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The Fog - Nebel des Grauens

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KLEINE TASCHENLAMPE, BRENN. Dietmar Kesten 12.1.06 20:37
KLEINE TASCHENLAMPE, BRENN. Dietmar Kesten 17.1.06 17:27

THE FOG - NEBEL DES GRAUENS/KOMMENTAR

von DIETMAR KESTEN, GELSENKIRCHEN, 17. JANUAR 2006.

Am 14. Januar lief auf Kabel 1 noch einmal das Original von John CARPENTER „The Fog - Nebel des Grauens“ (1979), den er zusammen mit seiner in der Zwischenzeit verstorbenen Ko - Autorin Debra HILL (8. März 2005) machte. CARPENTERs Geschichte begann damit, dass er einen alten Seebären von den seltsamen Ereignissen auf der ‚Elizabeth Dane’ erzählen ließ. Pünktlich um Mitternacht wird das Küstenstädtchen Antonio Bay und seine Bewohner mit mysteriösen Vorfällen nahezu überschwemmt. Nachdem der Pfarrer ein verschollenes Tagebuch gefunden hatte, in dem die Ereignisse um die Leprakranken und den Goldschatz festgehalten wurden, fängt die Kamera einen Kutter auf dem Meer ein, deren Besatzung der ‚Sea Grass’ sich urplötzlich mit einem weißen, leuchtenden Nebel konfrontiert sieht, aus der schemenhaft jenes Schiff auftaucht, dass die weiteren Abläufe und Ereignisse bestimmen soll.

CARPENTER hatte im Original darauf verzichtet, seinen Geistermatrosen ein Gesicht zu geben. In der Fassung von 2006 (Regie: Rupert WAINWRIGHT) sieht sich der Zuschauer erschreckender weise gleich mit deren Leibhaftigkeit konfrontiert, was hier völlig einfallslos wirkt. Die Looser bei CARPENTER waren wie von Geisterhand geschaffen und unterschieden sich nur in Nuancen vom dichten Nebel. Sie agierten immer im Hintergrund. Und erst mit ihren Vergeltungsschlägen traten sie näher an das Geschehen heran, zeigten durch Enterhaken und Säbel verdeckt, nur ihre Umrisse. Damit hatte CARPENTER in gewisser Weise auf die klassischen Schattierungen zurückgegriffen, die seit MURNAU und LANG bekannt waren.

Seine Geistermatrosen haben bis heute allen Versuchen standgehalten, sie zu kopieren. Wenn etwa an „Ghost Ship (Regie: Steve BECK, 2003) gedacht wird, wo der Versuch unternommen wurde, sie zu reanimieren, dann zeigt sich, wie wenig davon verstanden wurde, Ideen und Kontraste, Lichtspiegelungen und Schattierungen einzusetzen. Die umgetriebenen, schimmernden Gestalten waren bei CARPENTER ein Novum.

Vor allem der Nebel hatte es in sich. Es war kein einfacher Nebel aus einer Nebelmaschine, der seit den schwarz - weiß Filmen von Edgar WALLACE (Vgl.
„Der grüne Bogenschütze“, 1961, „Das Gasthaus an der Themse“, 1962, „Der schwarze Abt“, 1963), oder von Francis DURBRIDGE (Vgl. „Piccadilly null Uhr zwölf“, 1963, „Paul Temple“, 1969, „Wie ein Blitz“, 1970) bekannt ist. Dieser Nebel war ein visueller Leckerbissen. Aufsteigend am Horizont, zog er auf breiter Front auf das Küstenstädtchen zu und überdeckte alles, was es zu umnebeln gab.

