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Wir waren Helden

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KRIEG UND SONST NICHTS. Dietmar Kesten 17.11.04 16:25

WE WERE SOLDIERS

KRIEG UND SONST NICHTS

von DIETMAR KESTEN, GELSENKIRCHEN, 17. NOVEMBER 2004.

Alles beginnt wie einst.
Damit der moderne Staat in Ruhe seine Kräfte sammeln
kann, leitet er sogenannte Spannungen ein, bevor die
alten Begehrlichkeiten an deren Stelle treten.
Der Platz an der Sonne, das ist nicht nur in Friedenszeiten
(außen-)politisch erstrebenswert, sondern einmal mehr
in Kriegszeiten.
Beflügelt wird diese neue Weltpolitik im Zeitalter der
asymmetrischen Kriege, die das Zeitalter der zwischenstaatlichen
Kriege vergessen lassen, mit jenen radikalen Kräften, für
die das Gewaltmonopol des Staates schon lange keine
Gültigkeit mehr besitzt.
Heute sind es mehr und mehr Warlords, Söldner und
Terroristen, die Krieg in ihrem Sinne führen.
Der Krieg ist keineswegs verschwunden. Unter dieser
Dunstglocke beginnt er zu wachsen. Die Gewalt richtet
sich vor allem gegen die Zivilbevölkerung, Hochhäuser,
Einkaufparks. Ferienzentren und Theater werden
zu Schlachtfeldern. Die Fernsehbilder mutieren zu
Waffen. Und wie der Irak ist er ein Tummelplatz für
Söldner und Terroristen jeglicher Couleur geworden.

Im November 1965 war der klassische Staatenkrieg noch
kein Auslaufmodell. In der direkten Konfrontation zwischen
Soldaten und Soldaten, zwischen Militär und Zivilbevölkerung,
stellten die Planer des Vietnamkrieges ihre kriegerische
Gewalt in den Mittelpunkt.
Der Vietkong, der die Dimensionen und Handlungsantriebe
der USA schnell als militärische Logik begriff, erdachte sich
immer neue Strategien, um der gewalttätigen Durchsetzung
des politischen Willens der USA zu trotzen.
Obwohl die USA bereits mit ihren ersten Kampfhandlungen
zum Scheitern verurteilt waren, schafften sie immer mehr
Material und Menschen nach Vietnam.
Auf dem Höhepunkt des Vietnamkrieges 1967 waren
fast 500. 000 Soldaten im Einsatz.
Der Krieg Goliath gegen David wurde auf dem Schlachtfeld
entschieden. Das nationale Trauma bestimmt das
Bild des Landes bis heute.

In„We Were Soldiers“ (Regie: Randall WALLACE, 2002)
macht sich Lieutnant Colonel Harold MOORE (Mel GIBSON)
in einer frühen Stunde auf. Er schleicht wie ein ertappter
Dieb aus dem Haus, leise, ruhig, gefasst, damit die Kinder
und seine Frau nicht aufwachen.
Er packt sein Gepäck zusammen, verlässt das Haus, dreht
sich noch einmal um, schließt die Tür, tritt vor das Haus,
macht sich auf zu dem dunklen Sammelplatz der Garnison,
wo schon die Busse für den Transport warten.
Betretenes Schweigen, Leere Einsamkeit, Einkehr.
Viele Kriegsfilme, aber auch Antikriegsfilme haben mit diesen
filmischen Szenen begonnen, an Beginn, am Nullpunkt,
mit dem Unbehagen, mit dem Schicksal, das sich
materialisieren wird, damit man es bekämpfen kann.
Sie haben mit den toten und leeren Augen begonnen, um
insgeheim darauf zu hoffen, wieder heimkehren zu dürfen,
sie haben mit Träumen begonnen und endeten im
Leichensack, im Sarg.
Die Vietnamfilme wurden dadurch geprägt. Und sie
prägten das Kino bis heute. Jeder Film auf seine Weise.
Jede Sequenz wurde zur apokalyptischen Vision.
Der mythische Nebel Vietnam wurde zu einem Krater,
zu einem schwarzen Loch. Das Heldentum, das die
Neuzeit hervorgebracht hatte- hier wurde es verklärt
und in Stein gehauen. Und diese Helden waren
Identifikationsobjekt. Ihnen stand die ‚Energie’ des
Krieges quasi auf der Stirn geschrieben. Und sie nahmen
ihn umso emphatischer für sich selbst in Anspruch.
Die Beschwörungen dieser Tradition begannen immer mit
dem Rückgriff auf die familiäre und gesellschaftliche Prägung,
auf das traute Heim, das schon von Anbeginn die Träne lockern
und dann schon bald ins Taschentuch fließen sollte.

