. Was eine Gewöhnungsphase bedeutet, aber trotzdem gut funktioniert.
Man sitzt da einfach im Kino schläft anfangs ein, doch wenn man sich ein bisschen zusammenreißt bekommt man einen höchst anspruchsvollen Film serviert wie ich ihn noch nie gesehen habe, außer wie gesagt auf Theaterbühnen. Geführt wird der Film von einer Art Handkamera wie in den Dogma 95 Filmen, doch hat der Film mehr als ein Dogma Film zu bieten, was auch sehr außergewöhnlich ist.
Spaß gibt es in dem Film keine, wie auch keine Action oder Horror, aber dafür eine Menge Anspruchsvolle Szenen und würde man die Szenen zerpflücken, könnte man Analogien zu den Lebensweisen der verschiedensten Charaktere feststellen die auf unserem Planeten so herumfleuchen.
Alles in allem ein Film für Leute mit viel Verständnis, der schwer zu bewerten ist, da er ein Film ist der nicht in ein gewisses Konzept passt. Aber ich kann ihn trotzdem das er langweilig ist und auf einer Bühne sich abspielt trotzdem jeden empfehlen, da er eine gewisse Eigenartigkeit an den Tag legt mit einem Schuss Anmut

75 von 100
Tuvok 2.11.03 01:30

Dogville Raffael Segovia 16.11.03 17:02

(10/10)
DOGVILLE

WER IMMER STREBEND SICH BEMÜHT, DEN KÖNNEN WIR ERLÖSEN?

von DIETMAR KESTEN, GELSENKIRCHEN, 25. OKTOBER 2003.

Dogville ist eine kleine Gemeinde in den Rocky Mountains. Auf der Flucht
vor ihren Peinigern taucht dort eines Tages eine Frau auf. Ihr gewährt man
trotz anfänglichen Zögerns Asyl. Das Leben in dieser Gemeinschaft muss
sie sich allerdings durch permanente Zugeständnisse an ihr eigenes Leben
und das ihrer Mitbewohner ständig durch jegliche Art von Verdinglichung
erkaufen.
Selbst der Mann, der sie liebt, hält nur anfangs diesem Druck stand, am Ende
ist es auch er, der sie fallen lässt und nicht bereit ist, sich dem Widerstand
der Peiniger zu entziehen.
Schließlich wird das Auftauchen der Gangster zur wahrhaften Erlösung für
die junge Frau, die sich in einem Verzweifelungsakt gegen Unterdrückung
und Ausbeutung dem Grauen auf ihre Art entzieht.
Das Drama, besser, eine Passionsgeschichte, die Lars von TRIER
(„Breaking the Waves”, 1996, “Idioten” 1998, “Dancer In The Dark”, 2000)
mit einer dreistündigen Theateraufführung dem Publikum und den
Kinobesuchern vorlegt, darf durchaus als Experiment bezeichnet werden.

Der Film „Dogville“ ist Kino im Kino und filmisch vermittelt, eine
Theateraufführung im Kino, ein Theater im Kino, der in bester Tradition
des epischen Theaters eines Bertold BRECHT spielt, und vielleicht
sogar mit den literarischen Verfremdungen eines Franz KAFKA
(etwa „Der Prozeß“) zu vergleichen ist.
Die Kameraarbeit von Anthony Dod MANTLE und die ausgezeichneten
Montagen, tragen dazu bei, die bisher bekannten Grenzen des Kinos
neu zu überdenken, und sich zu fragen, ob sich hier nicht seine
Zukunft in einer doch mehr und mehr untergehenden Theaterwelt
niederschlägt?
Erzählt wird in diesem Kinostück die Geschichte von
Grace (Nicole KIDMAN), die in einer imaginären Stadt im Maßstab 1:1,
bestehend aus Kreidestrichen, die Häuser, Wohnungen, Grünflächen
Straßen und Möbel, selbst den Dorfhund markieren, dazu lediglich
bestückt mit einigen Requisiten und Geräuschen, die dem Dorf das
notwendige Ambiente verleihen, untertaucht.

