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[ Archiv ] [ 2006-12 ]
Die Prädikate der Woche 20.12.06 15:45

Die  Filmbewertungsstelle hat die "Prädikate der Woche" bekanntgegeben. Hier die Bewertungen mit Begründungen:

FBW - Filmbewertungsstelle Wiesbaden- besonders wertvoll -

 Déjà Vu - Wettlauf gegen die Zeit (Thriller)
Meister Tony Scott inszeniert spannend und mit emotionalem Tiefgang. Die Zeitreise-Version fasziniert und gibt viel Diskussionsstoff für hinterher. Der packend und sehr filmisch erzählte Thriller mit Science-Fiction-Elementen ist weit mehr als ein belangloser Actionfilm, reflektiert die amerikanische Befindlichkeit nach 9/11 und erinnert in Denzel Washingtons Obsession, eine Tote zu retten, an Hitchcocks „Vertigo“ und Premingers „Laura“.

 Full Metal Village (Dokumentarfilm)
„Wacken Rules!“ Die Ortschilder werden in Sicherheit gebracht im schleswig-holsteinischen Wacken, wenn die Heavy Metal Szene zum jährlichen Open Air Event anrollt. Verschmitzt, liebevoll und immer wieder überraschend zeigt die aus Korea stammende Regisseurin uns eine fremd-nahe Welt. Sie wahrt dabei die besondere Tugend des Dokumentarischen: genau zu beobachten und zu zeigen – und die Wertung dem Betrachter zu überlassen. Eine Werbung für den Dokumentarfilm. (Noch kein Verleih)

 Liebe braucht keine Ferien (Romanze)
Schönes, perfektes Gefühlskino, längst nicht nur für Teenies. Zwei Frauen machen Urlaub von Beziehungsstress und eigenem Ich, äh Haus, finden auf der je fremden Türschwelle den idealen Mann, das Happy End so unvermeidbar wie die Bescherung an Weihnachten. Ach, die Welt kann schön sein! Eli Wallach (Jahrgang 1915) glänzt als alter Drehbuchautor in dieser munter-nostalgischen Liebeserklärung an das Kino. Die Screwball-Comedy lässt grüßen.

 Prestige - Die Meister der Magie (Drama)
Eine grandiose Metapher für das Filmemachen hat Regisseur Christopher Nolan mit der Zauberkunst gefunden. Mit der trickreichen Geschichte zweier verfeindeter Magier entzückt und verführt er sein Publikum, arbeitet mit Doppelungen, Illusionen und Erwartungen, hat immer noch ein weiteres Ass im Ärmel. Hochintelligente, doppelbödige Unterhaltung, prächtige Ausstattung, fulminante Darsteller – und David Bowie als der Mann mit dem Zylinder.

 Schweinchen Wilbur und seine Freunde (Kinderfilm)
„Ist ja gar nicht babyhaft“, meinte der siebenjährige coole Juniorkritiker der FBW. Auch die FBW-Jury war beeindruckt, sogar die Stiftung Lesen wird ihr Wohlgefallen haben an diesem Film. Spannend und kindgerecht, amüsant und auf angenehmste Art Werte fördernd, ist dies ein Film, der selbst für ganz kleine Kinder bestens als erste Kinoerfahrung taugt. Es geht um all die Tiere auf dem Bauernhof, um eine freundliche Spinne, die Wörter schreiben kann – und um die Vorzüge der Freundschaft.

 The Fountain (Drama)
Einer der innovativsten Regisseure der Gegenwart mit einem großen Wurf, der allerdings positiv gestimmte Betrachter braucht. Außerordentlich künstlerisch muss man diesen Film nennen. Soghaft und virtuos wie kaum ein Film seit Kubricks „2001“ und Tarkowskijs „Stalker“, visionär und mystisch, zärtlich-dunkel und suggestiv ist die bildgewaltige Parabel vom ewigen Leben, das den Tod überwindet. Ein Augen- und Sinnesschmaus.

