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Van Helsing

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Van Helsing Dietmar Kesten 7.5.04 15:10

VAN HELSING

GIPFELTREFFEN DER PARANOIA

von DIETMAR KESTEN, GELSENKIRCHEN, 7. MAI 2004.

Der Vampirjäger Van Helsing tauchte erstmalig
in „Bram Stoker’s Dracula“ (Regie: Francis Ford COPPOLA, 1992)
auf.
Und er erklärte dort: „Mein Leben, mein Job, mein Fluch ist es,
das Böse zu vernichten.“
Der größte Vampirjäger aller Zeiten tritt im gleichnamigen
Film als Erlöser, wahrer Helfer und Todesengel auf.
Er ist entschlossen bei seinem neuen Auftrag, der ihn nach
Transsylvanien führt, seiner Bestimmung nachzukommen.
Dort hat Dracula (Richard ROXBURGH) Frankensteins
Monster entführt. Mit seiner Hilfe will er einen Keller mit
Vampirlarven zum Leben erwecken.
Und so erweckt der moderne James Bond sie, um sie mit
Waffen, Knoblauch, Holzpflock, Kruzifix und Silberkugel gleich
wieder zu killen.
Gleichzeitig plagt er sich mit weiteren Legenden aus dem Bereich
des „literarischen Gruselkabinetts“ (so der „Prinz“ in seiner
Mai Ausgabe) herum.
Mit von der Partie sind Dr. Jekyll Mr. Hyde, Dracula,
Frankenstein (Shuler HENSLEY), Draculas Bräute, Wolfsmenschen,
Vampire, Dämonen, Hexen und weitere Gestalten aus dem
Monstermuseum.
Unterstützt wird Hugh JACKMAN, der im Film „Van Helsing“
einen Solopart hat, von der Aristokratin Anna (Kate BECKINGSALE),
und dem schrulligen Carl (David WENHAM).

Der Film, der ein Budget von ca. 148 Millionen Dollar aufweist,
wurde nahe Prag gedreht, und diese dunkle Story sagt viel über
die Mythologie im Kino aus.
Für JACKMAN ist es nicht die erste Rolle, in der er, die
Gehirnbühne betretend, mit Provokationen und dann mit
Konfrontationen aufwartet.
Bereits in „X- Men - Der Film“ (Regie: Bryan SINGER, 2000)
geisterte er als Mutant ‚Wolferine’ durch eine fade Story.
Und sehr bald wurde klar, dass diese kommerzielle Schiene
Nachfolger haben musste; denn für die deutschen
Kinogänger musste der Kinospaß ohne Nörgelei und
Muckerei im Vordergrund stehen. „X- Men 2“
(Regie Bryan SINGER, 2003) war daher nur eine Frage der
Zeit.
Und der Publikumserfolg dieser Folgen, die als
Entsprechung zur technisch-wissenschaftlichen Zivilisation
sich warnend emporhoben, waren dann bei näherem Hinsehen
doch nichts anders als eine Ansammlung irrealer Elemente
(technische Spielereien, Science-Fiction) von Mythen
und phantastischen Erzählungen.

Der Mythos der Monsterkiller ist unbestreitbar ein Produkt
unserer Zeit und des Zeitgeistes.
In dem angstvollen Umgang mit Normalität und Wahnsinn,
ziehen diese unheimlichen Figuren bereits seit 1931
durch die Kinos.
„Frankenstein“, dessen Geschichte von James WHALE
1931 verfilmt wurde, hatte als zentrales Leitmotiv
die Erschaffung eines künstlichen Menschen und der
Bestrafung einer solchen Hybris zum Inhalt. 1935
verdichtete sich das Drama noch einmal in „Frankensteins Braut“.
Diese Filme, die als Pionierwerk des Gothik- Grusel
gelten dürfte, hatte die Gestalt des Monsters
in die Bilder der Prager Altstadt gepackt.
Hier trieb es der Filmemacher mit dem ausgeprägten Hang
zur Verrätselung und Mystizismus auf die Spitze, und
beschwor eine Welt der Imagination, in der die
projizierten Geister übermächtig erscheinen.
Auch die „Frankenstein“ Reihe (1931- 1939) mit dem überragenden
Boris KARLOFF ruft in Erinnerung, dass hier
vermessene Wissenschaftler monströse Geschöpfte nur zu
ihrem Selbstzweck (er-)schaffen.

„Van Helsing“ ist nun der ehrgeizige Versuch, diese
vielgeschmähten dämonischen Leinwandabenteuer
endlich in die Nähe der verweigerten Anerkennung
und der Aufmerksamkeit zu rücken.
Die Spannungshöhepunkte sollen durch die
Actionseinlagen gehalten werden, und die auftretenden Monster,
die als grausam-destruktive Wesen konzipiert sind,
finden hier eine Parallele zur stetig emotionalen
Lenkung der Zuschauer.
Das, was sich im 19. Jahrhundert in den populären Mythen
herausgeschält hatte, in der Hässlichkeit,
in dem Geheimnisvollen, in der Perversität, kann hier
Gestalt gewinnen. Der Populärmythos einfacher Kategorie
entsteht auf diesem Boden.

