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I, Robot

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WIR SIND DIE ROBOTER Dietmar Kesten 6.8.04 17:19
WIR SIND DIE ROBOTER Ein Fan der gepflegten Rezension 30.8.04 20:37
WIR SIND DIE ROBOTER Dietmar Kesten 31.8.04 16:19

I’ ROBOT

WIR SIND DIE ROBOTER

von DIETMAR KESTEN, GELSENKIRCHEN, 6. AUGUST 2004.

„Wir sind die Roboter... wir sind die Kinder von Wernher
von BRAUN und Fritz LANG“ sangen KRAFTWERK einst.
Die Realität scheint heute so beschaffen, dass in ihr
oftmals mehr Science Fiction liegt, als eine Reise zum
Mars.
In einer Welt, die unverdrossen der mechanischen Künstlichkeit
huldigt, mag der Roboter eine perverse Schönheit
sein, der dem Menschen die Utopien der Gegenwart
abzunehmen scheint.
Die Automatisierung, die die dritte industrielle Revolution
auszeichnet, legt den Gedanken nahe, das der Mensch
der fordistischen Industrien sich in einen Roboter
verwandeln könnte, es heute nur noch weniger
Entwicklungsschritte bedarf, bis er wirklich zum Roboter im
übertragenen Sinne wird.
Die Wegrationalisierung des Menschen aus der
Industriewelt vollzieht sich rasant. Die Folgen der
Automatisierung, die zu einem erheblichen Teil der
maschinengesteuerten oder roboterähnlichen
Automaten zuzuschreiben ist, sind mehr als
beunruhigend: sie vernichten die Existenzgrundlage der
Menschen, die Menschen werden überflüssig, da
die entfremdeten und verhaltensgestörte Apparate
die Macher geworden sind, die der Kapitalismus im
sinnbildlichen Sinne erschaffen hat.

Philosophisch betrachtet ist die Mensch-Maschine
ein Teil der Welt geworden. Und sie wird in der
zukünftigen Welt all die Alltagswünsche der Menschen
erfüllen, damit ein „völliges physisches und
ökonomisches Wohlbefinden“ herrscht, wie der
utopische Schriftsteller Aldous HUXLEY in seiner
„Schönen neuen Welt“ bemerkte. Die Apparate werden
den Geist töten, Leidenschaften zerstören, die
Vergangenheit ausrotten. Der Roboter steht in der
Gefahr, die genormte Zivilisation des Menschen wie
ein Wilder zu beherrschen.

Als mechanische Blechbüchsen helfen sie dem Menschen
in ihren Alltag, wie man es in „I Robot“ bewundern kann. Denn
schon lange träumte der Mensch davon, solche
praktischen Helfer zu bekommen.
1936 baute der deutsche Ingenieur Konrad ZUSE
den ersten Computer, der als Ziffernrechner bekannt
wurde und für statische Rechnungen programmgesteuert
eingesetzt werden konnte.
1961 war der erste Roboter, der „Unimate“ serienreif.
Er begann seine Arbeit in der Automobilindustrie.
Die Automatisierungsdebatte, die zu Beginn der
60er Jahre einsetzte, war spätestens schon hier
nicht mehr bloße Science Fiction, sondern hatte bereit
einen realtechnischen Hintergrund.
Beide Entwicklungen waren Meilensteine; denn sie
stellten klar, dass pausenlos neu programmiert wird,
um den Bedürfnissen jeder aufkommenden Realität zu
entsprechen.

Es wird mit Sicherheit nicht mehr lange dauern,
bis es die voll computerisierte Informationswirtschaft
geben wird. Die Technologien sind entwickelt, die Wege
vorgezeichnet. Die Entwicklung der Computergenerationen
ist rasant und sie werden bei weitem die früheren Modelle
weit an Fähigkeiten übertreffen. Sie werden vermutlich
auch dazu in der Lage sein, menschliches Denken
zu simulieren.
Es wird der Übergang von der reinen Datenverarbeitung
zu einer intelligenteren Informationsverarbeitung sein.
Der amerikanische Erfolgsautor Jeremy RIFKIN
mutmaßt sogar in seinem Buch „Uhrwerk Universum“
(München 1988), dass diese neuen Maschinen
„fähig sein werden, künstliche Intelligenz zu
zeigen“.
Sollten wir tatsächlich denken, dass ein Roboter sich
genau so wie ein Mensch verhält, aber in Wahrheit keine
Gedanken und Gefühle hat, die vom Bewusstsein
gesteuert sind?
Oder sollten wir glauben, dass sie wie wir Menschen
Gedanken und Gefühle haben? Oder vielleicht, dass sie
nur Intelligenz, aber kein Bewusstsein haben?