In dieser fiktiven Stadt geht es eigentlich um all das, was die menschliche
Gesellschaft ausmacht und „Dogville“ zeigt die Grenzen der menschlichen
Gemeinschaft auf, die sicherlich schon oft erzählt wurde, aber vermutlich
noch nie so eindringlich.
Die Stadt ist wie ‚Seahaven’ aus der „Truman Show“ (Regie: Peter WEIR,
1998) der klassische Traum Amerikas.
Im ersten Augenblick mag man sich mit den aufgesetzten Ethiken
nicht zurechtfinden; denn der Dualismus der Bilder spiegelt die Wirklichkeit
fein säuberlich voneinander abgegrenzt in postmodernen kleinbürgerlichen
Sentimentalitäten wider, die den unverfälschten Menschen zeigen; eben
die lebendige Gegenwart und die dazugehörenden Ereignisse.
Das menschliche Leben ist eine Einrichtung nebst Fakten, die es nicht nur
in „Dogville“, sondern überall auf der Welt gibt. So zeigt das Drama
bekannte und unbekannte surreale Bilder.
Grace scheint in dieser Stadt sicher; denn Tom Edison (Paul BETTANY jr.)
bringt sie vor den Gangstern in Sicherheit und führt sie in Dorfgemeinschaft
ein.
Augenlust entsteht, die Bilder kriechen hinterher, Verängstigungen
machen sich breit, die sich in kommenden Zukunftsvisionen
niederschlagen werden. Doch Grace darf zunächst bleiben, verdingt
sich und bietet als Gegenleistung dem Dorf ihre Dienste an.
Diese will man zunächst nicht, doch ihr beharren und die Fürsprache
Toms führen schließlich dazu, das man einwilligt. Das Erschreckende und Beklemmende, die eigentliche Symphonie des Schreckens beginnt
bereits kurz darauf, als sie mit den Lebenslügen des Dorfes konfrontiert
wird.
Das Chiffre-Dasein in dieser Welt verkörpern diese Einwohner bestens:
es sind die Verkümmerungsformen des menschlichen Lebens in der Moderne,
die Verrohung, die allgegenwärtig ist, das Gegenwärtige,
von dem der Philosoph Günther ANDERS einmal
gesagt hat, dass es nicht mehr möglich ist, „dessen Vergänglichkeit
zu widerrufen“ und dass wir uns bereits in einer Zeit „außerhalb der
Gegenwart“ (G. ANDERS: Die Antiquiertheit des Menschen) befinden.

Nach einer kurzen Zeit des Lebens in „Dogville“, wird Grace von der
einen auf die andere Sekunde mit der Realität konfrontiert.
Ein Polizist macht ihre Vergangenheit durch Steckbriefe publik und
enttarnt sie als Verbrecherin.
Die Dorfbewohner, die sie vorher ausbeuteten, leben nun auch ihr
Individuelles Interesse an ihr aus. Sie wird erniedrigt, beleidigt
und schließlich von den männlichen Dorfbewohnern vergewaltigt.
Grace erduldet diese Schmach mit beneidenswerter Geduld. Doch
irgendwann reißt diese Phase jäh ab. Sie schmiedet mit Tom einen Plan
aus dieser Stadt zu fliehen. Ein LKW-Fahrer wird
hinzugezogen, der jedoch auch nur sexuelle Motive hat.
Er bringt sie in die Stadt zurück, und sie muss fortan nun zur Strafe
und zur Demütigung ein Hundehalsband mit Glocke tragen, wird
an ein eisernes Wagenrad geschmiedet, das dem Dorf ihren momentanen
Aufenthalt signalisiert.
Tom, der Möchtegernintellektuelle und verhinderter Schriftsteller
informiert die Gangster über den Aufenthaltsort von Grace.
Jede Flucht scheint somit im Keim erstickt. Die Gangster fahren vor
und das Drama im Drama endet mit Überraschungen und
todbringender Apokalyptik.
Der ‚Boss’ der Gangster ist Graces Vater, mit dem sie eine Diskussion
über Schuld, Vergebung, Vergeltung, Rache und Macht führt.
Die scheinbar geläuterte Grace entschließt sich zur blutigen Rache
an ihren Peinigern. Das Dorf wird niedergebrannt, die Dorfbewohner
massakriert, schließlich bringt sie Tom eigenhändig um.

