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Matrix Revolutions

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Matrix Revolutions Dietmar Kesten 5.11.03 20:41
Matrix Revolutions werner 7.11.03 16:52

THE MATRIX REVOLUTIONS

YOUR INSIDE IS OUT AND YOUR OUTSIDE IS IN.

von DIETMAR KESTEN, GELSENKIRCHEN, 5. NOVEMBER 2003.

Die Brüder Andy und Larry WACHOWSKI legen mit
„Matrix Revolutions“ jetzt den dritten Teil ihrer Trilogie
vor. Hier soll nun das Werk vollendet werden: der finale
Kampf gegen die Maschinen, gegen den Horrorclan
und ihre Herrschaft.
Neo (Keanu REEVES), Morpheus (Laurence FISHBURNE),
und Trinity (Carrie-Anne MOSS) sind das letzte Aufgebot,
dass sich außerhalb und innerhalb eines visionären
Cyber-Overkill zu behaupten haben.
Die lascive Persephone (Monica BELLUCI), Klon-Agent
Smith (Hugo WEAVING) nebst Niobe (Jada PINKETT-SMITH)
ziehen mit Helden und Widersachern auf die Erdoberfläche,
wo erneut atemberaubendes Kinos zu sehen ist, und wo
Neo und der Agent Smith auf ihre Art ihre persönlichen
Probleme lösen.

Es gibt eine alte mönchische Weisheit, die lautet: „Man müsse
schweigen, wolle man jede Infektion mit der Welt vermeiden.“
Was für eine Position, die sich In „Matrix Revolutions“
wiederzufinden scheint.
Man schweigt, weil die Ereignisse überraschend kommen, als
ob man von außen käme, um im inneren eines Paralleluniversums
seine Bahnen zu drehen, eventuell angreifen kann, ohne selbst
dazuzugehören.
Diese Dialektik der eigenen Widersprüche erfährt man auf eine
seltsame Art: eine ganze Armee der Terror-Desperados haben
die Idee geklont, und sind dabei, sich letztlich auf die Ja/Aber
Position zu begeben, ohne dann zu erkennen, dass man falsch
gestartet war.

Smith, das ist die Plötzlichkeit des Ausbruchs, die der Unruhe
entspricht. Und die Unbekümmertheit der Sprüche, die
Naivität der Vorwürfe selbst sind zwar postmoderne Beliebigkeit,
aber sie fordern Strenge und Genauigkeit in der Betrachtung,
und wenn man soweit gehen kann, im Begreifen.
Die Matrix-Trilogie ist daher ein System ohne Legitimität,
aber, und das erscheint wichtig, ist sie unabhängig.
Sie tritt mit dem Anspruch auf, die organisierte Entschuldigung
für die Tyrannei und den Despotismus zu sein. In diesem
Labyrinth eine Position zu finden, ist schwierig.
Doch da dieses System an ein System gebunden ist, besticht
sie durch zukunftsbedrohende Veränderung, die die Gesellschaft
selbst auszulösen vermag.
Die Matrix ist doch nur der historische Zufall für die
Nicht-Kommunikation. Ohne die Gegenstellung zur Gesellschaft
ist sie nichts. Sie wäre eine Alternative ohne Alternative.

Der Gegenpol ist Neo.
Seine Möglichkeit zur Distanz sollte man schätzen, bevor
man die eingeübten Einschätzungen unreflektiert fortsetzt.
Seine menschenfreundliche Komponente ermöglicht den
Zusammenbruch des Smith-Systems, auch wenn die
Dialoge jämmerlich sind.
Wahrlich ein gelungener Schachzug der Wachowski-Brüder.
Vielleicht neigt man gerade hier dazu, ihn als Triumphator
zu sehen. Der ökonomische Erfolg bleibt ein Pyrrhussieg.
Sein Sieg ist doch nur ein Fisch im Wasser um auf der anderen
Seite die Siegerseite placieren zu können.

