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Michael Bay's Texas Chainsaw Massacre

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Michael Bay's Texas Chainsaw Massacre Dietmar Kesten 3.1.04 14:38
Scream Alexander Leeser 25.1.04 23:19

TEXAS CHAINSAW MASSACRE

UND IMMER WIEDER SÄGT DIE KETTENSÄGE

von DIETMAR KESTEN, GELSENKIRCHEN, 3. JANUAR 2004.

Marcus NISPEL, deutscher Werbe- und Musikclip-Regisseur, legt
mit Hilfe von Produzent Michael BAY den Horror-Film
„Texas Chainsaw Massacre“ im Kino neu auf. Die Fragen dürften gestellt
werden: bietet der Film tatsächlich etwas neues, oder ist er nur
ein weiterer Meilenstein der aufkommenden Renaissance dieses Genres
im Kino?
Der Fortschritt zum Rückschritt ist im Film manchmal lobenswert.
Wenn viel Wahn dabei ist, wenig Sinn und blutige Sequenzen, dann sollte
man sich klar machen, dass der ausgelatschte Weg bekannter
Slasherfilme leider auch vor „Texas Chainsaw Massacre“ nicht halt macht.

Das „Blutgericht in Texas“ vermischt bekannte Motive aus Klassikern
der 70er Jahre: etwas aus „Hügel der blutigen Augen“ (Wes CRAVEN, 1977)
und der ersten Folge von „Texas Chainsaw Massacre“ (Tobe HOPPER, 1974).
Neben Danny BOYL, der mit seinem Untotenfilm „28 Days Later“ (2003) eine
retrospektive Huldigung bekannter Schocker wagte, und mit dieser
düsteren Hommage an George A. ROMERO (etwa: „Two Evil Eyes“, 1990
und “The Dark Half”, 1993) den grunzenden Unholden im Kino freien Raum
ließ, haben nun NISPEL/BAY einen physischen Angriff auf das Publikum
gewagt.

In konventionellem Grusel durchstreift die Kamera jenes Gelände
der verrückten Kannibalenfamilie, mit der sich eine Gruppe von Teens
im Clinch befindet. Auf der Suche nach Hilfe für eine psychotisierte
junge Frau, die sich kurze Zeit später in dem Auto der jungen Leute
erschießt, müssen sie erfahren, dass die Kettensäge Jagd auf die
ahnungslosen Stadtmenschen macht.
Der fiese Abstieg in den Wahnsinn beginnt.
Stilsicher, aber wenig spannend inszenieren NISPEL/BAY einen Film,
der von seiner Schablonenhaftigkeit lebt.

Dass eine ‚moderne’ Neuverfilmung sich immer an der Ursprünglichkeit
messen lassen muss, ist keine Frage.
Fragwürdig wird das dann, wenn dieses Genre sich scheinbar selbst
wiederbelebt und sich nur noch von seiner morbiden und unangenehmen
Art zeigt.
Die berüchtigte Horrorfigur ‚Leatherface’, die als frustrierter Teenager mit Gesichtsmaske herumläuft, kann kaum beeindrucken; denn sie
stößt auf Ablehnung und Skepsis. Nicht nur weil die Schocker-Einlagen
aufs comichafte reduziert werden, sondern deshalb, weil versucht wird,
Ängste in den Kopf zu setzen.

Für eingefleischte Horrorfans mag das je gerade das Salz in der Suppe
sein, doch das Gefühl des beständigen Ausgeliefertseins und des
Nicht-Entrinnen-Könnens erinnern an die Bedrohungen durch den
Terrorismus und jenen ‚Schwarzen Mann’, der nachts, wenn es
dunkel wird, die kindliche Phantasie durchstreift.
Die bisweilen sehr harte Neuverfilmung, die im übrigen auch nichts
für schwache Nerven ist, wendet sich zum Ende des Filmes mehr und
mehr gegen den Zuschauer und bedroht ihn selbst.

Die Grenze zwischen Phantasie und Realität, zwischen Fiktionalem
und Faktischem, ist gerade im Horror ein unentwegter Gang zwischen
den Klippen.
Der Wahnwitz dieser und ähnlicher Filme begann bestimmt mit
HOPPER und seinem Film „Texas Chainsaw Massacre“ von 1974.
Für die meisten Rezensenten der Beginn einer Welle
von „phantasielosen-grobschlächtigen“, nur auf „blutrünstige
Schockeffekte“ und „ekelerregende Schlachtfeste“ reduzierten
Gewaltfilmen.

Es kann nicht verhehlt werden, dass die heutige Neuverfilmung
hier gnadenlos anknüpft.
Der unbekümmerte Umgang mit der Gewalt und drapierten Toten,
mit Fleischerhaken, Eingeweiden und ungeklärten Vorfällen, das
plötzliche Auftauchen der rohen Kraft, Brutalität und Tod
ist ‚desaster movie’.
Die Gewaltverherrlichung, die unterschiedlich motiviert auftaucht,
direkt oder indirekt thematisiert, und die im Film mit einer
diffusen Kausalität unterlegt ist, sollte die kritische Auseinandersetzung
nicht scheuen.
Wenn auch das überwiegend jugendliche Publikum diesen Film
wegen seiner Unbekümmertheit, mit dem das Genre des Horrors
hier antritt, eventuell mögen wird, so sägt sich die Kettensäge hier selbst
ins Bein.

Fazit: Die täglich erfahrbare Gewalt, das Sinken der Hemmschwellen
bei Gewalttaten und das Vorpreschen von Gewaltorgien in Staat
und Gesellschaft machen ständig betroffen.
Wenn das Hereinbrechen des Grauens in die vertraute Gegenwart
das Publikum überrascht, man ‚beteiligt’ an abartigen Morden wird,
dann ruft das auch Assoziationen zum realen Alltag hervor.
Die endgültige ‚Gefahrenbereinigung’ erscheint nicht mehr glaubhaft
zu sein.

Dietmar Kesten 3.1.04 14:38