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King Kong

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SCHOCK THE MONKEY Dietmar Kesten 9.1.06 15:36

KING KONG

SCHOCK THE MONKEY

von DIETMAR KESTEN, GELSENKIRCHEN, 15. DEZEMBER 2005.

Bei Peter GABRIEL hieß es einst: „Schock den Affen. Fasse mich, wenn, ich brenn. Fass mich, wenn ich renn. Schüttle die Bäume im Regenwald. Von oben fällt ein Tier. Fass mich jetzt und hier... Ja, du weißt: das schockt den Affen.“ So ganz entfernt war Gabriel 1982 vom jetzigen Affenzirkus nicht. Zur Weihnachtszeit sieht man Kong mit gestörter Libido durch die Wälder huschen. Man huldigt dem Affen: „Schock the Monkey!“ Selbst Tierschützer sind da willkommene Gäste, die JACKSON loben, weil er keine „lebendigen Affen“ für seine Stunts benutzt hat. Da kommen einem die Tränen.

Aber der Reihe nach; „King Kong“ lebt. Und er kommt mit Gebrüll. Er ist groß, gigantisch und furchteinflößend. Nach 1 Stunde und 10 Minuten erscheint er endlich auf der Leinwand, synthetisiert und kühl. Was man nicht mit den Augen sehen kann, das hört man. Er kommt und geht wieder: ein totaler Affe, der sein Ganzes bewahrt und am Ende auch sein Ganzes zerstört. Das ist ein paradoxer Zustand. Denn dieser Affe ist Affe aus Leidenschaft. JACKSON schafft es, diesem Affen Leben einzuhauchen, obwohl er gleichzeitig empfindungslos ist; denn selbst die heftigsten Saurierattacken beantwortet er mit einem Lächeln auf den Lippen.

Aber weil es im Kino nicht um Meinungen geht, sondern um Einstellungen und Bilder, um Bewegungen und Rhythmen, um Figuren und Projekte, muss es um die Wiederkehr alter Leitbilder gehen. Seit „Jurassic Park“ (Regie: Steven SPIELBERG, 1993) ist das Kinovolk daran gewöhnt, dass ohne Superlative nichts mehr läuft. Heute muss alles aufwendig animiert und durchkomponiert sein. Computerhirne haben Hemd und Hosenträger verdrängt, Schreibtische und heillosen Zettelwirrwarr. Gefragt sind die Geräte, die selbst den Kameratrick verdrängen, Super - 8 und Pyrotechniker. Denn der Computer erledigt alles von alleine.

Wie arm ist eine Filmindustrie geworden, die nur auf Effekthascherei setzt, nur auf Heimtücke und Selbsttäuschung. Die Kamera fährt zurück, der Zoom schnellt nach vorne. Das Auge des Zuschauers wird von einem Magneten in die Mitte des Bildes gerissen, dorthin wo sich der Affe befindet. Das sind die Einstellungen, die lautlos an uns vorüberziehen, während „King Kong“ toben darf. Auf der Leinwand ist die Welt, in die der Zuschauer eintritt, in jedem Moment schon fertig, vollendet. Es gibt eine Leichtigkeit des Sehens wovon das Publikum nichts weiß.

Aus diesem Grunde ist der Affe, für die einen eine gelungene Verfilmung, und für die anderen das Ende jeder Phantasie, das gefräßigste, was im Kino je gefilmt wurde: er frisst selbst die Drehbücher auf, aus denen er entstanden ist. „King Kong“ ist voll von diesen Nachlässen, von zerrissenen Seiten und durchlöcherter Software. Ein Affe mit Melancholie, das ist die falsche Wahrheit. Doch heute macht man mit Ausstrahlung Geschäfte, mit Klotzig- und Bombastigkeit. So funktioniert Kino. Und so hat es immer funktioniert.

Filme erzählen ausnahmslos von Abhängigkeit, Verwirrungen und Verstrickungen, Einsamkeit und Müdigkeit, von schrecklichen Dingen, von Emotionen und Melancholie, von Lastern, Glück und Geltungssucht. Dazwischen liegt das, was in „King Kong“ zu sehen ist: Action, die aus ihrer Antiquiertheit heraustritt und neu aufgemischt, animiert und fantasievoll das digitale Filmzeitalter verkörpert. So entstehen ganz nebenbei Bilder, an die sich das Publikum gewöhnt hat: sie sind wie Engel aus Wim WENDERDS „Der Himmel über Berlin“ (1987): die Schatten der Vergangenheit sind unverwüstlich.

Wie sie auch gedeutet werden sollten: „King Kong“ ist ein Affe des Showbusiness, der mit den flügge gewordenen Engeln von WENDERS gar nicht mehr zu tun hat. Er ist eine egomanische Figur. Er kommt als Störenfried und Unruhestifter, nimmt Abschied vom Paradies und marschiert direkt in seine Vernichtung, was am
Ende mehr Fragen als Antworten hinterlässt. „King Kong“ erkrankt an seiner eigenen Lebenslüge. Dieses Leiden macht ihn nicht stumm und traurig, sondern laut und aggressiv. Und bevor ihn seine Trauer (worüber eigentlich?) erdrückt, erschlägt er sie: er verliebt sich. Und wird von seiner Melancholie eingeholt. Sie wird ihn bis zu seinem Tod verfolgen.

JACKSON macht aus dieser affigen Seite ein maximales Spektakel. Mit allem, was dazugehört. Selbst die Rutschpartien auf einem zugefrorenen See in Manhattan
sind ein tierisches Spektakel und bereiten dem Affen wie Naomi WATTS riesiges Vergnügen. Dem Kino der Action und Leinwandfinessen sind jedoch noch längst keine Grenzen gesetzt. More, more, more- das steht für die Sucht nach dem Außergewöhnlichen. Und aus der Dutzendware wird ein neues unbekanntes Meisterwerk sich gegen langweilige Stereotypen der Filmindustrie durchsetzen.

JACKSON verwandelt somit „King Kong“ in eine Lektion des Schauens. Und er lotst gekonnt nicht nur die Filmcrew auf einem abgetakelten Kutter nach Skull Island hinter die große Wand, sondern auch die unbedarften Zuseher, die er auf das Empire dirigiert. Dort, hoch oben in luftiger Höhe kann er noch einmal mit dem Affen alles durchleiden. „Schock the Monkey. Von oben fällt ein Tier. Fass mich jetzt und hier.“

Fazit:

So war das Filmende. Und so wird es immer sein.

Dietmar Kesten 9.1.06 15:36