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Der Exorzismus von Emily Rose

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WIRRWARR Dietmar Kesten 10.1.06 19:00

DER EXORZISMUS VON EMILY ROSE

WIRRWARR

von DIETMAR KESTEN, GELSENKIRCHEN, IM DEZEMBER 2005.

Eigenartig sind klerikale Vorstellungen sowieso. Warum sollten die Menschen erlöst werden, warum sollte ihnen vergeben werden, und warum sollten sie nach ihrem irdischen Tod ein anderes Leben jenseits ihrer Vorstellungen wiederfinden? Die Beantwortung dieser Fragen ist so alt, wie die Kirche selbst. Und in der Regel werden sie mit dem Schöpfer oder Gott beantwortet. Provokant sei formuliert, dass niemand die Welt erschaffen hat, dass kein Gott für irgendjemand gestorben ist. Und dass es kein Leben nach dem Tode gibt. Es ist nicht nur die christliche Dogmatik, die uns zum falschen Denken verleitet. Die politischen Parteien, dass sei ebenfalls angemerkt, tun oft den gleichen Dienst, indem sie Programme aufstellen, das die Mitglieder ihrer Partei zu Dingen verpflichtet, die weder vernünftig noch moralisch verantwortlich sind. Dass Religion „Opium des Volkes“ sei, hatte schon Karl MARX festgestellt. Durch die Kirchengeschichte zogen sich immer eigentümliche Bräuche, Lehren, Verirrungen, Verwirrungen, phantastische Konstruktionen, Ermahnungen, Verbote, Verfolgen und Kriege, mythologische Vorstellungen und Exerzitien. Der ganze klerikale Aufguss ist nichts anders als ein System der Unterdrückung, der Kontrolle, der Machtausübung, der Kälte, des Hass, der Dressur, der Knechtung der Triebe, der blinden Unterwerfung.

Besonders die außergewöhnlichen Dinge sind es, die hierbei für Aufsehen sorgen: angefangen von sogenannten Wundern bis Teufelsaustreibungen ist alles dabei, was ein gläubiges klerikales Herz höher schlagen lässt. Mittelalter in der Moderne, so könnte man denjenigen Teil des Klerus bezeichnen, der ‚Besessene’ befreien oder heiligen will. Dabei spielen Exerzitien jeglicher Art eine entscheidende Rolle. Und es sind nicht nur Wege der Übung, der Erfahrung, oder der Verwandlung, die hier eine maßgebliche Rolle spielen, sondern es geht dabei letztlich auch um einen Weg, der aus einem sündhaften ‚Leib’ einen ‚verwandelten’ und ‚erlösten’ macht. An diesem Punkt setzt der Film „Der „Exorzismus von Emily Rose“ (Regie: Scott DERRICKSON) an.

Der Film will als Horror - Gerichtsthriller gelten, ist aber nur ein B -Movie, ein viertklassiger Abklatsch dessen, was er zu versprechen vorgibt. Dass er gegen einflussreiche amerikanisch - konservative Kreise gerichtet sein soll, gehört ebenso in den Bereich der Fabeln, wie die Tatsache, dass heute diese archaischen Rituale verbannt sind. Eher könnte vermutet werden, dass fanatisch - religiöse Glaubensgemeinschaften und Rechte Heilsbekenner hier ihre Hände im Spiel hatten; denn „Der Exorzismus von Emily Rose“, der vor diesem Hintergrund ins Kino drängt, will diesen alten Kampf Gut gegen Böse in seiner abartigsten Form (der Austreibung)
darstellen. Und er opfert dabei einen (christlichen) Menschen, der zudem noch aufs unerträglichste malträtiert wird. Die Filmhandlung als solche, könnte vielen wahrhaften Austreibungen entlehnt sein, wird aber vermutlich auf einen der eklatantesten Fälle in Deutschland zurückgehen. 1975/76 wurde, vom katholischen Klerus genehmigt, ein Exorzismus gegen Anneliese MICHEL im fränkischen Klingenberg vorgenommen. Die junge Frau, die an den Folgen dieses Martyriums starb, war damals 23 Jahre alt. Der verantwortliche Priester kam vor Gericht.

Dass der Film von der wahren Geschichte abweicht und verdreht wird, ist Fakt. Wie viele andere Dinge auch: so hat die Krankengeschichte der jungen Frau (Epileptikerin) niemanden wirklich interessiert; denn im Film wird das als ‚dass Geheimnisvolle’ dargestellt. Und in der Konsequenz heißt das, dass die Schuld an ihrem Tod statt den Exorzisten, den Ärzten untergeschoben wird, die bei einer medikamentösen Behandlung falsch gelegen hätten. Deshalb wurde sie, die von religiösen Wahnvorstellungen geplagt wurde, mit entwürdigenden Ritualen ‚behandelt’. Der Film macht daraus ein dramaturgisches Gerichtsdrama mit Horrorelementen; denn das gesichtslose Böse, das herumgeistert, soll die Zuschauer verunsichern. Und die Phalanx ist eindeutig die zwischen den Gläubigen und den Agnostikern. Mit der außer Kraft Setzung der Bewährungsstrafe, wurde dem religiösen Fanatismus des Pfarrers nicht das Wasser abgegraben. Und er (oder sie!) waren auch keine guten Männer, wie der Film glaubhaft machen will. Nur das hohe Gericht meinte, das anders sehen zu müssen: zum Entsetzen aller Kinogänger!

Fazit:

Ist der Film Hilfsmittel des Teufels? Sind Medizin bezweifelbare Ideologien, wie der Film zu erklären versucht, pfuschen sie etwa spirituellen Handlungen ins Handwerk? sind Medikamente, die abgesetzt werden, nicht von vornherein Schritte zur fahrlässigen Tötung? Über weite Strecken erinnert der Film an ein Werbefilm der Sekte Scientology, die in Amerika den Kampf gegen Medizin, Psychiatrie und Psychopharmaka führt (vgl. Interview eines amerikanischen Fernsehsender mit Tom Cruise, der im September des Jahres seine Kollegin Brooke Shields angriff, weil sie postnatale Depressionen mit Medikamenten kurierte). Ein Hurra auf die Übersinnlichkeit, auf religiöse Rituale und Handlungen, auf Gewalt und Freiheitsberaubung, auf unterlassene Hilfeleistung und Demütigungen. Für die Esoterik und para - wissenschaftliche Erklärungen. Schon im Alten Testament versank Adam nach seinem Fall in Finsternis. Er vertrieb sich selbst aus dem Paradies durch das Feuerschwert des schlechten Gewissens. Diesem inneren Verlust der Seele folgte dann auch die äußere Austreibung. Wie man sieht: alles hängt im Klerus irgendwie zusammen!

Dietmar Kesten 10.1.06 19:00