Stephen SOMMERS („Gunmen“, 1994,
„Die Mumie“, 1999, „die Mumie kehrt zurück“, 2001,
„The Scorpion King“, 2002), der hier mit einer Effektshow
antritt, um Dracula um das ewige Leben zu bringen, der seinen
besten Mann mit Stil, Outfit und Waffen in eine Treibjagd schickt,
und der alte Legenden wiedererweckt, investiert hier mehr in
die Symbolsprache eines Films, der von Schuss- Gegenschuss,
Außen- und Innen lebt, Oben- und Unten- bis zum Finale hin.
Es sind kurze Episoden einer trügerischen Idylle, die sich
mit jener symbolischen Bedeutung decken, die in ähnlichen Filmen
(vgl. etwa „Interview mit einem Vampir“, Regie: Neil JORDAN, 1994)
thematisiert wurden, und die sich auf einen einfachen
Nenner bringen lassen: der Einbruch des Übernatürlichen,
das Gefühl der Verunsicherung, die phantastischen Ereignisse
brechen einfach über uns herein, und wir können uns nicht
dagegen wehren.

In „Van Helsing“ verbinden sich angstvolle Erwartung und
drohende Katastrophe; denn mit dem Erscheinen der Monster
bildet sich eine ‚Normalität’ heraus, die in den florierenden
Horrorfilmen das Sensationsbedürfnis des Publikums bestens
zu befriedigen scheint.
So ist zu erklären, dass der Horror-, der Splatter-, oder
der Gothik- Film davon lebt, dass er in einer Zeit den
Kinozuschauern vorgesetzt wird, wenn die Arbeitsplätze in
Gefahr sind, die Verhältnisse zur politischen Macht gespannt
sind, und die wirtschaftlichen nebst psychologischen
Grundlagen der Familien bedroht sind, insgesamt alles
in Aufruhr erscheint und nichts sicher ist.
Nicht anders dürfte es zu erklären sein, dass Ängste und
Aggressionen in einem bisher nie gekannten Ausmaß im
phantastischen Film auf die Besucher niederprasseln.

„Van Helsing“ reiht sich dort ein, wo in die Phalanx der
älteren Werke eingebrochen werden soll.
Neben „Frankenstein“ war es „Dracula“ von
Tod BROWNING (1930), „Dr. Jekyll und Mrs. Hyde“
(Rouben MAMOULIAN, 1931), „King Kong und die weiße
Frau“ (SCHOEDSACK/COOPER, 1931), die durch eine Reihe
von heutigen Gemeinsamkeiten zu Stephen SOMMERS
auffallen: in allen Filmen wird der Einbruch eines
gefährlichen Halbwesens in die bestehende Ordnung
dargestellt.
Die Wiederherstellung der Ordnung kann nur durch den
‚Master of Desaster’ bewerkstelligt werden: durch die
Zerstörung der Eindringlinge.
Die Halbwesen, künstliche Menschen, Vampire,
gespaltene Persönlichkeiten, Menschenaffen (King Kong)
dienen als Projektionsfigur für diffuser menschlicher Ängste.

Diese Ängste (von einer außer Kontrolle geratenen
Moderne, moderne Wissenschaften etc.) sind der gemeinsame
Kristallisationspunkt jener Filme, die die unerwartete Wiederkehr
(als bildliche Chiffre verstanden) eines durch den
Zivilisationsprozess überwunden Geglaubten, wie er sich in der
Gestalt dieser Halbwesen verkörpert, des Schreckens
manifestiert.
Das ist pure Regression, Regression als Selbstzweck.
Und diese Regression wird in „Van Helsing“ als Wiederkehr
der verdrängten Urträume transparent gemacht.
Die Lektionen des Schreckens, die hier erteilt werden,
stellen sich als die Zerrissenheit des modernen Menschen
dar, als zerstörte Einheit von Leib (Natur) und Geist (Seele).

Der Irrationalismus der verschiedenen Spielarten hat sich
im übrigen in der gesamten modernen Filmgeschichte
als spirituell geoutet, und stets das Gefühl und den Instinkt
angesprochen.
Die Misere der modernen Welt wird in diesen Filmen
nicht auf den materiellen-gesellschaftlichen Widerspruch
zurückgeführt, sondern auf eine Überreizung mit
dem Kult der Gefühle und des Körpers.
Da wundert es niemanden mehr, dass dieser ‚Verkopfung’
hier im Film mit dem Dunkelschöpferischen schwanger
geht, dass der Geist als lebensmörderisch verpönt,
jetzt munter in das Seelendunkle marschiert, als Aufbruch
zu neuen Ufern, um Abenteuer zu erleben, wie es gekonnt
der expressionistische Stummfilm
„Nosferatu“ (Regie: Friedrich Wilhelm MURNAU, 1921)
zur Geltung brachte.

„Van Helsing“ beweist nur, wie schlecht Mystifikation
für den menschlichen Geist ist.
Offensichtlich reicht es nicht mehr, ein gutes Herz zu
haben, wenn es als kalt und lebensmörderisch
diffamiert wird.
So frönt diese Gothik- Renaissance, diese Filmszene,
die neoreligiösen Tendenzen, in jeder Hinsicht dem
Transzendenten, dem Unerklärlichen, dem irrational-verbrämten
in der Moderne.
„Van Helsing“ zeigt, wie fragwürdig der reine Konsum
dieser mystifizierenden Filmganzheit sein kann.
Wer heute im Film Eindruck machen will, inszeniert sich
als sensitiver Körpermensch mit einem dekorativen
Vorrat an Gebärden, an Figuren, an Posen, an Sprüchen,
an Unholden und Monsterfiguren.
Das Paranomale schließlich vollendet die Hinwendung
Des uralten Wissens mit der lebendigen Seele, in der
auch nach der Quersicht dieses Films die ‚emotionale
Erkenntnis’ Platz haben muss.

Fazit: Diese Botschaft ist nicht verschlüsselt.
Und der Code dieser Symbolik ist mit rationalem/
philosophischen Verstand zu knacken.

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Dietmar Kesten 7.5.04 15:10