Fort Benning, Georgia, 7. Kavallerie des 1. Bataillons der
US-Armee: hier wurde realitätsgerecht trainiert,
Erfahrungen gemacht, Freundschaften geschlossen, der
Feind ideologisch ins Visier genommen, seine Niederlage
im Vorfeld als ‚Reinigung’ vom asiatischen oder russischen
Kommunismus begriffen. Der Untermensch, der Vietkong,
war das universelle Weltverhängnis. Er gehörte ausgemerzt,
damit das Recht und die Moral zu siegen hat.
So oder ähnlich sah die ideologische Indoktrination in jenen
Tagen aus. Das militärische Engagement begann.
Der Krieg, so die Kriegspropaganda, wurde
verharmlost. Er lud nahezu zum mitmachen ein; denn seine
Bildsequenzen ähneln Videospielen. So lenkt man ab,
ab von schlimmsten Brutalitäten, Gemetzel und Blut.
Er erfüllte den kämpfenden GI mit jener Kraft zur Reflexion,
die zur Tötung ganzer Bevölkerungen eingesetzt wurden.
„We were Soldiers“ erfüllt diese Kriterien, wenn sie denn
welche sein sollten, bestens. Hier geht es um den Krieg an sich,
um Kriege überhaupt, um den Sinn von Kriegen, über die
Erfahrungen die man im Krieg für sein eigenes Leben und für
die Nation, für die man auf dem Schlachtfeld steht, macht.

Alles beginnt wie einst: man setzt auf die militärische
Konfrontation um „einen Gegner niederzuringen“ (CLAUSEWITZ),
man setzt auf die physische Gewalt um psychische
Folgen der angewandten Gewalt zu erreichen.
Das Schlachtfeld ist lost Generation, brutaler Kampf, Mann
gegen Mann. Kaum in Vietnam angekommen, in der
Landing Zone X-Ray im La Drang Tal, sehen sich die Truppen
unter mörderischen Beschuss genommen.
Vom 14. November bis 16. November 1965 brach die Gewalt
unmittelbar hervor.
Der amerikanische Kämpfer schlägt seinen Weg zum Sieg ein.
Ihm schließen sich all diejenigen an, die nach Prestige
und Anerkennung suchen, selbst dann, wenn es nur noch um
das Ausharren geht, auf das Warten auf Hilfe.
Moore, der den Schutzbefehl über seine Einheit hat, wird
zum Agitator.
Im Krieg ist diese Figur mit einem Pfaffen zu vergleichen,
der predigt, um den sich die verstörten und sündigen
Menschenkinder scharen.
Hier ist Moore der Pfahl im Fleisch, der predigen unmittelbar
sinnlich erfahrbar macht, der Botschaften verbreitet und
die Konfrontation ideologisiert.
Diese genuin amerikanische Figur kennt man bereits aus
vielen Darstellungen über den amerikanischen Bürgerkrieg,
aber auch im Western ist es gang und gäbe, dass der
Schrecken in wortgewandte Bilder gepackt wird, an denen
sich der gestählte Mann aufrichten kann.