In „I Robot“ (Regie Alex PROYAS, 2004) wird dieser
Ball ziemlich flach gehalten. Doch es wäre eine interessante
neue Variante für jeden Regisseur, die sich aus dem
Thema ergebenen Fragen zur Diskussion zu stellen.
Doch für PROYAS erscheint das witzlos, weil wieder
einmal auf Action gesetzt wird.
Die Roboter mutieren nämlich auf einmal und sie
beschreiten einen beständigen Weg zur Menschwerdung,
die sich mit ihrer Rolle nicht abfinden wollen und nicht
mehr plumpe Haushaltshilfen sein möchten.
„I Robot“ wäre damit erzählt.
Die Prämissen des Films sind zweideutig. Und diese
Zweideutigkeiten werden nie aufgelöst. Vermutlich deshalb
nicht, weil man mit viel Philosophie hier nicht weit
kommt. Nur: wenn man einen Film über Roboter macht,
dann muss man sich entscheiden, was der Roboter eigentlich
ist?
Ist er wirklich nur ein dienstbarer Androide, so programmiert,
dass sie Menschen niemals Schaden zufügen, wie es
eines der Robotergesetze zum Ausdruck bringt, oder
ist er ein künstliches Wesen mit Bewusstsein?
Wie bei Steven SPIELBERG, der mit seinem Film über
„AI - Artificial Intelligenze“ (2001), der aus “jahrelanger
Gedankenarbeit resultierte“ (so der Regisseur in einem
Interview), die Frage ob Roboter oder Mensch
nicht zuende dachte, so ist „I Robot“ auch hier irreführend.
Es könnte nämlich der Eindruck entstehen, dass
Intelligenz kurz davor sei, Roboter mit Bewusstsein zu
bauen. Doch nichts könnte der Wahrheit ferner liegen.
Das einzige Bewusstsein, das tatsächlich existiert, wird
von menschlichen und tierischen Gehirnen erzeugt.
Jeder Versuch, es künstlich herzustellen, müsste
ein Gehirn duplizieren können. Indes sind wir heute weit
davon entfernt, das zu schaffen, weil wir bis heute nicht
wissen, wie das Gehirn es schafft.

Künstliche Intelligenz erstellt bisher nur Computermodelle
der Hirnprozesse. Ein Computerprogramm, welches
die Hirnprozesse simuliert, verhält sich zu den tatsächlichen
Hirnprozessen, wie ein Computermodell der Verdauung sich
zur tatsächlichen Verdauung verhielte.
Über die Möglichkeit, einen Roboter mit Bewusstsein zu bauen,
könnte man in der Tat einen guten Film machen.
Wir können ein Kunstherz herstellen, das Blut in die Adern
pumpt. Warum sollte es nicht gelingen, irgendwann ein
künstliches Hirn zu bauen, das gewissermaßen Bewusstsein
entwickelt, sich also selbst in einen bewussten Zustand zu
versetzen, genau wie ein echtes Gehirn? Spekulativ,
wenig realitätsbezogen?
Dieser Film schafft es nicht, auch nur annähernd zu
problematisieren.
So bleibt die strikte Anleihe an Isaac ASIMOV. Und hier
an seine Kurzgeschichte „Bicentennial Man“. Auch dort
beschreitet der Roboter Andrew einen schwierigen Weg
zur Menschwerdung.