Trockeneins und als Brennstoff jede Menge Holz (Fichte, Buche, Eiche, Tanne) brachte zusammen mit Nebelpumpen diese eigenartige wabernde Mixtur, diesen schleichenden Schleier, der durch alle Ritzen kroch, dass man tatsächlich meinte, in einer Nebelwand zu stehen. Dieser Nebel, der noch zusätzlich, damit seine Strukturen noch deutlicher wurden, von innen her mit Scheinwerfen beleuchtet war, war wunderbar anzusehen. Und im Schutze der Dunkelheit zog er schnell jede Aufmerksamkeit auf sich. Er kam und verschwand wieder, setze die Wahrnehmung außer Kraft und verschluckte auch alle Geräusche. In diesem Ofen des Grenzen überwindenden dichten Filmsmogs, erzählte CARPENTER seinen „Nebel des Grauens“, der sich über das Wasser legte, anmutig und gespenstig, der sich plötzlich ausdehnte, seine Signale der Gefährlichkeit und der Angst aussandte, und der sich
schlaglichtartig auf Antonio Bay zubewegte.

Die Katastrophen- und Ausnahmesituation trat ein, als durch ein dreimaliges Klopfen an Türen und Fenster die Dinge ihren Lauf nahmen. CARPENTER erreichte dadurch eine Steigerung seiner Idee vom Horroreffekt; denn zur zusätzlichen
(Nebel)-Energie wurde durch dieses Wachrütteln ein zentrales Signal ausgesandt, das auf arglistige Täuschung insistierte, aber auch Auflösung der Rätsel war; denn die im Meer eingeschlossenen Menschen waren emporgestiegen, um Rache zu nehmen an jenen Nachfahren, die einst aus Habgier getötet wurden. Im Remake von „The Fog“ respektiert WAINWRIGHT diese (Ver-)Wandlung nicht. Durch das erste Bild mit den Steinfiguren wird der Plot bereits verraten. Der Zuschauer weiß somit, worum es gehen wird. Später werden sie die vorzeitige Auflösung weiter vorantreiben. Und im Showdown haben sie nichts mehr mit CARPENTERs Szenario zu tun.

Das Original verzichtete auf jede Blutrünstigkeit, mit der der Horror einst angetreten war, um zu schockieren. Gewalt wurde bei CARPENTER nur suggeriert. Man sah keine drapierten Leichen, denen Eingeweide fehlte, der Kopf abgeschlagen war, oder
deren körperliche Verwesung eins ums andere mal das berühmte Würgen im Hals erzeugt. CARPENTERs „The Fog“ funktionierte ohne literweise Blut und spritzenden Hirnen. Der Meister war in diesem Werk ein tiefenpsychologischer Künstler, der an den Phobien des Subjekts interessiert war (Vgl. auch „Shining“, Regie. Stanley KUBRICK, 1980).

Heute allerdings sind diese im Horror kaum noch gefragt; denn den Machern geht es schlichtweg nur noch um Surplus. Dass „The Fog“ in der Neuauflage sich nur daran misst, mag sich letztlich auch an der Schauspielerriege zeigen, die blass daherkommt, kein Gespür für (Angst-)Gefühle entwickelt, eigenartig passiv ist, plakativ und sprunghaft. Und sich gar nicht richtig in den Film einfinden kann. Auf die mysteriöse Umgebung reagieren die Teenies wie aufgeschreckte Hühner. Im Original waren Jamie Lee CURTIS, Tom ATKINS und Adrienne BARBEAU nicht nur um Längen besser, sondern sie brachten ihre Emotionen glaubhaft zum Ausdruck.
Die neuen Talente dagegen sind einfach in den Film hineingesetzt worden und haben keinerlei Ausstrahlung . Die Dialoge sind platt, ja miserabel. Ihr Spiel erinnert eher an aufgezogene Puppen aus einem beliebigen Theater für Kinder.

Mit „The Fog“ konnte CARPENTER einst Stimmungen erzeugen. Im Remake ist es genau umgekehrt: die Stimmung, die aufkommen soll, ist wie die angebliche Kundenfreundlichkeit in einem Kaufhaus. Sie wird an der Haustür abgelegt. Über all dem legt sich auch ein Nebel. Dieser funktioniert hier nur in seiner vereinfachten Form: im Dunst eines Zigarettenrauches ließe es sich noch nie so richtig gruseln.

Dietmar Kesten 17.1.06 17:27