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Godsend

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Vom spirituellen Erwachen Dietmar Kesten 10.7.04 14:44

GODSEND

VOM SPIRITUELLEN ERWACHEN

von DIETMAR KESTEN, GELSENKIRCHEN, 10. JULI 2004.

Klonen und Genmanipulationen sind nicht nur in aller
Munde, sie sind auch schon seit längerer Zeit
Filmthemen.
„The Sixth-Sense“ (Regie: M. Night SHYAMALAN, 1999),
“Das Omen III“ (Regie: Graham BAKER, 1981, aber auch
„Protondo Rosso“ (Regie: Dario ARGENTO, 1975) sind
bekannte Erleuchtungsfilme.
Warum geht es in „Godsend?“
Am Godsend Institut arbeitet Richard Wells
(Robert DE NIRO). Das Institut (übersetzt : „von Gott
gesandt“) hat einen Weg gefunden, aus dem genetischen
Material Verstorbener mittels künstlicher Befruchtung
einen identischen Klon zu schaffen.
Für ein weiteres Experiment sucht der Arzt Probanden,
die er in dem Pärchen Paul (Greg KINNEAR) und
Jessie Duncan (Rebecca ROMIJN-STAMOS) findet,
die durch einen Unfall den Sohn verlieren.
Das Glück scheint wieder vollkommen, als der identische
Adam (Cameron BRIGHT) zum zweiten Mal das Licht
der Welt erblickt.
Als dieser mit seinem 8. Geburtstag das Todesalter
seines Vorgängers überschreitet, verwandelt sich das Kind
absonderlich, wird von Visionen verfolgt, befindet sich
mit Spuk und Jenseitigkeit im Einklang.

In diesem Stückwerk wird das große Erwachen aus der
spätkapitalistischen Selbstentfremdung mit
Bewusstseinsströmen, die in Schwingen und Energien
umgesetzt werden zelebriert. Das Übersinnliche scheint
Konjunktur zu haben. Und die Sinnsuche geht weiter, wie
der Esoterik-Markt, der seine Sinnsuche ebenso nach
marktwirtschaftlichen Gesetzmäßigkeiten ausrichtet, wie diese
Filmprojekte.
Die Sehnsüchte, sich einer ‚anderen Realität’ zu verschreiben,
nehmen in Zeiten gesellschaftlicher und politischer Krisen einen
Aufschwung.
Und sie nehmen auch proportional zur sogenannten ‚geistigen
Entleerung’ im technisch verwalteten Leben der Menschen zu.
Der Kosmos, oder wie immer man den „Friedhof der
Kuscheltiere“ (Regie: Mary LAMBERT, 1989) bezeichnen mag,
scheint eben eine gesteigerte Lebensidentität zu bieten, aus
dem man sich in die Lüfte aufschwingen kann, um als geläuterte
Gentech-Wesen im Gentech-Zeitalter auf die spirituelle
Verformung, dem künstlichen Leben und dem echten Tod
zu setzen.

Dabei ist Klonen und Genmanipulation schon lange
im Gespräch, mit jener Aura belegt, die das Zeitalter
des Technizismus überwinden will.
Anfang Januar 2003 teilte die ‚Bischöfin’
Brigitte BOISSELIER von der Firma ‚Clonaid’
der Weltöffentlichkeit mit, dass das erste
Klonbaby (Eve) zur Welt gekommen sei. Es verwunderte
nicht, dass diese Mittelung von jener ‚Raelianer-Sekte’
kam, die schon des öfteren Aufsehen erregte.
Aber auch seriöse Forscher, wie etwa der Amerikaner
Panos ZAVOS, arbeiten an dem Klonen der Menschen.
Auch sein italienischer Kollege, der Gynäkologe und
Reproduktionsspezialist Severino ANTINORI kündigte
jüngst Klon-Babies an.
Und nicht selten werden hier die Kraft der Gedanken
beschwört, der Sieg des Geistes über die Materie, die
eine „grundlegende Revolution des Menschenbildes“
einleiten sollen, wie der Vater des ersten Retortenbabys,
Robert EDWARDS, meint.
Über Moral und Ethik der Genmanipulation ist viel publiziert
worden. Und man darf nicht alle Ansätze über einen
Kamm scheren.
Nicht jeder ernstzunehmenden Versuch darüber
(tödliche) Krankheiten zu verhindern, gar zu heilen, das
Leben im positiven Sinne noch für eine gewisse Zeit zu
erhalten, kann mit dem Bann des Irrationalismus belegt
werden.

