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Die Sehnsucht der Veronika Voss [WA]

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UFA FILM MIT TIEFGANG. Dietmar Kesten 11.3.05 16:30

DIE SEHNSUCHT DER VERONIKA VOSS

UFA FILM MIT TIEFGANG

von DIETMAR KESTEN, GELSENKIRCHEN, 11. MÄRZ 2005.

Die ehemalige UFA-Filmdiva Veronika Voss (Rosel ZECH)
war ein UFA Star.
Von einer verbrecherischen Ärztin wird sie zugrunde gerichtet.
An der Straßenbahnhaltestelle ‚Geiselgasteig’ trifft sie auf den
Sportreporter Robert Krohn (Hilmar THATE).
Er bringt sie in die Stadt, sieht sie am nächsten Tag in einem Cafe
wieder, wo sie sich von ihm Geld leiht.
Zwischen beiden beginnt nun eine merkwürdige Liaison.
Der Reporter wird von menschlichen Gefühlen getrieben, ihr
zu helfen, gleichzeitig hat er journalistisches Interesse an dem
Schicksal dieser Frau.
Auf die Frage der Freundin Henriette (Cornelia FROBOESS),
ob er Veronika liebe, antwortet er: „Ich weiß es nicht!“
Krohn findet heraus, dass Veronika Morphium nimmt, das sie
von Dr. Katz (Annemarie DÜRINGER) bekommt.
Veronika ist abhängig von ihr, wohnt in ihrer Wohnung, lässt
sich verleugnen.
Dr. Katz beutet andere Patienten aus, verschafft sich
deren Besitz und verkauft Rauschgift. Sie wird dabei von einem
Beamten des Gesundheitsamtes gedeckt. Schließlich wird
Henriette umgebracht. Vermutlich, weil sie sich an Krohns
Recherchen beteiligte. Krohn kann indes keine Beweise dafür
liefern, dass er nicht den Mord an ihr begangen hat.
Veronikas Versuche, wieder ins Filmgeschäft zu kommen,
scheitern.
Dr. Katz wird die Bekanntschaft Veronika allmählich lästig.
Sie gibt eine Abschiedsparty für sie; denn Veronika geht
angeblich nach Hollywood. Sie lässt sie mit einer
Überdosis Morphium allein in der Praxis zurück, eingesperrt
in ihrem Zimmer. Sie nimmt sich an einem Ostersonntag das
Leben.
Krohn ahnt die Zusammenhänge. Doch seine Rettungsversuche
scheitern endgültig.

Rainer Werner FASSBINDER, drehte 1982 den hervorragenden
Film über die Schwierigkeiten mit der Wahrheit in der
Bundesrepublik der 50er Jahre. Mit bitterem Sarkasmus
beleuchtete er hier das kulturelle und politische Klima.
Der Film setzte alle Maßstäbe bezüglich seelischer und
realer Konflikte.
Die teilweise lebensfremden konstruierten Kolportagen
gaben Rosel ZECH alle Möglichkeiten, zu brillieren.
„Die Sehnsucht der Veronika Voss“ war der Abschluss
einer deutschen Trilogie, die FASSBINDER vorlegte.
Neben der „Ehe der Maria Braun“ (1978/79) und
„Lola“ (1981) war „Veronika Voss“ eigentlich sein
(filmisches) Ende; denn er nahm sich am 10. Juni 1982
das Leben.

Seine Exzesse mit den Grenzerfahrungen des Lebens,
seine unnachgiebige politische und kulturelle Kritik an
der erstarrten katastrophischen BRD, spiegelten sich
einmal mehr in seinen Filmen wieder. Er drehte von 1965
bis zu seinem Tod etwa 40 Filme.
Sie waren Milieustudien und gewagte politische
Demonstrationen, wenn etwa an das Theaterstück
„Der Müll, die Stadt und der Tod“ (1976) gedacht wird.
Unter seine Motive setzte er gezielte Spannung. Allerdings
keine, die wie im heutigen Kino, nur Geschichten ohne
Bedeutung sind, sondern die sich an der Attraktion der
Thematiken rieben.
So hat FASSBINDER in „Angst essen Seele auf“ (1974)
mit der jüngst verstorbenen Brigitte MIRA gezeigt, wie
tief die Liebe zwischen Menschen verschiedener
Herkunft sein kann. Gerade hier ruft in Erinnerung, dass
Liebe ein täglicher Siegeszug gegen die Erstarrung
und Verkrustung in uns selbst sein muss.

Der Höhepunkt seines Schaffens war sicherlich die
Verfilmung von Alfred DÖBLINs Roman
„Berlin Alexanderplatz“, die 1980 in 13 Folgen und
einem Epilog gedreht wurde.
„Berlin Alexanderplatz“ war erschreckend, schön und
hinreißend. Ein wildes, zeitkritisches und diszipliniertes
Werk mit Keimen und Konflikten und authentischen
Geschichten. Und prächtigen Protagonisten in ihrem
Zentrum.
Die Serie gehört auch noch heute mit Abstand zu den
besten, die je im Fernsehen liefen.
„Lili Marleen“ (1980) mit Hanna SCHYGULLA, der
auf der Autobiografie der Sängerin Lale ANDERSEN
basiert, zeigt, wie eine Soldatenbraut in das
Räderwerk der Politik gerät. Der Film zeigt auch
die männlich-heroischen Haltungen, die hintergründig
ambivalent mit Macht und Recht die Symbole
einer ritualisierten Gesellschaft nach oben offen halten.

FASSBINDER hatte immer eine subtile Erzählweise.
Er verweigerte sich im Film konsequent der
Anpassung an die Hollywood-Manie.
Für ihn war Hollywood ein Instrument der Züchtung.
Eine simple Blickinszenierung. Eine Diktatur des Normativen.
Vordergründig drehten sich seine Filme auch stetig
um das Thema Liebe, die in seinem gesamten Leben
eine entscheidende Rolle spielte.
FASSBINDER filmte sogenannte Nach-Bilder.
Die unterschiedlichsten Betrachtungen verschmolzen erst
später zu einem inneren Bild.
Das sind die Bilder, die er bleibend ins Kino setzte.
Bilder, die nie vergehen, weil sie grundehrlich waren.
Und deren Bedeutung man nicht hoch genug einschätzen
kann.
Hier in „Die Sehnsucht der Veronika Voss“ zeigt
FASSBINDER im übrigen auch, dass er sich fantastisch
auf die handwerklicher Raffinesse der
Schwarzweißfotografie versteht.

Fazit:

Ein überragender Film mit völliger Unbefangenheit.
Ein zeitgemäßes Plädoyer gegen vermuffte
politische und kulturelle Strukturen.
Ein Film, der selbst noch aus der Distanz betrachtet,
das Bedrohungspotential der bürgerlichen
Gesellschaft eindrucksvoll und stetig beleuchtet.

Dietmar Kesten 11.3.05 16:30