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ALTER PLUNDER. Dietmar Kesten 22.1.05 12:33

THE RING

ALTER PLUNDER

von DIETMAR KESTEN, GELSENKIRCHEN, 22. JANUAR 2005.

Die seltsamen Todesfälle unter Schülern alarmiert eine
Journalistin und ihren Freund diesen mysteriösen Geschichten
nachzugehen.
Sie stoßen auf ein Videoband, das nach Sichtung innerhalb
von sieben Tagen unweigerlich den Tod nach sich zieht.
Um aus diesem Teufelskreis des Todes herauszukommen,
entziffern sie die rätselhaften Anspielungen des Films und
kommen einem bizarren Mordfall auf die Spur.

Ein Video ist es, das hier für den Tod von Menschen
verantwortlich sein soll.
Das Video garantiert Überleben und Entkommen. Und dies
geschieht vermutlich nur durch Schicksal, durch Zufall, durch
Sehen der Betrachten.
Sieben Tage ‚danach’ ist der Tod unausweichlich. Er tritt
automatisch ein und trifft einen überall.
In einer ähnlichen Form kennt man das bereits aus
„Düstere Legenden“ (Regie: Jamie BLANKS, 1998) und
„Düstere Legenden II“ (Regie: John OTTMAN, 2001).
Die gute alte Video-Mattscheibe sorgt für das
Verbindungsstück zwischen Film und der Außenwelt.
Immer wenn man es einlegt, gibt es Informationen.
Rachel Keller (Naomi WATTS) will das alles nicht glauben,
kann es auch nicht, da die Augen und das Hirn gar nicht
als Vermittler funktionieren wollen.
Als ihr Sohn Aidan (David DORFMAN) seine ältere Cousine
verliert, glaubt Rachel nur an einen tragischen Unfall.
Weil das in diesen Filmen perfekt funktionieren muss, wird
urplötzlich klar, dass das Mädchen aus Panik, aufgrund
von Angstattacken gestorben sein muss. Selbst eine Freundin
von ihr ist nicht mehr ansprechbar und verfällt dem Wahnsinn.
Rachel recherchiert, das auch hier das Video die latente
Brutalität und den Mord einleitete.
Die Recherchen der Journalisten und ihres Freundes Noah
(Martin HENDERSON) führen zu einer Ferienanlage,
in der sie tatsächlich eine Videokassette findet. Als sie das
Band in den Videorecorder einlegt, nimmt das Unheil seinen
Lauf.

Der Tod scheint alles im Griff zu haben.
Hier ist Unterhaltung tödlich. In „Ring“ funktioniert das,
was in Staat und Gesellschaft perfekt an der Tagesordnung
ist: die Menschen werden eingeschüchtert. Auf einen bloßen
Verdacht hin registriert man verblüfft, dass die Bilder, in
die man sich hineinversetzt glaubt, die Exekution nach sich
ziehen.
Ein Film besiegelt die Gegenwart des Lebens. Er demonstriert
das Umfunktionieren des normalen Alltagslebens zu einem
Horrortrip. Das Telefon klingelt und eine Stimme kündet vom
nahen Tod.
Meistens ist das, was einem von der Leinwand herab ins
Auge springt, der bleibende Schock eines Augenblicks.
Es ist wie eine Entdeckung, das man sich an solche Momente
erinnern soll, wenn man an den Film denkt.
Es ist gleichgültig, ob uns der Film gefallen hat oder nicht:
die Szenen sind wichtig. Es fällt einem daher immer schwerer,
der von den Medien bis zum Exzess hochgejagten
Filmthemen noch Augenblicke abzutrotzen, die tatsächlich
von Bedeutung sind.

