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Kill Bill - Volume 2

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Kill Bill - Volume 2 Dietmar Kesten 24.4.04 11:41

KILL BILL VOLUME 2

DER SADISTISCHE ZUG ZIEHT WEITER

von DIETMAR KESTEN, GELSENKIRCHEN, 24. APRIL 2004.

„Findest Du mich sadistisch“ fragte Bill (David CARRADINE)
fürsorglich, bevor er ‚Die Braut’ (Uma THURMAN) für die nächsten
Jahre ins Koma und ihren Mann auf den Friedhof schickte.
In „Kill Bill Volume 1“ rief sie sich in Erinnerung. Sie erledigte
die Todesengel Vernita und O-Ren-Ishii, den Killer
Go Go Yubari.
In einem blutigen Schlachtwerk mussten viele Dutzende
Elitekämpfer ihr Leben lassen, oder für immer auf Gliedmaßen
verzichten. Am Ende stand die Kriegserklärung: jetzt wird
endgültig abgerechnet.
Der Blutdurst ‚Der Braut’ ist nicht gestillt.
Drei weitere Namen stehen auf ihrer Todesliste.
Bills Bruder Budd (Michael MADSEN) und ihre ewige Rivalin
Elle Driver (Daryl HANNAH) müssen beseitigt werden, bevor sie
sich Bill in dessen Unterschlupf in Mexiko vornehmen
kann. Der Weg dorthin ist aus Granit. Und so beginnt der
Showdown bereits mit dem ersten Schwertschlag.

Alle diese Bilder, die TARANTINO auf die Leinwand projiziert,
reden von Erlösung. Doch von welcher?
„Kill Bill“ ist mythisch im ursprünglichen Wortsinn. Hier findet
Erkenntnis mit geschlossenen Augen statt. Der Sinn seiner
Geschichte ist oberflächlich und ohne Tiefe.
Da wird man deutlich an die Politik erinnert, an deren Ende die
Lust auf Amok und Gewalt steht, auch wenn das TARANTINO
strikt zurückweisen würde.
In einem solchen Kinoklima des schrittweisen Realitätsverlustes,
paart sich die Paranoia mit der schwindenden Hoffnung darauf,
dass die Selbstzurichtung zu Kinounfreien jemals enden wird.
Denn im Kino wird man auch mit TARANTINO zu verbrämten
Fundamentalisten, die um der Ideologie willen sich in Gangs
oder Banden zusammenschließen, um gegeneinander zu
kämpfen.

TARANTIO sagte einmal, dass “die Welt voller Gewalt sei“.
Das ist unumstößlich.
Doch wenn sie halluziniert wird, wie in „Kill Bill“, wo die
Mordbuben verschiedener Schattierungen, auch wenn es
nur Schemen sind, im Treibhaus der Gewalt das muntere
Spielchen ohne wenn und aber fortführen, dann ist das die Lust
auf Gewalt, die Lust auf den endgültigen Befreiungsschlag
im Kino.
Hier wird Amok, der von Tätern, Übervätern, ‚Der Braut’,
ihren Peinigern, dem Clan, der Verschwörung oder sonst wem
ausgeübt wird, freilich gar nicht mehr als Wahnsinn
wahrgenommen, sondern als Bestrafung und Moral.

Im Kino von „Kill Bill“ bringt das Töten den Wettbewerb mit sich.
Eine weitere Parallele zur Politik bricht sich hier Bahn.
Denn Tod und Vernichtung ist ihr Ausgangs- und Endpunkt
der äußersten Machtentfaltung in einer Welt des Niedergangs,
mit dem illusionären Zweck, Sicherheit und Funktion zu
gaukeln, um sie dann gleichsam so lange wie möglich
aufrechtzuerhalten.
Das Kino des kalten Blutes mit Überlegung hat in diesem
kurzen Kinojahr für mehr negative Schlagzeilen gesorgt
als je zuvor.
Aber dieses Versagen ist nun noch größer geworden.
Tod und Vernichtung den anderen, das ist die Grundkonzeption
von „Kill Bill”.
Und keineswegs ist Teil 2 weniger blutrünstiger als sein
Vorgänger. Im Kampf mit Elle Driver stößt ‚Die Braut’
ihr ein Auge aus, dass dann noch genüsslich und
widerwärtig zertreten wird. Das ist wie ein zum Einsatz
kommendes ‚Hattori-Hanzo-Schwert’.
Es ist allgegenwärtig; denn darum herum hat TARANTINO
seine Geschichte aufgebaut.