Wer ist Roboter, wer Mensch? Für Will SMITH
(„Men in Black“, Regie: Barry SONNENFELD, 1997,
Independence Day“, Regie: Roland EMMERICH,
1995, “Der Staatsfeind Nr. 1“, Regie: Tony SCOTT, 1998,
„Legende von Bagger Vance“, Regie: Robert REDFORD,
2000), der mit „Ali“ (Regie Michael MANN, 2000)
vielleicht seine beste Rolle ablieferte, (er-)öffnen sich
diese Perspektive. Und sie zeigen die Bedrohung, der
die Menschen angesichts der überwältigen Vielfalt dieser
artifiziellen Lebewesen ausgesetzt sind. In zunehmender
Perfektion spiegeln sie menschliche Eigenschaften und
Verhaltensweisen, die ihnen scheinbar selbst immer
mehr abhanden kommen.
Auf der Suche nach einem Äquivalent für die absolute
Lebensfähigkeit verlieren sich alle Beteiligten
im zeitlosen Datenmaterial. Deshalb ist auch
„I Robot“ ein albernes Werk, in dem viel
Dichotomie steckt: auf der einen Seite der kalte
Maschinenpark, auf der anderen, der gutherzige
loyale Sunny. Der Ausnahmeroboter mit menschlichem
Antlitz knipst ein Auge und ihm fehlt nur noch
ein Tränenkanal und Schweißabsonderungen
auf der Stirn.

Realität bekommt immer einen neuen Bezugspunkt,
wenn sie in neue Programme übertragen wird.
Da wird der Mensch schnell zum Roboter, zum
menschlichen Roboter, der ständig dem Edieren,
dem Revidieren und dem Modifizieren unterliegt. In
der schnelllebigen Welt des Computerzeitalters
ändern sich Realitäten mit solcher Geschwindigkeit
dass selbst wissenschaftliche Wahrheiten
Hindernisse und letztlich verzichtbar werden.
Was wir heute wissen, ist morgen überholt und damit
zeitlos gemacht.
Das wäre ungefähr das, was die „Matrix-Trilogie“
an wichtigen Fragen problematisiert hatte.
Ein neues Zukunftsbild müsste sich dem stellen.
In der Computerutopie gibt es keinen jüngsten Tag
und kein finales Ende der Geschichte.
Zeit ist zur Information geworden, die Information
vermutlich unsterblich.
Setzen wir im Glauben an die Information, dann wird
das Heil denen gehören, die damit im Sinne eines
simulierten Kreativismus umgehen werden; denn
die Information kann gegen die Zerstörungskraft
der Zeit geschützt werden. Sie wird nicht schlecht
und verfault nicht, sie wird nicht aufgebraucht.

Die kommende Computer- oder Roboter’kultur’
wird die Programme so anlegen, dass sie mehr und
mehr Vorhersageinstrumente werden.
In der diagnostischen Medizin beginnen die
Computerroboter, die einst gesicherte Funktion
längerfristig abzuschaffen. Schon heute operieren sie
weltweit mit zunehmendem Erfolg.
Sie werden benutzt um weltweite Wettermuster
vorherzusagen. Sie sind bereits in der westlichen
Ländern integrierter Bestandteil des
Wirtschaftslebens. Wirtschaftstrends,
wechselnde Marktbedingungen, Kundengeschmack
usw. werden durch sie vorhergesagt.
Joseph WEIZENBAUM, ein Pionier der
Künstlichen Intelligenz, gab zu Protokoll:
„Kein Dramatiker, kein Regisseur, kein
noch so mächtiger Kaiser hat je solch absolute
Autorität ausgeübt, um eine Bühne oder ein Schlachtfeld
zu arrangieren und so unbeirrbar pflichttreue
Schauspieler oder Truppen zu kommandieren.“
(zitiert nach RIFKIN).

