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Tränen der Sonne

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Tränen der Sonne Dietmar Kesten 7.9.03 12:25

TRÄNEN DER SONNE

DIE TOTEN BILDER – DER KRIEG UND HOLLYWOOD

von DIETMAR KESTEN, GELSENKIRCHEN, 30. AUGUST 2003.

Im Höllendschungel von Nigeria soll eine Navy-Seals-Einheit eine
von Rebellen bedrohte katholische Dschungelmission evakuieren.
Dr. Lisa Kendricks (Monica BELLUCI) besteht darauf, dass der
befehlsgebende Lieutenant Waters (Bruce WILLIS) auch ihre einheimischen
Schützlinge ins rettende Kamerun führt.
Der Fußmarsch endet in einem blutigen Kampf der amerikanischen
Soldaten gegen eine Rebellenarmee.
Antoine FUQUA („Training Day“ 2000) hat einen Kriegsfilm gemacht,
der von einer Spezialeinheit der US-Army, den Navy Seals (1)
handelt, und der sich in die Kriegsspektakel-Produktionen der jüngsten
Zeit einreiht.
Gedacht ist hier etwa an „Saving Private Rayan“ (1998),
‚Enemy at The Gates” (2000), „Windtalkers“ (2001), oder
„Wir waren Helden“ (2002).
Der Unterschied ist allerdings der, dass sich dieser Film ausschließlich
mit einer US-Invasion, die sich vor einem humanitären Hintergrund
abspielt, beschäftigt.
Das ist neu. Doch die Kritik an „Tränen der Sonne“ kann nur vernichtend
sein.

Mit einer Treffsicherheit, die teilweise unter die Haut geht, versucht
Hollywood zur Zeit der Welt mit dem amerikanischen Kriegskino
maßgeschneiderte Erzählungen anzubieten, die einerseits
mit den gegenwärtigen Ängsten (Terror und Krieg) spielen, diesen Nahrung
verschaffen, anderseits aber auch keine Gefühle der Niedergeschlagenheit
aufkommen lassen, wenn es um die Verteidigung der ‚Freiheit’, der ‚Ehre’,
und humanitärer Ideale geht.
Mit mehr oder weniger versteckten Botschaften und gelenkten Bildern
versucht dieses Kino aus gesellschaftlichen Krisen Profit zu schlagen, die
einem Revanchismus in Rambomanier das Wort reden und mit totaler
Autosuggestion den Kino-Horizont und damit die Hirne der Zuseher
zu vernebeln beginnen.
Mit Täuschungen und Halbwahrheiten (z. B. hat es in den letzten Jahren
einen wie im Film suggerierten nigerianischen Bürgerkrieg nicht
gegeben!) gibt „Tränen der Sonne“ zu erkennen, worum es eigentlich
geht: um Ideologie.

Film und Fernsehen haben schon immer in wichtigen historischen
Augenblicken die kollektive Wahrnehmung über Sachzusammenhänge
verschleiert und eine Bildwelt in Umlauf gebracht, die an die dokumentarische
Nähe von Ereignissen erinnern soll und sich dramaturgisch so in Szene setzt,
dass die Betroffenheit darüber allgegenwärtig erscheint.
Wer erinnert sich da nicht an jene Jessica Lynch, die so spektakulär
aus der irakischen Kriegsgefangenschaft von einem Sonderkommando
der US-Army befreit wurde! Die Bilder gingen um die Welt.
Auch wenn sich später herausstellte, dass sich um diese Geschichte
Halbwahrheiten und Lügen ranken, so galt diese Aktion doch als Fanal.
So müsst ihr es machen!! Überall auf der Welt sind unsere Soldaten in
‚humanitären Einsätzen’ unterwegs: Afghanistan, Liberia, im Irak, und dort, wo die
Uno zögerte, war es die amerikanische Regierung und ihre Soldaten, die
zur Stelle war/en und zum Handeln entschlossen.