Wer darauf setzt, der findet sich sehr schnell dort ein,
wo sich der technisierte Amok heute wiederfinden lässt:
im Kino des Selbstbetrugs, wo bereits jeder Regisseur von
Rang und Namen auf Logistik, auf hartes Training, auf die
Pump-Gun setzt, damit die Einschüchterungen, Entmutigungen
und Unterdrückungen nicht mehr als Wahnsinn wahrgenommen
werden, sondern als (staatliche) Sicherheitspolitik, als
(religiöse) Notwendigkeit, als Strafgericht, als Ideologie mit allen
möglichen Schattierungen.
Mit „Kill Bill Volume 2“ wird diese Form des Amoks zum
Selbstlauf von Geschäft und Macht; denn bei der Rache-Saga
gibt es keine Versöhnung, weder im Kino noch bei
TARANTINO.
Und das wiederum folgt dem automatisierten Kreislauf
von Schuld und Sühne, und damit einer Gerechtigkeit,
die nur mit dem Etikett pervers umschrieben werden kann.

TARANTINO hat sich vielleicht unbewusst mit
seinem Fortsetzungsstreifen auf einen sehr gefährlichen Pfad
begeben: anstatt die zugespitzten Stumpfsinnigkeiten des
Kinos der Gewalt in der Moderne in behütete Bilder zu
packen, wie es ihm noch mit „Reservoir Dogs“ (1992) und
„Pulp Fiction“ (1994), mit Abstrichen in „Jackie Brown“ (1997)
gelang, sucht er nun den Totentanz und die Selbstvernichtung.
„Kill Bill“ ist sein dunkelster Augenblick. Selbst dann, wenn
man seinen zweiten Teil als tragische Love-Story interpretieren
sollte, als Hommage an die Spagetti-Western oder
sonst wen.
Und in diesem ist Uma THURMAN der Kopfteil eines immer
drastischer und ziellos gewordenen Gewaltkinos.
Sex und Gewalt, Horror und Ekstase, Schaulust und
Überwältigung. Das Leben selbst verdichtet sich bei
TARANTINO zum visuellen Schock.

TARANTINO versucht hier alles unter einen Hut zu bringen:
seine Helden sind aufgemotzt, sind Saurier im Wohnzimmer,
Amerikaner im Endzeit-Fieber, Blut- und Gemetzel- hier
versteht man nichts von den Charakteren, die auftauchen und
wieder verschwinden, aber viel von den fadenscheinig,
aufgesetzten und verkrampften Ausgangsideen.
Statt in den Abgrund des Kinoalltags hineinzuleuchten,
ruiniert er sich selbst, er zertrümmert sich, den Lauf des
Geschehens.
Dass diese Geschichte schon tausendmal erzählt worden
ist, wäre kein Grund zur Kritik.
Aber das sich hier das eigentliche Menetekel wiederfindet:
der Untergang einer gewöhnlichen Geschichte, das ist
viel bemerkenswerter.

Der Verfall des Stoffes „Kill Bill“ liegt auch an der Härte
dieses kruden Showgeschäftes.
Denn mit der Mischung von Verlierern und Killern
strebt dieses Kino dem Untergang entgegen.
Routiniert fährt TARANTINO die Gräben ab.
Die Agonie der Phantasie lässt ihn nicht zur Ruhe kommen.
Er versucht eine Lücke zwischen Action, Clips und
Serienmorden zu finden.
Herausgekommen ist ein Zuschussgeschäft. Hier sind Jäger
die Hauptfiguren, die nur bloße Marionetten des Spiels
sind, über die Köpfe der Mörder hinweg. Und er spielt mit
den Zuschauern, dass sie ihn doch endlich wieder annehmen
sollen. So hat er drastische Schlachtenszenen aus seinem
2. Teil herausschneiden lassen, um auch wohl auf diese
Weise zu Konzessionen bereit zu sein.

Die Kamera weidet sich genüsslich an seinem Schlachtgemälde.
Und jede neue Leiche, die entdeckt wird, ist wie ein Stilleben
der Tat.
Was darüber hinaus passiert, ist nur die Einfassung für alle
Bluttaten.
Kein anderes Filmgenre hat es in der Abkehr vom
Menschlichen soweit gebracht wie diese Art des Terrors,
der Massaker und des Amoks im Kino.
„Kill Bill“ als Gesamtwerk ist ein Film aus dem tiefsten Mittelalter
in einer modernisierten Welt.
Jetzt gehen im Kino die Lichter aus, der Zuseher wankt mit
den Gewalttaten ins Freie. Doch da sind immer noch all die
alten Bilder, die alten Geschichten, aus denen das Kino
seine Faszination zieht. Es ist an der Zeit, dass
serial killer, diese heimtückischen Inszenierungen, die Gralshüter
dieser verabscheuungswürdigen Taten aus dem Kino
verschwinden. Das wahre Kino benötigt dies alles nicht mehr.

Fazit: Tarantino wird als Regisseur leider mehr und
unbedeutend.
Mit „Kill Bill“ bleibt er weit hinter seinen
Möglichkeiten zurück. Im Bluttribunal, im Gemetzel,
und im siechenden Tod bleibt nur noch die Perversion.
Je verbissener er im Kino nach Höherem strebt,
desto tiefer fällt er und dieser Film in die Banalität.

Dietmar Kesten 24.4.04 11:41