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Der Untergang

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Untergang Paolo 20.9.04 17:16
Untergang Dietmar Kesten 21.9.04 17:17

Ihr Text ist ein wichtiger Text. Das sog. demokratische Bewusstsein ist heute mit sich unzufrieden. Die offizielle Politik wird angeprangert.
Doch die Klage hat durchaus Tradition. Es ist ja eine
gewisse Rückerinnerung an frühere Jahre der Republik,
wo so etwas von Sinnstiftung und Emphase aufkommt.
Das weckt Emotionen. Und sie sind in der Welt der Politik rar gesät. Das politische Szenario gipfelt eben nicht nur in direkter rechter nachzählbarer
Politik (NPD und DVU), sondern vielmehr darin, dass
diese Demokratie NIE zur Herzensangelegenheit ihrer
Mitbürger wurde, oder besser: nie ist es der Politik
gelungen, Interesse an ihr zu wecken. Und zwar in dem Sinne, das wesentliche Fehler aus der Vergangenheit
vermieden werden.

Die Deutsche Demokratie, die sich in einem wahren
Rausch die ehemalige DDR 'einverleibte', hat diese
Ordnung akzeptiert. Das wiegt viel. Denn die politische Abstraktion muss notwendigerweise
einen Mythos in sich tragen, oder transzendent sein.
Die Entfaltung der bürgerlichen Gesellschaft musste
sich erst in einen gewissen Status versetzen, um sich selbst im negativen Sinne zu emanzipieren.
Das Böse in Gestalt der Profanität und Banalität
konnte sich erst aus der kruden deutschen Nationalgeschichte entwickeln, aus deren Mutterschoß
die Bewegungsform der Nation entstand. Und auch der
Nationalsozialismus gehörte historischer dieser Form an.

Die Durchsetzungsgeschichte des modernen Kapitalismus
(Modernisierung), die schließlich in die Demokratie einmündete, die wir kennen, war im wesentlichen
Kriegsgeschichte mit offenen rechten Ideologien.
Der Boden der westlichen Demokratien ist auf der Grundlage von Dutzenden von Bürgerkriegen entstanden.
In Deutschland kam diese Form der 'Freiheit und
Gleichheit' mit dem 1. und dem 2. Weltkrieg
zum Ausdruck.
Die Marktdemokratie schleppte die letzten Vehikel
aus der Kaiserzeit hier mit herein. In dieser
Wüste des Totalitären fiel der Rechtsradikalismus
auf fruchtbarem Boden. Der Modernisierungsschub,
hier in gewisser Weise, an einen Enpunkt angelangt,
konnte nur mit logischer Gesetzmäßigkeit
in einen Faschismus einmünden.

Jede Marktwirtschaft bringt fast am Ende ihrer
Entwicklung immer Rechtsradikalismus in irgendeiner
Form hervor.
Das zu erkennen, erscheint mir wesentlich.
Obwohl die Geschichte sich nicht in der uns bekannten
Form wiederholt, so bleibt dennoch die historische
Kontinuität zwischen dem Faschismus und einem
neuartigen Rechtsradikalismus bestehen.
Alles andere wäre geschichtslos.Im "Nebel des
Krieges" (eigentlich: CLAUSEWITZ)ist die Verpuppung
der größte Feind.

Das Interesse, heute mit HITLER hausieren zu gehen,
rührt daher. Rührt aber auch daher, dass das
Gesamtresultat (Holocaust) verniedlicht wird und sich
in der heutigen Auseinandersetzung zu instrumentalisieren scheint. Das wollte Ernst
NOLTE verdeutlichen.
Vielleicht wollte NOLTE den Nationalsozialismus nur
als 'normal' darstellen, quasi als Produkt der
vergangenen rassistischen und nationalen Staatlichkeit?
Ihm ist (ohne hier im Detail darauf eingehen zu wollen)
vermutlich deswegen "Geschichtsrevisionismus"
vorgeworfen worden.

Aber in einem hatte er Recht: die Großmachtpolitik
der russischen Bolschewiken und des Nationalsozialismus
in der Barberei scheinen identisch, obwohl ich das
hier sehr vorsichtig formulieren möchte.
Der Nationalsozialismus war in gewisser Weise
Wegbereiter der heutigen uns bekannten Demokratie.
Als gewagte These sicherlich streitbar.
Doch man kommt der deutschen Bewußtseinsspaltung
in dieser Frage nicht näher, wenn man immer nur von
der Überwindung von Faschismus und Nationalismus
redet.
Der Publizist Robert KURZ hat sogar diesen
Prozeß so beschrieben: "In diesem systematischen
Sinne kann man sagen, dass die BRD-Demokratie
den Nationalsozialismus fortgesetzt und strukturell
vollendet hat." (in: "Rosemaries Baby",
Bad Honnef 1993).

Mir scheint, dass das Interesse an HITLER
dem traditionellen Politikinteresse entspricht.
HITLER wird von vielen Rechtsradikalen als
'Patriot' verehrt.
HITLER wie der Holocaust scheint also Fetisch,
Götze, der in Phasen der Destabilisierung ,
ökonomischer und sozialer Krisen aus der Versenkung
geholt wird. Aber nicht, um ihn zu überwinden,
sondern ihn als "Mensch" auferstehen zu lassen.
Das Gefährlich daran ist der Umgang mit ihm, wie auch
der Umgang mit der Nazizeit.
Schauen sie auf "Hellboy". Die Animation der
Verdrängung. Aus Schwäche formiert sich Stärke.
Und hier tritt die ganze ideologische Stärke einer
gewissen neuen rechten Tendenz zutage, die gerade
zunehmend jugendliche Menschen anspricht.

Die Standards der Unterhaltungsindustrie sind eben
genau darauf abgestimmt.
Es darf nur nicht zu offensichtlich werden.
Um auf den "Untergang" zurückzukommen, so hat
der Film eine gewisse (orthodoxe) Ausstrahlungskraft.
Hier gibt es gute und vorzeigbare HITLER-Gegner
und die bösen Helfer.
Wer sollte hier erkennen wollen, was es mit dem
"eliminatorischen Antisemitismus" (GOLDHAGEN)
auf sich hatte?
Wer sollte erkennen wollen, was zum Selektionsmechanismus geführt hat?

Das Bewusstsein jedenfalls kann es nicht.
Und auch nicht die heutigen Demokratieköpfe, die
die die Demokratie als Sinnstiftung der Amerikaner
begreifen.
Deshalb ist Ihr Beitrag wichtig. Zeigt er doch auch,
dass die sich abzeichnende Krise sich fast wieder
in die gesetzmäßigen filmische Verarbeitung des Nationalsozialismus niederschlägt.
Mich wundert, dass die Bekämpfung dieser Ideologie
relativ lax gehandhabt wird.
Ganz abgesehen von der theoretischen Durchdringung des
Phänomens Natioalsozialismus, scheinen die
Marktsubjekte die objektive Gefahr neuer rechter
Ideologien kaum zu begreifen.

Der Film "Der Untergang" ist irgendwo schizophren.
Einerseits will er 'aufklären' und andererseits
taucht er ins tiefste Mittelalter ein.
Die Widersinnigkeit ist perfekt.
Die Gespensterschlachten mit der Vergangenheit
beginnen erst. Der Boden ist noch längst nicht
umgepflügt. Die Gegenwart wird HITLER nicht
vergessen; denn seine Hinterlassenschaft ist
die Barbarei. Sie scheint für mich erst im
21. Jahrhundert zu beginnen.

Dietmar Kesten 21.9.04 17:17