Die Zukunft macht uns Sorgen. Ob mit oder ohne Matrix.
Welche Lebensbedingungen werden künftige Generationen
vorfinden?
„Matrix Revolutions“ gibt die Antwort: eigentlich keine!!
Die intellektuellen Ressourcen des Nachdenkens über den
Film bieten heute wenig Perspektiven, auch wenn ich eingestehen
muss, das er mich fasziniert, und zwar deshalb, weil er die
Konstruktion auflöst (im Bezug zum Korrelat der gegenwärtigen
filmischen Operationen).
Ihn als Kunstwerk zu sichern, ist nobel. Die postmoderne
Matrix hat dafür eine Antwort parat: so weitermachen.
Er wird ohne unser hinzutun Kult. Gegenüber der fassungslosen
Gegenwart kündigt er stets neue Überraschungen an.
Sie kommen daher als Umkehrung aller Bewertungen, die
es zu ihm geben wird.

Zukunft oder keine Zukunft?
Größe und Ausdehnung in der Urknallblase? Hat die
Matrix einen Anfang oder entstand sie aus dem Nichts?
Sie versteht man nur dann, wenn man das Universum
als Begriffsrahmen hinzunimmt, wenn man Dimensionen
beschwört, die über das hinausgehen, was uns auf der Erde
als Geometrie des Universums verständlich erscheint: seinen
sichtbaren Teil.
Würde man hypothetisch mehrere Universen setzen, ein
reales, ein zeitsymmetrisches und ein antimateriesches,
in der sie keinen Unterschied zwischen Vergangenheit,
Gegenwart und Zukunft machen, kämen wir der Matrix
und ihrer Auflösung ziemlich nahe.
Die Zukunft würde nicht mehr im Zweck liegen.
Und sie ist anders als die Gegenwart, die deshalb im
tiefsten Sinne destruktiv wäre.

Da bereits diese Überraschungen in den beiden ersten Teilen
angekündigt waren, könnte man empfehlen, von
‚Was-Fragen’ zu ‚Wie-Fragen’ überzugehen.
Damit könnte die Matrix zu einer Perspektive der Beobachtung
werden. Wie laufen wir in der Zeit rückwärt? Läuft sie im
Raum-Zeit-Kontinuum tatsächlich vorwärts, und würden wir uns
schneller als das Licht in entgegengesetzter Zeit bewegen?
Wäre dann die Matrix ein Meisterwerk der Symmetrie?
Wenn wir selbst den Part der Beobachtung von Beobachtern
übernehmen, würden wir quasi dem Subjekt einen größeren
Spielraum für Individualität einräumen können.
Denn: in die Zukunft projizierte Zustände sind, von der
Matrix aus gesehen, entweder wahrscheinlich oder unwahrscheinlich.
Das Individuum kann diese Differenz nur durch die Annahme
von Wahrscheinlichkeit und/oder Unwahrscheinlichkeit
überbrücken, in der Kombination von Symmetrie und
Unvollkommenheit, was etwas von der Natur wäre.

Die fiktionale Realität von Matrix dupliziert sich wie Smith,
die Realität sozusagen durch eine Fiktion, oder einen Mythos.
Projiziert man all das auf die gegenwärtige Zukunft und
künftige Gegenwarten, dann heißt das, dass die Zeit selbst
dupliziert wird.
Erst wenn man über Zukunft so komplex denken kann, wie
Matrix es anlegt, aber nicht zu Ende denkt, kann man sehen,
wie sehr wir in welcher Weise unsere Gegenwart mit
Zukunft überlasten. Die Rückblickzeit würde aber enorme
Lernmöglichkeiten schaffen. Die Geschichte der Matrix
ist aufgezeichnet. Es geht darum, sie zu begreifen.
Keine Seite kann sich auf Sicherheit in ferner oder naher
Zukunft berufen.
Die Konsequenz ist: über Zukunft kann man sich nur noch
verständigen. Ob man sie leben kann, das ist fraglich.
Jedenfalls bietet die Matrix und das Ende die Differenz an.

Die Zukunft der Gegenwart ist nichts anderes als
ein zirkuläres Verhältnis zwischen den in der Gegenwart
möglichen Entscheidungen.
„Matrix Revolutions“ bietet an, in den Bereich dieser
Möglichkeiten einzutreten.
Philosophisch betrachtet: ein Risiko auf alle Fälle.
Kopf oder Zahl: diese Paralleluniversen haben keine
Gewinner oder Verlierer; denn der virtuelle Countdown
hat in der Praxis schon längst begonnen.

Dietmar Kesten 5.11.03 20:41