Hier wird einer Anschauung zum Durchbruch verholfen, dass die
Helden ihren militärischen Missionarsgedanken in alle Welt tragen, und dass
sie es sind, die die Welt zu retten vermögen. Es ist der absurde
Gedanke, dass es Elitesoldaten mit Herz gibt, die Grausamkeiten und
Tragik in einen Hort des friedvollen Umgangs miteinander verwandeln
können, und die nur auf Befehl töten.
„Es kommt darauf an, den Job zu erledigen und den Auftrag zu erfüllen“,
sagt Lieutenant Waters an einer Stelle im Film.
Auch dadurch werden neue Helden hervorgebracht, die sich als
Trojanische Pferde aufmachen, um im innersten unserer Hirne ein
(militärisches) Übergewicht zu erzeugen.
So sollen die Seelen der Menschen domestiziert und gefügig gemacht
werden.
Spätestens seit SPIELBERGs „Der Soldat James Ryan“ ist das zu
einer unverrückbaren Wahrheit geworden: Krieg ist ein Feldzug
von Feinden und anderen finsteren Mächten ausgelöst, in den
wir unschuldig und zufällig hineingeraten. Er ist ein Naturereignis,
ein Aggressionsventil, welches geöffnet werden kann, um unser
Hasspotential zu entleeren, die Gewaltbereitschaft der Menschen
zu kanalisieren.

Die Gewaltszenen, die wir im Kino kennen, zeigen,
dass die Angelegenheiten dieser Welt an Ende stets mit Gewalt
geregelt werden müssen.
Die Weltgeschichte als Kriegsgeschichte, mit gewalttätigen Männern,
die selber Krieger sind, und die vor dem Einsatz von Gewalt nicht
zurückschrecken, wenn es um die Verteidigung der Moral geht.
Das soll zur Logik des Denkens werden: nicht der Geist
der Zusammenarbeit und der Völkerverständigung obsiegt, sondern
der Konfrontation.
Weil die Kriege in den vergangenen Jahrhunderten so extrem und
unbarmherzig waren, kommt es jetzt darauf an, uns vor dem Schlimmsten
zu schützen.
Die, die das bewerkstelligen sollen, kann man im Film bewundern. Es
sind diejenigen, die jede extremen Formen der Kriegsführung für
unvermeidlich halten und die Art und Weise des Kampfes selber
festlegen.

Mit Bruce WILLIS (2), verkniffen wie immer, der den glatzköpfigen Retter
spielt, verwandelt sich die ‚Bestie Krieg’ schnell in die Ethik des Militärs.
Man ist geneigt zu sagen: der Krieg muss weiter gehen, die Politik nicht.
Insofern mag man CLAUSEWITZ Recht geben: „Krieg ist die Fortsetzung
der Politik!“
Am Ende verliert jede Politik ihre Unschuld; denn die scheinbar
legitimierte Eskalationen der Gewalt entspricht einem Ideal, dass
in der westlichen Kultur weit verankert scheint. Nur wenn der Krieg
als Teil dieser verstanden und begriffen wird, dann könnte er vielleicht
auch eines Tages überwunden werden.
Es ist merkwürdig, dass sich kaum jemand über die Kriegsfilme in
den Kinos aufregt. Merkwürdig auch, dass das Kriegskino ungeschoren
davonkommt. Und von der Öffentlichkeit wenig wahrgenommen, einen
Heldenmythos zeigt, der unverblümt an Ernst JÜNGER erinnert, seiner
Sprachgewalt von (wahrer) Kameradschaft im Feld im Angesicht der Bestie.
Was dieses Genre verlogen macht, ist die Bilderwelt der Angst die erzeugt
wird, die Orientierungslosigkeit der Zuschauer inmitten von abgesprengten
Extremitäten, Eingeweiden, Blut und Hirn.