Die modernen Frankenstein Motive, die es jedoch
in „Godsend“ gibt, tragen allerdings nicht dazu bei,
der Idee der zusammengeflickten Monster (reproduktives
Klonen), die es eines Tages geben könnte, abzuschwören.
Es gibt genug Ansätze, die dort weitermachen werden, wo
„Godsend“ im Film erst beginnt.
Der automatisiere Mensch könnte sich gerne mit einem
Leben, das künstlich verlängert wird, anfreunden und dafür
das echte Ableben in Kauf nehmen.
Das verheizte Subjekt in einer kranken Welt, sehnt sich nach
Geborgenheit, nach einem Kokon der Wärme, nach Anerkennung
im Sieg und Trostspendung in der Niederlage.
Wo die Gesellschaft das Leben des Individuums nicht mehr
garantiert, und nicht mehr verbessern kann, wird der gesamte
Bereich des Klonens und der Gentechnik scheinbar
attraktiv. Die Theorien reichen vom Einfrieren mit einer
Wiedererweckung bis zur Reduktion des Körpers auf das
Gehirn (Geist), das irgendwann ‚frei’ gelassen wird.
Hier leistet man quasi einer Ersatzreligion Vorschub, die
in sich moralisch und ethisch mehr als fragwürdig und
verwerflich ist.

Hatten „Extrabreit“ (Neue Deutsche Welle Rockgruppe
der 80er Jahre) einst noch davon gesungen, dass der „Führer
den Klonen eine Stadt schenkt“, dass wir „wie Sand an Meer“
sind, so wird sie jetzt eingeholt.
„Godsend“ (Regie: Nick HAMM) ist ein unbeholfener und
grobschlächtiger Versuch, eine metaphysische Show zu
konstruieren, die jeglichen rationalen Kern vermissen lässt.
Hier wird einer Flucht ins Erwachen dem modernen
Leben entgegengestellt, den Verlorenen und Gescheiterten
auf diesem Weg ein Rückweg aus der erbarmungslosen
Leistungsgesellschaft unter einem metaphysischen Haus
angeboten.
Der Film, der als Loblied für Esoterik bezeichnet werden
muss, ist so etwas wie der dämonische Schritt des marternden
Ich auf der Reise in die Reinkarnation.
Es mag sein, dass diese Filme deshalb einen gewissen Zulauf
haben, weil dem spirituellen, dem parapsychologischen und der
subversiven Esoterik mehr Aufmerksamkeit geschenkt
wird, als sie wirklich verdienen.

Soll der Film nun ein übersinnlicher Horror sein,
ein Psychothriller mit übersinnlichen Motiven, ein
filmisches Klon-Experiment, oder ein Film, der
mit Kenntnissen aus der Parapsychologie spielt?
Der neue Adam wir mit immer wiederkehrenden
Visionen konfrontiert (Bilder von einer brennenden Schule
und der Name Zachery beeinträchtigen seine Nachtruhe),
er wird den Eltern fremd, seinen Lehrern, seinen
Mitschülern, sich selbst („Bin ich gestorben?“
„Ich bin ich!“). Er wird sich selbst unheimlich. Diese Unheimlichkeit
überträgt sich nicht auf den Zuseher. Es dauert eine
runde halbe Stunde bis die Vorgeschichte auf den
Mittelteil zusteuert, und noch einmal eine halbe Stunde,
ehe klar wird, dass es der Ehrgeiz von Dr. Wells ist,
der ihn zur Schaffung der Frankenstein-Kreatur
treibt.
Im Plot ist „Godsend“ dann sehr merkwürdig, zumal
ähnliche Motive wie aus „Shining“ (Regie: Stanley KUBRICK, 1980)
auftauchen. Wenn etwa die Zwillingsschwestern durchs
Gebäude huschen, dann ist das keine Gänsehaut mehr,
auch kein tiefer Blick in die menschliche Psyche, sondern nur
noch fade.

Fazit: Hier provoziert ein Haus keine Halluzinationen,
keine Alpträume, sondern die Identitätskrise der sogenannten
Mysterienthriller.
Die zwanghaften Wiederholungen plätschern an der
Oberfläche, die perfekte Wechselwirkung von Sein und
Schein, die es noch in „Shining“ gab, wird hier zum
Abklatsch. Über weite Strecken will er als realistischer Film
gelten, der mit lebensnahen Ängsten spielt. Doch er bleibt
einfach uninteressant: Szenen werden aneinandergereiht, die in
keinem Zusammenhang stehen. Das Spiel mit Realität und
Illusion ist keine traumatische Studie, die sich jenseits
des gesunden Menschenverstandes auftut.
Robert DE NIRO ist einmal mehr unlustig. Er hat kein
Gefühl für den Ablauf, für den Schnitt, Rhythmus und das
(schlechte) Drehbuch.
Der zu Anfang beschriebenen Problematik geht er kaum
nach. Das Gesamterlebnis ist äußerst frustrierend.
Der Kinogang wird unerfreulich.

Dietmar Kesten 10.7.04 14:44