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Walk the Line

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THE TRIBUT OF JOHNNY CASH - TEIL I Dietmar Kesten 3.2.06 12:50
THE TRIBUT OF JOHNNY CASH - TEIL II Dietmar Kesten 3.2.06 14:05

WALK THE LINE

THE TRIBUT OF JOHNNY CASH - TEIL I

von DIETMAR KESTEN, GELSENKIRCHEN, 3. FEBRUAR 2006.

Wie Joaquin PHOENIX (als Johnny CASH) die Gitarre hält und die Riffs spielt, ist famos. Der Rhythmus geht ins Blut. Bei „Walk the Line“ und “Ring of Fire” kommt man in Schwitzen. Die beiden, vielleicht berühmtesten Songs von CASH, spiegeln sich auch im Temperament des Films wieder, der immer dann seine Höhepunkte hat, wenn CASH die Bühne betritt und singt, mal alleine, mal mit June. Die Musik entwickelt eine ekstatische Kraft, die eine abgrundtiefe Faszination ausstrahlt. Dazu schlägt die elegante Schlagtechnik von PHOENIX jeden, auch wenn er kein CASH - Fan sein sollte, sofort in den Bann.

Johnny CASH wirkt spritzig, feurig, mitreißend, geradeaus. Der Film beginnt mit dem denkwürdigen Konzert in „Folsom Prison“, der Schauplatz eines Auftritts von „Cash: „Live at Folsom Prison“ (1968). Es war jenes Konzert, dass sich über die Jahre hinweg als Message gehalten hat: von der Kindheit- zum Erwachsenen, zum Ich, zur Emanzipation. Und damit setzt der Rückgriff in die 30er Jahre ein. Seine Jugendzeit unterschied sich nicht generell von später geborenen Musikern, wenn etwa an Jim MORRISON, Janis JOPLIN, Jimmy HENDRIX, John LENNON und viele andere gedacht wird. CASH war rebellisch, aufmüpfig, setzte auf sein eigenes Leben, stand im Widerspruch zu seinem Vater auf der Farm in Arkansas.

CASH wollte mehr, Musik machen wie Elvis, der auch seinen Militärdienst in Deutschland ableistete. Nach mehreren und vergeblichen beruflichen Anläufen, verschreibt er sich ganz der Musik. Er wollte keine Gospel - Lieder mehr singen, sondern „richtige Musik“ machen, erst Rock, dann Country - Musik. Man sieht ihn zusammen mit Jerry - Lee LEWIS, Carl PERKINS, Elvis PRESLEY im Studio von Sam PHILLIPS in Memphis, sehr zum Ärger seiner Frau Carrie (Shelby LYNNE).

Der Erfolg scheint ihm Recht zu geben. CASH, mit den Händen eines Zauberers, wird zum Idol, zum umschwärmten Star, auf den die Frauen abfahren, wie June CARTER (Reese WITHERSPOON), die er später heiraten wird. Mit ihr, die zuvor in der Band von Elvis sang, arrangiert er sich auf der Bühne. Sie wirkt an den Songs „Walk the Line“ mit und schreibt „Ring of Fire“. Beide werden unzertrennlich bleiben. Sie erträgt seine Depressionen, seine Alkoholeskapaden, seine Drogenexzesse. CASH zwischen Absturz und dem Comeback. Das wollen die Leute sehen. Hier hat der Film zweifelsfrei seine besten Szenen.

Aber „Walk the Line von James MANGOLD („Cop Land“, 1997, „Durchgeknallt“, 1999, „Identität“, 2002) ist zu konservativ, um als Biografie wirklich aufzurütteln. Aufstieg und Fall des Musikers ähnelt doch zu sehr an die Nachzeichnungen anderer Stars. In diesem Geiste mag der Film als eine Art moralische Läuterung funktionieren. Und es verwundert nicht, dass sich selbst US - Präsident BUSH sehr positiv zum Film geäußert hat. In der Tat ist es die „Märchenprinzessin“ June CARTER, die CASH auf den richtigen Weg zurückbringt: sie nimmt ihm die Zweifel, das Lampenfieber, die Alkohol- und Drogensucht, geht mit ihm in die Kirche. Der Rest ist Geschichte.

Die 50er Jahre sind großzügig dargestellt. Der rockende Elvis auf der Bühne, oder der introvertierte Jerry - Lee LEWIS sind überwältigend und emotional anrührend. Unbeirrt setzt MANGOLD seinen Weg fort. Er zeigt CASH als erdig - bodenständig, der durch June seine Leistungsfähigkeit zurückgefunden hat. Der King im Film, der auch Elvis sein könnte; denn auf der Bühne unterscheiden sich beide durch nichts voneinander, lässt die Puppen tanzen. Die richtige Frau zur richtigen Zeit, das wirkt Wunder.

Anekdoten, Legenden, Schlagzeilen. Das Kino weiß das zu schätzen, weil es auf diese Art von Wiederholungen aufbaut. Je schillernder eine Persönlichkeit ist, umso besser. Deshalb ähneln sich ja „Walk the Linie“ und „Ray“ (Regie: Taylor HACKFORD, 2004) an diesem Punkt. „Walk the Linie“ ist ein Film für alle Altersschichten, berührend, voll von Liebe, viel Schmalz. Die gigantische Kraft hält sich in Grenzen. Die Mimik von PHOENIX verrät, dass das gestylte Vergnügen auch aus einem Videoclip entstammen könnte.

Schnitt: Kindheit, Elternhaus, Alkohol, Drogen, Frauen. Alle Musikerbiografien drehen sich im Kreis. Mal sind sie „ehrenhafter“ als andere, mal „aufmüpfiger“. „Walk the Line“ liegt irgendwo dazwischen. Sie sind wie nicht enden wollende Konzerte oder Theateraufführungen ohne Vorhang. Der nächste Auftritt, die nächste Bühne, das nächste legendäre Konzert, biografische Details und die besagte Läuterung. Ein Zeitsprung, Schauspieler, Einblendungen, Auftritte. Fertig ist die nächste Biografie.

Das Stampfen der Gefängnisinsassen kehrt zurück. Und damit auch der Film zum
Ausgangspunkt. „Folsom Prison“, eine Hauptattraktion. CASH wartet, zögert, beugt sich über die Kreissäge, die noch einmal die Erinnerung an die Kinderzeit auf der Farm hervorruft. Das Publikum tobt. Und er kommt auf die Bühne. Die Band legt los. Das Intro ist zu hören. Der gleiche Ton wird wieder und wieder gespielt. Der Riff ist ein Meilenstein in der Musik, wie der von „Deep Purple“ („Smoke on the Water“) oder „Led Zeppelin“ („Whole Lotta Love”). MANGOLD formt seine beiden Helden, die gut zusammen passen. Während CASH mit rauer Stimme singt, steht June abseits und hört ihm entrückt zu. Der amerikanische Geist weht doch über allem.

Der Traum ist aus. CASH war kein Rock’n Roller. Vielmehr war er eine Ergänzung zum Rock und zum Blues. Dazwischen rangiert Country. Man brauchte neue Töne. CASH schickte sie wie vom Winde bewegt, direkt in die Herzen seiner Fans. Da mögen sie ruhen. Dort sind sie für immer eingraviert.

Fazit:

Darstellerische Schwächen hat der Film nicht. Er lebt von seinen Schauspielern, vor allem durch die Musik. Der Rest besteht aus Hollywoodbildern.

Dietmar Kesten 3.2.06 12:50