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Lost in Translation

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dieser film ist, wie man an den Der Gaukler 24.9.04 14:55
dieser film ist, wie man an den Dietmar Kesten 25.9.04 10:19
dieser film ist, wie man an den Der Gaukler 25.9.04 17:07
dieser film ist, wie man an den Dietmar Kesten 26.9.04 11:42

Der Gaukler schrieb:

» dieser film ist, wie man an den vorschriebern
» sieht, nur etwas für menschen, die etwas mit
» alltagsverzweiflung und subtiler romantik anfangen
» können. ist dem aber so ist es der schönste
» (liebes-) film mit der wohl best dargestelltesten
» tragik, der bisher gedreht wurde. sophia copolla
» hat mit johanson und murray und einem
» faszinierenden gefühl für echte, fast schon
» schiller’sche tragik, einen film geschaffen, den,
» wer ihn mitfühlen kann, kaum nur einmal sehen will
» und kann. und doch befürchtet man jedes mal von
» neuem in der traurigen romantik zu ertrinken. ein
» toller film. ein tolles gefühl. sehr reif.


Sie haben den Nagel auf dem Kopf getroffen.
"Traurige Romantik" ohne Schnörkel mit
viel Existentialismus. Selten ist eine
Stimmungslage so gut eingefangen worden.
Es gibt auch nur wenige Filme, die dazu in
der Lage waren. Das eigentliche Thema des
Films ist das "Geworfensein" (Martin Heidegger).
Oder wenn Sie so wollen, die Einsamkeit
inmitten des Modernismus,der aberwitzigen
Kulturschübe der Moderne.
"Lost in Translation" ist aber auch ein Film
über die entfremdenden Beziehungen der Menschen
untereinander.
Die Zeit verbringen Charlotte und Bill gequält,
in sich versunken, wie Schlafwandler.
Denn auch sie leben mit Illusionen.
Wenn wir jung sind, dann gleicht die Zukunft einem
Füllhorn, das lauter herrrliche Geschenke über uns
ausschüttet, und sind wir alt, dann liegt milder
Sonnenschein auf unserer Jugend- und Kindheit.

Selbst die Abwechselungen in diesem tristen Dasein
gibt das Glück nicht frei. Doch unser Bedürfnis
nach Glück ist größer, ist alles, was uns die Welt
noch zu liefern vermag. Und von dieser Differenz
leben die Religionen und die sozialen Utopien.
Da in Wirklichkeit ein Leben aus so wenigen
paradiesischen Augenblicken und so vielen
höllischen Jahren besteht, ist es trostreich,
in der Illusion zu verharren, als könne sich diese
harsträubende Realität zwischen Glück und
Unglück zugunsten des Glücks verbessern.

Charlotte und Bill entdecken ihre Welt.
Sie suchen das Glück, aber sie sind nicht
glücklich, sie lernen sich lieben, aber
Liebe vergeht, sie bleibt kaum. Weil wir
auch süchtig nach Liebe sind, so bietet sie uns
doch nur wenig Stoff. Wir werden mit ihr
verbittert,gar misanthropisch.
Es ist die Rückwendung des Blicks die Sanduhr
hinab, die Schlüsseldrehung des Denkens, die dazu
führt, dass wir unserer Zukunft den Rücken zeigen,
verherrlichen, was war, und verteufeln, was
kommen wird. Ist das der kurze, unvergessliche
Abend, den Charlotte und Bill verleben?
Es ist gut zu wissen, dass ihr 'Verhältnis'
zueinander in der Mitte liegt. Das nennt man
gemeinhin 'realistisch werden'.
Doch sie sind wie wandelnde Sanduhren.
Erst waren ihre Füße leicht, und der Kopf war
voller Ideen, dann sind ihre Beine schwer und
ihr Kopf wird langsam leer

"Lost in Translation" vermittelt authentische
Gefühle, die man im Alltag fast in jeder Situation
erlebt. Der falsche Umgang damit kann
katastrophal enden, wie uns "Spider" zeigt.
Ob wir über sie triumphieren werden, wird
das Leben zeigt.
Der Verdruss über das Leben ist hier
romantisch in den Schmerz eingegossen, in
die auf den Kopf gestellten Erinnerungen.
Wir Menschen sind Auguren des Vergessens.
Die Melancholie des Films ist der blinde
Fleck in unserer Erinnerung.
Das Lebensgefühl hat sich verändert.
Nicht nur weil die Erinnerung versagt, sondern
weil das Vergessen der Vergangenheit unser
Erbteil ist. Die Tiefen dieser Vergangenheit
auszuloten, sich ihr zu stellen, bleibt
eine lebenslängliche Aufgabe, manchmal
lebensbedrohend, was eine schlimme Art des
Vergessens ist.

Coppola lässt Charlotte und Bill die
radikale Modernität erleben.
Die Menschen sind sich selber blind. Sie
halten sich für besser, für schlechter, für
intelligenter als andere. Sie haben kein
abgewogenes Urteil über sich. Sie erzählen am
Vormittag von einer schweren Jugend, am Abend
verfügen sie über glänzende Perspektiven.
Sie sind sich fremd, so alt wie sie sind, verlebt,
verlottert, verlogen. Mit erloschenen Augen.
Und sie erschrecken tödlich, wenn sie sich im
Spiegel betrachten.

Tradition und Moderne: an der Oberfläche das
pulsierende Leben, tief in der Mitte des
Herzens die monadologische Konstruktion.
Wir sind uns zu leidenschaftlich nahe Gesellen.
Das alles gleicht dem Sandpapier. Wir werden
abgerieben, wir zerreiben uns, nach Tagen,
nach Monaten, nach Jahren. Im einzelnen.
In der Gemeinschaft. Wir werden geglättet wie
der Spiegel, und fühlen, wie unsere Träume
zerplatzen und plappern vor uns hin.

So wie die Figuren im Film, so driften wir
auch ständig ab.
Oder besser: wir möchten ungeschehen machen,
was geschah. Wenn es nur gehen würde. Denn
im menschlichen Geist ist nichts so natürlicher
wie das Vergessen, das Verdrängen, Verleugnen,
Verzerren und das Verkehren ins Gegenteil.
Die perfekte Kamera in "Lost in Translation"
zeigt uns diese Dramaturgie des Lebens.

"Lost in Translation" ist auch ein Blick in
unsere abgelebten Hoffnungen, zart,
versponnen. All das wird in einen Strudel
hineingerissen, aus dem es kein Entkommen
zu geben scheint. Wir haben keine Phantasie.
Und die dazugehörende Verbitterung lastet
wie ein unvollendetes Kunstwerk auf unserer
Seele.
Wir treten aus dem Raum, streben dem
Flughafen entgegen. Der Blick, den wir
erhaschen, zeigt, dass die Erinnerung
fortlebt. Das ist das zutiefst Soziale
und Wahre. Das ist der geschichtliche Index,
der "Lost in Translation" zu einem bleibenden
Werk macht.

Dietmar Kesten 25.9.04 10:19