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Ali

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Ali Dietmar Kesten 21.12.03 12:35

WHEN WE WERE KINGS
ALI DER BOXE R – WILL SMITH DER VERLIERER.

von Dietmar Kesten, Gelsenkirchen, August 2002.

Der neue Film von Michael Mann, ‚Ali’, dem vielleicht grössten
Boxer aller Zeiten, startet den Versuch, 10 Jahre seines
Lebens (1964 – 1974) im Zeitraffer darzustellen.
Was dabei herausgekommen ist, ist von der ‚Legende’ und seiner
Biografie weit entfernt. Als Cassius Clay am 25. Februar 1964
Sonny Liston besiegte, wurde er zum ersten Mal Weltmeister
im Schwergewicht. Er gewann 15 seiner ersten 19 Profi-Kämpfe
durch K. o.
Nach seinem Übertritt zum Islam nannte er sich ‚Muhammad Ali.’
Er wurde Mitglied der ‚Nation of Islam’. 1967 wurde er wegen
Wehrdienstverweigerung zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt.
Gegen Kaution blieb er aber auf freiem Fuss. ‚Muhammad Ali’
wurde als Boxer gesperrt und ihm sein WM-Titel aberkannt.
1970 wurde das Boxverbot aufgehoben.
Seine erste Niederlage im Boxring war 1971 gegen Joe Frazier.
1974 holte sich ‚Ali’ durch einen K. o. Sieg gegen den ungeschla-
genen George Foreman den Titel in Kinshasa (Zaire) zurück.
Der Kampf, ‚Rumble-in-the-Jungle’ gilt als bedeutungsvoll
im der Boxgeschichte, weil er erstmalig als ‚Open Air’ Veranstal-
tung konzipiert war.

Manns Versuch, das Denken und Fühlen ‚Alis’ zu beschreiben,
kann getrost als gescheitert betrachtet werden.
‚Ali’ unternimmt keinen Versuch, die wichtigsten Stationen des Bo-
xers in diesen 10 Jahren herauszuarbeiten.
Im Gegenteil: der Film springt von Sequenz zu Sequenz, wohlkompo-
nierten Bildern, Sparringspartner, einem Bilderbogen, der die Kämpfer
im Ring, das Publikum und die Promotoren zeigt, aber nicht ‚Ali’ als
charismatische Persönlichkeit und begabten Redner.
Will Smith (Man in Black) bleibt als ‚Ali’-Darsteller auch deswegen sehr
blass, weil es ihm kaum gelingt, den Künstler im Ring, den ästhetischen
Boxer, der das Boxen zelebrierte, der knallhart schlagen konnte, in an-
gemessener Form zu charakterisieren.

Traf ‚Ali’, dann waren seine Treffer wie ein Granateinschlag, der die
Gegner ausser Fassung brachte, und sie öfter, als ihnen lieb war, auf
den Ringboden schickte.
Will Smith kommt hausbacken und altmodisch daher, konservativ,
sanftmütig und friedlich und hat nichts mit dem rebellischen ‚Ali’ ge-
meinsam.
Wenn er in den Ring tritt, dann hat er keine radikale Lösung für den
Fight im Kopf, sondern er verlässt sich auf seinen Nimbus und sei-
nen Fähigkeiten, die ein Hauptdarsteller mit sich bringen muss.
Dass reicht kaum aus, die Sehnsüchte eines Boxers, den Kampf
zu gewinnen, ihn auf den Höhepunkt zuzusteuern, in einem Zeitab-
riss von Stärke und Tatkraft beseelt, tief darzustellen.
Will Smith bleibt aussergewöhnlich plump, wird dem vielschichtigen
‚Ali’ nie gerecht und rettet sich mit vereinfachten Patentrezepten
durch den Film. Bei unbehaglichen Szenen fällt er einfach in die
Ringseile und lässt sich verdreschen.

Wer den Kinshasa-Kampf im Kopf hat, der weiss um ‚Alis’ takti-
sche Meisterleistung, Foreman so lange zu zermürben, bis er
keine Kraft mehr hatte, zuzuschlagen. Dann ‚stach die Biene’
zu. ‚Ali’ holte sich den Weltmeistertitel zurück.
Will Smith bleibt selbst hier auf verlorenem Posten und mutiert
zu einer unentschlossenen Figur, die fern abseits der Ereignisse
der Verlockung und Attraktivität einer Frau unterliegt.
Die höchsten Tugenden eines Boxers, dem Gegner von vornherein
den Sieg im Kampf gründlich zu verunmöglichen, seine Unbezwing-
barkeit, verliert Smith je länger die Kamera ihn beobachtet.
Da wirkt der ‚Ali-Shuffle’ gar nicht elegant, schnell und flexibel,
sondern eher erschöpfend, erfüllt von bühnereifen Effekten, die
die unübersehbare Schwäche des Films kolportieren.