Interpretiert man dieses Stück als ethisches Stück, dann ist
„Dogville“ streng genommen ein Teil unserer alltäglichen
Wahrnehmungswelt, die Verdichtung des menschlichen Lebens mit
all seinen Neigungen, Facetten und Abartigkeiten.
Fiktives und Wirkliches werden nicht gegenübergestellt, sondern real
erzählt; denn die wirklichen Teilnehmer dieser Geschichte
sind wir als Gefangene unserer eigenen Dummheit und Skrupellosigkeiten.
Ist es die Unverwechselbarkeit des Furchtbaren? Ist das Leben nur
ein Traum?
MARX sagte einmal: „Die Philosophen haben die Welt nur verschieden
Interpretiert, es kommt darauf an, sie zu verändern.“
Das, was Grace versucht, ist sicherlich ein Beitrag dazu, der ernst zu
nehmen ist, weil man gegen das Schicksal kämpft um zu überleben.
Doch selbst in der tiefsten Abscheu, die sie erlebt, bittet sie noch
um Vergebung und Gnade. Die Veränderungen, die sie mitmacht,
entpuppen sich doch letztlich nur als Illusionen, die wie ein Bumerang
in die Geschichte geschleudert, als Katapult des Verderbens
wiederkommen.
Wo nur das Schicksal übrigbleibt, dort gibt es nur die Tragödie, die
Obsession des Warenmenschen, wo nur noch Trauer und Verzweifelung
spricht, ein Unheil nach dem nächsten angekündigt wird.
Doch in diesen Momenten zeigt Grace mit ihrem Hang zur Nächstenliebe,
dass sie ohne gestrickte Dramaturgie auskommt, da das menschliche
Leben Dramaturgie ist, eben die Präzision im Unterdrückungsbetrieb
des modernen Kapitalismus, wo die Untertöne der Melancholie wie
das Wetter sind, die Gefühle und Stimmungen, die gestreut werden,
sich dem Abgrund nähern.

„Dogville“ hat die Ebene der Abstraktion längst verlassen.
Das ‚Herr Knecht Verhältnis’ und die sich dort spiegelnde Auflösung
ist die Suche nach der Wahrhaftigkeit des Lebendigen in uns und
im Leben. Grace will dem Vergessensdrama um Schuld und Sühne endlich
ein Ende zu bereiten, es einholen und zu bewahren: in den
zwischenmenschlichen Dimensionen, in den biografischen
Zufällen. Doch sie scheitert in ihrem Drang, dem Leben die positiven
Töne abzugewinnen, dem kranken Denken ins uns, dem
Identitätsbruch zu begegnen.
Zwar ist sie keine ‚Ruferin in der Wüste’, sondern ein Teil der
Courage, die uns fehlt.
Sie sitzt nicht selbstgefällig im Lehnstuhl und erteilt Ratschläge,
kommentiert oder begutachtet. Grace verkörpert die Tragödie
der Menschheitsgeschichte, gefangen im globalen
Herrschaftssystem, gefangen im ökonomischen Terror der Barbarei
und der ständigen Bedrohung durch die Gigantomanie der modernen
Ware, deren Grausamkeit, das ist das eigentliche Phänomen
dieses Kinos, die Ursache schlechthin für all die Scheußlichkeiten, mit
denen die Menschen ihr Tagwerk verrichten, ist. Der Schriftsteller
Samuel BECKET(„Warten auf Godot“) hätte sich hier einmal mehr
wiedergefunden.
Aus einer tiefen Sehnsucht zur Spezies Mensch wird die totale
Erniedrigung ihres eigenen Lebens im Geld-Ware-System.