Aufgrund seiner untergründigen Verwandtschaft mit den Wirtschaftskrisen,
ist er einfach zur Erzählform der Krise geworden. Panik, Angst,
Kopf- und Ratlosigkeit, - immer wieder gelingt es, sich am Schrecken zu
weiden und ihn zu exorzieren.
Vietnam wurde für Amerika zu einem Alptraum, der zusätzlich durch
die innenpolitische Situation sehr belastet wurde (Watergate -Skandal).
Seine militärische Niederlage war nicht zu verhindern.
Trotzdem versucht das Kriegskino den Spieß umzudrehen.
Die Neavy Seals werden zum Glücksbringer für eine Missionarsstation.
Es gibt sogar Erotik im Krieg: Monica BELLUCI (3) beweist es.
Ihr immer geöffnetes Khaki-Hemd ist zwar gegen jede Regel, doch damit
steht sie Modell für Gewalt und Liebe im Krieg.
Jeder Realitätsanspruch wird damit hinfällig.
Eine Umwertung der Werte scheint aufs Neue zu beginnen.
Kann etwas anachronistischer sein?
Amerika hatte immer ein gespaltenes Verhältnis zu seiner Geschichte.
Das jetzt mit reaktionären Remakes ein Loblied auf militärische
Abenteuer, Massenvernichtungswaffen und ‚echten Männern’ gefeiert wird,
ist angesichts der weltweiten Terrorangriffe und derzeitigen Waffengänge
schwer zu ertragen.
Das einstige Kriegs-Traume Amerikas scheint durch die Verarbeitungen der
Vietnamerfahrungen im Kino (4) überwunden. jetzt scheint wohl die
Periode der übergreifenden militärischen Einsätze mit der Retterideologie
zu folgen
Kann etwas anachronistischer sein?

Anmerkungen:

(1) Navy Seals: Amerikanische Spezialeinheit; operiert zu Lande,
in der Luft, vor allem im Wasser.
Sie wurde im August-Oktober 1942 von Phil H. Bucklew gegründet.
Ihr erster Einsatz war vermutlich die Teilnahme bei der Landung der
alliierten Truppen in Nordafrika (Oktober 1942).
Weitere Einsätze gab es im Zweiten Weltkrieg; später Bildung
weiterer Gruppen.
Bekannte Operationen:
-Operation URGENT FURY (Grenada 1983),
-Operation EARNEST WILL (Persischer Golf 1987-1990),
-Operation JUST CAUSE (Panama 1989-1990),
-Operation DESERT SHIELD/DESERT STORM,
(Mittlerer Osten/ Persischer Golf 1990-1991).
Weitere Einsätze in Bosnien, Kosovo und Jugoslawienkrieg,
in Afghanistan, Irak und Somalia (1992-2002/2003),
Die Ausbildung zum Navy Seal gilt als besonders hart.

(2) Filme mit Bruce Willis:
- Stirb langsam und Folgen (1987, 1992, 1995),
- Tödliche Nähe 1993,
- 12 Monkeys 1995,
- Pulp Fiction 1997,
- Der Schakal 1997,
- Das fünfte Element 1997,
- Das Mercury Puzzle 1998,
- Ausnahmezustand 1998,
- Armageddon 1998,
- Unbreakable 2000.

(3) Filme mit Monica Belluci:

- Der Zauber von Malena 2000,
- Der Pakt der Wölfe 2001,
- Asterix und Obelix 2002,
- Matrix Reloaded 2003.

(4) Vgl. etwa:
- Coming Home (1977), Regie: Hal Ashby,
- Die durch die Hölle gehen (1978), Regie: Michael Cimino,
- Apokalypse Now (1979), Regie: Francis Ford Coppola,
- Killing Fields (1984), Regie: Roland Joffe,
- Platoon (1986), Regie: Oliver Stone,
- Good Morning Vietnam (1987), Regie: Barry Levinson
- Der steinerne Garten (1987), Regie: Christopher Nolan
- Full Metall Jacket (1987), Regie: Stanley Kubrick,
- Saving Private Ryan (1998), Regie: Steven Spielberg,
- Der schmale Grat (1999), Regie: Terrence Malick,
- Enemy at The Gates (2000), Regie: Jean-Jacques Annaud,
- Windtalkers (2001), Regie: John Woo,
- Black Hawk Down (2001), Regie:Ridley Scott,
- Wir wahren Helden (2002), Regie: Randall Wallace.

Dietmar Kesten 7.9.03 12:25