Es sind auch die fragmentarischen Albtraumbilder, die in
Einzelteilen erscheinen, die den Mechanismus des Bösen
auslösen. Symbole, Figuren. Alles ist möglich. Und alles
hängt in der Luft.
Geistergeschichte und Horror, Multimedia-Architektur.
Gore VERBINSKI knüpft mit „The Ring“ an die audiovisuelle
Erlebniswelt an, die mit ihren Videogeschichten einen
nicht unerheblichen Teil des audiovisuellen Marktes
beherrschen.
Diese Auffassung nährt sich z. B. durch eine
ähnliche Geschichte von dem Japaner Hideo NAKATA,
der „The Ring“ 1998 in Japan herausbrachte. Daraus entstand
sogar eine Fernsehserie.
Wenn der Vorrat an sauberem Kino aufgebraucht ist,
erscheint der Horror- und das Geistergeschichtenkino auf
dem Vormarsch zu sein.
Etwas ähnliches hatte auch „Blair Witch Projekt“
(Regie: Daniel MYRICK/Eduardo SANCHEZ, 1999)
verpacken können.
In diesen Filmen steckt die Angst vor dem Unvorhergesehen,
vor dem Zufall, der die Inszenierung stört.
Vage zwischen Horror und Mythologie pendelt sich ein
Film ein, der alle Trompeten bläst, die Glocken läutet.
Der Film ist voller irrationaler Einstellungen. Und er bringt
damit, wenn auch unterschwellig, das tief sitzende
psychotische Bewusstseins des Massenkonsums und der
Massenkultur zum Ausdruck.

Das Dunkle erscheint hier als gewaltiger Schritt nach
vorne.
Man kann sich drehen und wenden wie man will: das
Video verbreitet Schrecken und Tod. In die heile Welt
bricht die Irrationalität ein, die sich wie eine Apokalypse
offenbart. Das Greifbare, der Kristallisationspunkt ist
eine simple Videokassette, die Untergangsstimmung
hervorruft.
Wage es nicht, zum Betrachter zu werden; denn das
Unheil naht.
Was sich im aktuellen Unterbewusstsein sedimentiert,
ist die faktische Ohnmacht, die sich wie ein alles
umhüllender Schleier über den Film legt. Im übrigen
ist dieser der Kulturindustrie eigen, die das geisterhafte
Echo der Mystik als Tagtraum der Gesellschaft mit
sich herumschleppt. Was soll ich nur machen? Das
gehört zu eben diesem kulturellen Apparat, der auch von
dieser Seite aus die Produktion in Gang hält.

Das ‚materialisierte Wesen’, das in Details durch
„The Ring“ huscht, diese körperlose Fiktionsfigur, die
den ganzen Kram der kulturellen Wüste dokumentiert,
sorgt für eine Irritation nach der anderen.
Das Mysterium ist Neurose und Massenpsychose zugleich.
Flacher geht es nicht mehr.
Für den Kinogänger scheint lustvolle Untergangsstimmung,
in denen tödliche Schrecken verströmt werden, auszureichen;
denn die Eintrübung des Gedächtnis ist garantiert. Selbst
die geschickte Verschleppung der Zeit ist nur ein
Verblendungszusammenhang, der Krisenangst mit
frühkindlicher Phantasie vermengt.
Doch die Filmapokalypse greift zu kurz: die
Spannungskurve ist doch nichts anderes als Neomythisierung,
die zusätzlich noch in verwässerter Form angeboten wird.
Das Versinken der menschlichen Individualität ins Meer
des Dilettantismus ist filmisch keine Seltenheit mehr.
Es zeigt sich, dass der Mysterien-Kult schon System hat.
Und überall dort, wo noch Winkel auf diesem Planeten
frei sind, wird uns dieser ins Herz gesetzt, egal ob es
sich dabei um Fernsehen oder Kino handelt.
FELLINI hat es einmal so ausgedrückt:
„Ich würde es gerne wie ein Diktator machen und das
Fernsehen verbieten. Einmal pro Woche zwei Stunden,
und basta... damit die Leute sich daran erinnern, wie das
Leben der Menschen war, bevor das Fernsehen
auftauchte.“

Fazit: „Alle Formen aller bisherigen Kunst müssen
sich ändern.“ (Klaus Theweleit)

Dietmar Kesten 22.1.05 12:33