Selbst die Historie von’ Rumble-in-the-Jungle’ ist dermassen auf den
Boxring zugeschnitten, dass es schon peinlich wirkt, sich mit diesen
Szenen selbst aus der Retrospektive betrachtet, anzufreunden.
Die Geschichte der afrikanischen Befreiungsbewegungen, die
der Kampf in Zaire m. E. widerspiegelte, ist für Mann kein Thema.
‚Ali’ ist nur Mitglied einer Sekte. Darauf wird er reduziert und sein
begabtes Sprachtalent verkümmert in einem Medley von Sam Cooke,
und My Way von Elvis.
Tatsächlich war der Kampf in Zaire nicht nur eine eindrucksvolle
politische Demonstration für die Rechte der Schwarzen, sondern auch
ein musikalischer Höhepunkt sondergleichen.
U. a. traten auf: Bill Withers, B. B. King, James Brown, Jazz Crusaders,
Spinners u. a.
Da der Kampf wegen einer Verletzung Foremans verschoben werden
musste, waren gerade diese Künstler dazu bereit, die beginnende
selbstbewusste schwarze Kultur den Menschen in Zaire näher zu
bringen.
Für Mann nicht einmal eine Rückblende wert.
Überhaupt hätte er sich den Dokumentarfilm ‚When We Were Kings’
(1997) von William Klein ansehen sollen.
Es wäre ihm deutlich geworden, dass es nicht um eine Mekka-Pilger-
reise ging, sondern schlicht und einfach um Antiimperialismus.

Der Film bleibt auch dort schwach, wo er sich mit der Politik in dieser
Zeit beschäftigt.
Malcolm X, Martin Luther King, Elijah Muhammad, der Gründer und
Führer von ‚Black Muslim’ u.a., begegnen uns, wenn überhaupt, nur
als Statisten, die einige Sprüche über den Befreiungskampf loswer-
den dürfen.
Nicht wirklich wird die Politisierung, die von ihnen ausging, objektiv
betrachtet. Sie kommt kontemplativ daher, als Füllsel für viele Sprünge
und Ungereimtheiten im Film.
Der Postkolonialismus unter Mobutu und seine Gewalttätigkeiten ge-
genüber poltisch Verfolgten und oppositionelle Parteien, ist im Film
nichts anderes als eine Begleiterscheinung. Seine tyrannische
Herrschaft interessiert Mann nicht. Mobutu muss als ‚Zeitgrösse’ seinen
Film abdecken.
Und unter dem Eindruck der Bürgerrechtsbewegung versagt ‚Ali’
gänzlich. Er ist einfach entpolitisierend. Und wenn ein Film auch diese
wichtige politische Zeit zum Inhalt hat, so ist ihm vorzuwerfen, dass
er sich mehr mit ‚Alis’ spirituellen Freunden, seinen Frauengeschichten
und seinen Vaterfiguren auseinandersetzt, nicht aber mit dem afri-
kanischen Elend und dem weissen Amerika.

‚Kein Vietcong hat mich je Nigger genannt. Ihr wollt mich ins
Gefängnis bringen?
Nur zu, ich war 400 Jahre im Gefängnis, dann schaffe ich
auch noch 4-5 Jahre mehr.
Ich fliege nicht 10.000 Meilen um zu helfen andere arme
Menschen zu ermorden.
Wenn ich kämpfen muss, dann gegen euch. Wenn ich sterben
will, dann sterbe ich jetzt und hier und jetzt im Kampf gegen
euch. Wenn ich sterben will, ihr seid mein Feind nicht die Vietcong,
Chinesen oder die Japaner. Ihr seid mein Gegner wenn ich
Freiheit will. Ihr seid mein Gegner wenn ich Gerechtigkeit und
Gleichheit will. Ich soll irgendwo hin fliegen und für euch
kämpfen. Ihr tretet nicht mal in Amerika für mich ein.
Nicht für meine Rechte, ich für mein Glauben. Ihr tretet
nicht mal in meiner Heimat für mich ein.’ (Muhammad Ali)

Dietmar Kesten 21.12.03 12:35