Das ‚Gute’ im Menschen, an das Grace glaubt, ist doch nur ein
Mythos. Und wenn sich im Plot der dialektische Antagonismus
zeigt, dann ist das nur ein Hinweis darauf, was GOETHE einst
Mephisto hat sagen lassen:
„Du bist am Ende- was du bist.
Setz dir Perücken auf von Millionen Locken,
setz deinen Fuß auf ellenhohe Socken,
Du bleibst doch immer, was du bist.“

Dem kann man sich nicht entziehen. Das brutale Filmende ist
dann nur ein Zeichen dafür, wie in der heutigen Gesellschaft
alle Krisen gelöst werden: nämlich mit brutaler Gewalt.
Man hat Lars von TRIER nachgesagt, er würde sich hier der
alttestamentlichen Weissagen von ‚Auge um Auge, Zahn um
Zahn’ nähern.
Das wäre dann auch keine unbedingte Nähe zum christlichen
Dogma, da dieses schon längst in sich vom Klerus selbst
durch Glaubenskriege in der Vergangenheit aufgehoben wurde.
Wer sich daran stoßen mag, der findet sich in einer Sackgasse
wieder, die nur signalisiert, dass diese Opferbereitschaft
ein Teil der Gier und der Selbstgerechtigkeit des Individuums ist,
das sich durch die Jahrtausende zieht.
Lars von TRIER setzt auf die Vorstellungskraft der Filmbesucher.
Das erfordert angestrengtes Engagement im Kino.
Und in der Nacharbeit fällt es einem buchstäblich aus dem Kopf:
die Dämmerung hat längst begonnen. Wir stehen ratlos vor der
großen Mauer des Vergessens.

Nicole KIDMAN war selten so gut.
Sie liefert die beste Rolle ab, die sie je spielte.
Nach „Eyes Wide Shut“ (Regie: Stanley KUBRICK, 1999,
„Moulin Rouge“ (Regie: Baz LUHRMANN, 2001,
„The Others“ (Regie: Alejandro AMENABAR, 2002) und
„The Hours“ (Regie: Stephen DALDRY, 2002) offeriert sie dem
Publikum einen Einblick in ihre große schauspielerische Kunst.
Erstmalig beweist sie ihre Gabe für die völlige Unterordnung unter
ein Ensemble, in dem sie nicht unbedingt die Hauptrolle spielt.
Alle anderen agierenden Personen, etwa Paul BETTANY,
Katrin CARTLIDGE oder Jeremy DAVIES, stehen ihr in nichts
nach.
In diesem Stück sind alle famos, doch KIDMAN als Verkörperung
der Grace hebt ihre bisherigen Filme durch dieses Bühnenstück im Kino
gekonnt auf und lebt von ihrer Kraft und Ausstrahlung, mit der
sie diese Rolle interpretiert.

Fazit: Wer diesem Kinostück als Experiment begegnen will,
für den ist der Film sicherlich das Highlight des Jahres.
Allerdings erfordert er angestrengte Aufmerksamkeit und
philosophisches Einfühlungsvermögen, was nicht jedermanns
Sache ist. „Dogville“ ist gewagtes Kino, voll mit Resignationen,
Tragödien, Untergänge, vibrierenden Bekenntnissen, Qual und
Mordlust: jeder Zoom ein Todesurteil für die Spezies Mensch.
Doch man kann nur gewinnen, weil immer nur der Augenblick
zählt.
Dietmar Kesten 25.10.03 15:02

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