Es mag nicht überraschen, dass hier Bilder gestreut werden,
die unbegründet und gefälscht erscheinen. Denn in jenen
der Gewaltanwendung und den kommenden Folgen ist die
Botschaft eingeschlossen, dass die Strategie des
Gewalteinsatzes helfen werde, den Gegner zu schlagen,
einen Frieden zu erreichen und Freiheit und Demokratie
zu erkämpfen.
Deswegen inszeniert sich der Film selbst.
Die Selbstinszenierung soll erreichen, dass für wesentliche
Sequenzen Aufmerksamkeit geschaffen wird.
Die darstellten Thematiken dienen der ideologischen
Unterstützungsmobilisierung; denn Nachrichten sind im
klassischen Sinne durch die Bilder ersetzt worden, vor allem
im Krieg.
Mit der Produktion von Bildern und durch ihre Darstellung,
konnte erreicht werden, dass Motive und Ziele
einer Aktion einen ganz anderen Stellenwert im Vietnamkrieg
bekamen.
Die Positionen werden im Film gewechselt. Die Sichtweise
hat sich geändert.
Die Felder der Metzelei werden von den Kommandozentralen
des Vietkong abgelöst. Der Feind soll nun auch mal ins
Bild kommen. Selbst wenn er dann durch Handgranaten
Oder MP-Salven umkommt. Zumindest hat man ihn im Film
in Szene gesetzt, bzw. das Bild hat erreicht, dass die
Aufmerksamkeit für einen Augenblick auf den vermeintlichen
Terror gelenkt wurde.

Alles beginnt wie einst: Kriegs- und Antikriegsfilm.
Die Übergänge sind inzwischen fließend, weil der Krieg
ein Fluss ohne Wiederkehr ist. Doch die Eskalationsspirale bleibt.
Die Realität des Kriegs wird nicht in Hollywood gemacht,
aber auch in Hollywood.
Er ist die Geißel des 21. Jahrhunderts. Gibt es also
einen imperialistischen Frieden? Ist es der, der in
Vietnam die Bombenteppiche und Napalm hinterlassen
hatte, oder der, der in dieser Zeit mit lasergestützte
Raketen und intelligente Bomben Menschen zerfetzt?
Der globale Kapitalismus konnte in jeder Zeit darauf
bauen, dass die PR-Maschine jede Offensive, selbst
dann, wenn sie keine mehr war, schön redete.
Und er konnte auf Propagandageschenke bauen,
die es heute in Hülle und Fülle gibt.
Bei weitgehender Vermeidung der eigenen Verluste
führt man doch immer dem Gegner erhebliche Schäden an
Menschen und Material zu.
Man muss ihn nur noch zur „Aufgabe seines politischen
Willens zwingen“. (CLAUSEWITZ)
Schon deshalb hat Hollywood mit dieser Kriegskultur
ein für alle mal seine Geschichten aus Schmerz, Mitleid
Moral und Trost gestrickt.
Man trauert selbst um den Gegner. Perfider kann man
nicht die Einsätze rechtfertigen. Perfider kann man sich
nicht ins politische Abseits stellen. Und perfider kann man
nicht gewissenlos sein.
„Niemand wird zurückgelassen“ verkündet Moore.
Er hat Unrecht: Tote werden zurückgelassen.
Reicht das nicht?

Fazit: „We „Were Soldiers“ kleidet sich in ein
Notwehrkostüm. Das ist die filmische Botschaft.
Man war nur durch unglückliche Umstände nach
Vietnam geraten. Die Struktur der Bilder verrät die
Amerikanisierung, die nicht nur durchs Fernsehen
vorgedrungen ist, sondern selbst im Kino für beste
Unterhaltung sorgen kann.
Kritik daran erscheint vielen Zeitgenossen als
unangemessen.
Der amerikanische Kriegs-, und Antikriegsfilm
vereinheitlicht die Welt, weil sie selbst schon
amerikanisiert sind.
Diese bedrohliche Effektivität der stillen Propaganda
sollte dazu führen, den sich ständig wiederholenden
Kriegs- oder Antikriegsbildern zu misstrauen.
Krieg bleibt das, was er ist: die Konsequenz der
Politik, die uns zu Beginn des 21. Jahrhunderts noch
viele schlaflose Nächte bereiten wird.

Dietmar Kesten 17.11.04 16:25