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Hautnah

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WEIT WEG. Dietmar Kesten 15.1.05 10:10
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HAUTNAH

WEIT WEG

von DIETMAR KESTEN, GELSENKIRCHEN, 15. JANUAR 2005.

Zwei Männer treffen zwei Frauen. Das Spiel beginnt.
Der Schriftsteller Dan (Jude LAW) verliebt sich in die
Stripperin Anna (Natalie PORTMAN). Eine Beziehung
ist angesagt. Einige Zeit später lernt Dan die Fotografin
Anna (Julia ROBERTS) kennen. Beide beginnen eine
Affäre.
Wiederum einige Zeit später lernt Anna den Arzt
Larry (Clive OWEN) kennen. Beide beginnen eine Ehe.
Schließlich treffen alle bei einer Vernissage
aufeinander. Doch das Glück ist ihnen nicht hold.
Man belügt und betrügt sich.
Anna liebt Dan und betrügt Larry. Dan liebt Anna
und bringt Alice dazu, ihn zu verlassen.
In einem Nachtclub trifft Alice den frustrierten Larry, der
sich in seiner Ehre getroffen fühlt. Am Ende weiß
niemand mehr, was Sache ist.

Mike NICHOLS („Wer hat Angst vor Virginia Woolf?“, 1965,
„Reifeprüfung“, 1967, „Kunst zu lieben“, 1970,
„Silkwood“, 1983, „Waffen der Frauen“, 1988,
„In Sachen Henry“, 1991, „Wolf“, 1993) hat
„Sex an the City“ ins gehobene Hollywood verlegt.
Sex, Lügen, Gier, Betrug, Wutausbrüche, aufgestaute
Aggressionen- hier erlebt man einen schmutzigen Kampf
nach dem anderen.
Es ist das alte Lied. Der Streifen gibt vor, aus dem Alltag
zu schöpfen, die Niederungen der Liebe zu beschreiben.
Doch am Ende sind alle Protagonisten nur Lustobjekte mit
Verfallsdatum.
Dass das wirkliche Leben mehr Stolz und Schwäche,
Enthusiasmus und Enttäuschung, Verlangen und
Verletzlichkeit hervorbringt als dieser gekünstelte Film,
dürfte jedem klar sein, der die Realität wahrnimmt.

Die Charaktere agieren aufgesetzt, finden keine
Möglichkeit, sich glaubhaft in Szene zu setzen.
Das gesamte Gefühlschaos mit ewigen Intrigen und
immer wieder kehrenden Motiven ist schlechteste
Hollywoodkost.
Dieses mal wird sie zusätzlich durch Stars angereichert,
die einen schlechten Film vermutlich gut in Szene
setzen sollen.
Und bei den Vorschusslorbeeren, die der Film erhalten
hat, muss diese Präsenz auch ins Blaue treffen.
Weit gefehlt!
„Hautnah“ wirkt über weite Strecken erschreckend
peinlich.
Es zeigt sich wieder einmal, dass eine denkbar gute
Besetzung keinen überragenden Film entstehen lässt.

Lange Blicksequenzen und hanebüchene Dialoge
lassen eher den Eindruck entstehen, dass jegliche
Emotionen zerredet werden, als dass man sie zeigen
könnte.
Berühren oder nachdenklich machen kann „Hautnah“
nicht. Man ist eher dazu bereit, die Flucht zu ergreifen
und sich auf seine eigene sehnsuchtsvolle Suche zu
begeben.
Es hilft auch nicht, wenn nahezu permanent dem
Sexismus das Wort geredet wird. Das ist eher abstoßend,
vulgär und schon widerlich.
Der Film, der nahezu mit F-Wörtern übersät ist, ist in der
Summe ein Selbstbetrug, da er in der Wirklichkeit zu
einem heillosen Versager wird
Will man etwa hier seine verloren geglaubten
Erinnerungen wider finden?
Wer im Film nichts mehr übrig lässt von lieblichen
Gefühlen, wer Liebe, Freundschaft, Zärtlichkeit, Mitleid,
Fürsorge, Anteilnahme und die Sommerfrische der
Hingabe beständig in den Dreck zieht, der demaskiert
sich selbst

Je mehr sich „Hautnah“ dem Ende entgegen neigt,
um so zermürbender wird er. Das liegt daran, dass
ähnliche Beziehungsmelodramen im wahren Leben
eben keine Gesprächs- oder Selbsthilfegruppen sind,
und dass keine Bedürfnisanstalten gegründet
werden, wo man sein Innenleben preis gibt.
Doch dem Publikum werden alle paar Monate neue
Leitbilder verkauft, an denen es sich satt sehen soll.
Der Wirrwarr der Gefühle ist hier eine Heimtücke,
ein kleinbürgerliches Aufbegehren, Verlierer im
Geschlechterkampf zu sein.
Vielleicht ist der Film ein Schlüssel zur Lebenslüge
Hollywoods.
Denn wer so die Wiederkehr der reinen Instinkte
beschreiben will, der liefert den endgültigen Beweis
für eine monströse Selbstentblößung ab.
Offensichtlich benötigt man diese Filme noch:
zum Aufputzen der Sauerei oder zum Lustgewinn.
Man mag sich was aussuchen.

Fazit:

Am Ende der achtziger Jahre gab es im Film viel zu
erzählen: über den neuen Mann, über die neue Frau,
über die neue Sinnlichkeit, die neue Prüderie,
über den Wandel der Geschlechterrollen und die
Wiederkehr der Gefühle.
Jetzt scheint die Therapie als Selbstbetrug
vorzuherrschen, der Ehebruch als Moment
wahrer Empfindung. Und die Demütigung
der Gefühle ist nahezu selbstverständlich
geworden.
Über jede Liebesgeschichte hängt nun die
namenlose Lust. Hollywood kann man nur
zurufen: lieber keine Bilder als die falschen.

Dietmar Kesten 15.1.05 10:10