Heute haben die raffinierten Computermaschinen
Zugang zu den intimsten Details im menschlichen
Leben.
Es gibt sogar bereits schon Computernetzwerke,
die festhalten, wann man das Haus verlässt, den
Fernseher einschaltet usw.
Sie wissen, was man im Jahr verdient, wie viel man
auf dem Girokonto hat, welche Art von Käufen man
in den letzten Monaten getätigt hat, auf welche Art
man Ferien macht usw.
In dieser Zeit ist Information Macht und diese Macht
wird sich immer mehr in den Händen eines
kleinen Klüngels von öffentlichen Bürokraten und
riesigen Konzernen zentralisieren.
Etwa zweithundert Weltkonzerne, die auch eine
eine Zeitwelt der Computer- und Roboterära
einläuten, kontrollieren heute fast 80 Prozent der
Weltproduktionsmittel. Der Computer
ist die Kommunikationsmethode, die Mikrowelt der
Silikonchips und elektronischen Schaltkreise, die
die Daten und Informationen hüten.
Doch mechanische Ersatzkinder wird es nicht
geben. Sie können mit dem Fuß umgestoßen werden.
Sie lassen sich wohl kaum zur bedingungslosen Liebe anleiten.
„I Robot“ ist nicht David aus „A.I.“, der hier ja als
Kristallisationsfigur diente. Dieses mechanische Lebewesen,
das in der Welt eines vereinsamten Ehepaars leben durfte,
war tatsächlich ein „I Robot“.
Er erwiderte sogar die Gefühle.
„I Robot“ mit Will SMITH lebt davon, dass die mechanischen
Helfershelfer zu Widersachern und zur unwillentlichen
Bedrohung werden.
Das ist hübsch anzusehen, nimmt einen jedoch nicht wirklich
gefangen, wie das noch bei SPIELBERG ansatzweise
der Fall war.
Der Kitsch in diesem Film scheint höchste Vollendung zu
sein; denn er gipfelt in dem klassischen Zauberlehrlingsmuster.
Die Geister, die Will SMITH rief, wird er nicht mehr los.
Er, der selbst von einem Roboter gerettet wurde, muss
sich nun mit martialischer Gewalt als cooler Held beweisen.
Die Seelenverwandtschaft ist nicht zu übersehen.
SMITH gibt am Ende des Films Sunny die Hand:
Maschinenmoral, Maschinenethik, Maschinenbewusstsein.
Wer sucht hier welche Seele?

Man begegnet einem Film, der im Jahre 2035 spielt.
Die Roboter drehen durch und Will SMITH rettet die
Welt, mechanisch versteht sich!
Blechmänner mit eingebauter Moral (einer davon
heißt Sonny) stehen unter Mordverdacht, sie knallen
durch, sie halten sich nicht an die Gesetze, das Desaster
mit diesen Horden läuft aus den Rudern. Die Spiele sind
eröffnet. Der Film, der im übrigen auf die Paradigmen der
50er Jahre zurückgreift zeigt in der Fülle computeranimierte
Schaltkreise. Wenn sie mutieren, dann leuchtet ihr Brustkorb
rot auf.
„I Robot“ „sei interessant“ bemerkte Thomas CHRISTALLER
vom Frauenhofer Institut für Autonome Intelligente
Systeme (AIS) in Sankt Augustin, und fügte hinzu:
„Ich würde gern zu meinen Lebzeiten ein richtig
künstlich intelligentes System sehen.“ (zitiert nach
„Die Zeit“ vom 29. Juli 2004).
Das Problem wird irgendwann entstehen. Immer noch
ist ein Mensch für das Tun einer Maschine
(z. b. Programme schreiben) verantwortlich.
Vermutlich werden in der nächsten Zeit
Computerchips mehr lebenswichtigere Entscheidungen
treffen als uns lieb sein kann.
Künstliche Intelligenz kann den Punkt erreichen, an dem die
Maschinen so schlau sind, dass sie sich selbst
ständig verbessern und binnen kürzester Frist die
Intelligenz des Menschen in den Schatten stellen
könnten.
Es käme dann darauf an, sich Gedanken darüber zu
machen, ob diese Superintelligenz gut oder böse
zu sein hätte.
Aber kann man Ethik und Moral, überspitzt
formuliert, überhaupt installieren?

Fazit: Mit dieser offenen Frage schlägt man sich als
interessierter Laie herum, wenn man aus dem Kino
kommt.
Kann man Gesetze verdrahten, wird es autonome
Maschinen geben, brauchen sie Freiheiten, wenn
ja, welche?
Und wie wäre das mit den zwischenmenschlichen
Beziehungen?
Und die wichtigste Frage: wenn es Maschinen gibt,
die eine dem Menschen vergleichbare Intelligenz
haben, muss man ihnen dann auch vergleichbare
Rechte zugestehen?
„I Robot“ stürzt bei dieser Fülle von Fragen ab.
Selbst dann, wenn sie niemand für relevant halten
sollte, so ist dieser Film, der nur von seinen
Digitaleffekten und Action lebt, ein Ärgernis,
der eine zusammengeklatschte Geschichte mit
einem Turnschuhhelden in einem futuristisches
Ambiente verkaufen möchte.
Hier sind die Effekte nur Halbwahrheiten und das
Science Fiction Kino ist dabei, daran zu ersticken.

Dietmar Kesten 6.8.04 17:19