 Trade - Willkommen in Amerika (Drama)
Herzzerreißend glaubwürdig, im genau richtigen Maße melodramatisch und atemberaubend spannend erzählt Marco Kreuzpaintner vom internationalen Menschen- und Frauenhandel. Mit großen Augen sitzt man hier im Kino, weil einfach alles stimmt. Und weil der Film in eine fremde, gefährliche Welt entführt. Der Sprung des deutschen Regisseurs über den Atlantik darf als ausgesprochen gelungen bewertet werden. (Start: 19. April 2007)

FBW - Filmbewertungsstelle Wiesbaden- wertvoll -

 Die Rotkäppchen-Verschwörung (Animations-Satire)
Wer glaubt, die Geschichte von Rotkäppchen zu kennen, erlebt hier etliche Überraschungen, denn „es gibt viele Geschichten, die ein Happy End brauchen“. Frisch gegen den Strich gebürstet, entfalten bekannte Märchenfiguren eine ganz andere Persönlichkeit und werden zu Verdächtigen in einem Kriminalfall. Wild gemischt werden hier die Filmgenres, geschüttelt und gerührt, verspottet und liebevoll karikiert.

 Mein Führer - Die wirklich wahrste Wahrheit über Adolf Hitler (Groteske)
Künstlerische Courage beweist Dany Levy mit seinem riskanten Film, in dem die ungleichen Schauspieler Ulrich Mühe und Helge Schneider sich ideal und sehenswert ergänzen. Das ist irreal-absurd, paradox und provokant, schrecklich komisch und schrecklich ernst. Fürchterlich – zum Lachen. „Der Führer braucht Sie, nehmen Sie die Endlösung nicht persönlich“, sagt Goebbels zu dem jüdischen Schauspieler, der aus dem KZ geholt, Hitler zur Endkampf-Rede motivieren soll.

 Maria am Wasser (Heimatfilm)
In ein Dorf an der Elbe kehrt ein ertrunken geglaubter, verlorener Sohn zurück. Das bringt allerhand Lebenslügen an den Tag. Eine Geschichte mit allegorischer Kraft, ein Rückblick auf ein Land, das es nicht mehr gibt, und das dennoch unterschwellig die Gegenwart mit prägt. Der ungewöhnliche Film hat Sinn für dramatische Orte und Seelenlandschaften, große Gefühle. Das ist poetisch und skurril, ambitioniert und ein wenig aus der Zeit, eben deshalb interessant. (Noch kein Verleih)

DVD des Monats Dezember 2006

 Eiszeit. „Den Gürtel enger schnallen“ (Dokumentarfilm, Besonders wertvoll)
Abseits der etablierten Medien produziert, ist dies ein Stück Gegenöffentlichkeit in bester Tradition. Sehr informiert und eloquent bringen die Protagonisten nahe, was es heute heißt, am unteren Rand der Gesellschaft leben zu müssen. Anschaulich und anrührend beobachtet der Film vier Schicksale über ein halbes Jahr: ein blindes Ehepaar, eine arbeitslose Schauspielerin, einen an Muskelschwund leidenden Mann. Sie alle verharren nicht in Passivität oder Larmoyanz, sie haben uns etwas zu sagen.

Kurzfilme des Monats Dezember 2006

 Come on Strange von Gabriela Gruber (Besonders wertvoll)
Ein kleines experimentelles Meisterwerk, anregend und visuell überzeugend. Die direkt auf den Filmstreifen gemalten Visionen - wirklich eine Malerei auf Film und zugleich elegante Bewegung pur - interagieren perfekt mit Ton und Musik. Das ist wunderschön anzuschauen, hält aber auch einer theoretischer Betrachtung im Sinne Virilios oder eines Roland Barthes stand. Eine kleine, dichte, ästhetisch schöne Arbeit.

 Fair Trade von Michael Dreher (Besonders wertvoll)
Ein Ausnahmefilm in der gegenwärtigen deutschen Kurzfilmszene, auch mit dem höchsten FBW-Prädikat sowie den zahlreichen anderen bereits erhaltenen Auszeichnungen nicht hoch genug zu rühmen. Ein Film mit einem ernsten und aufwühlenden Thema, formal brillant, traumhaft sicher inszeniert und sozial von großer Relevanz. Diesem Regisseur muss man baldmöglichst einen richtigen Spielfilm ermöglichen, hier wartet ein großes Talent.

 Die Rasur von Tuncay Kulaoglu und Martina Priessner (Wertvoll)
150 Tage seines Lebens verbringt ein Mann mit dem Kampf gegen die Bartstoppeln. Und nun ein sinnlicher Film über ein archaisches Ritual. „Wer einmal das Glück hatte, die Kunst der Bartrasur am eigenen Kinn zu erleben, der wird sich auf die Suche nach seinem Lieblingsbarbier begeben“, heißt es. Das Wechselbad zwischen Anspannung und Entspannung, Blickkontakt und blinder Hingabe wird hier kunstvoll, vergnüglich, ja sogar erotisch zelebriert.

 Wolfstraum von Maria-Anna Rimpfl (Wertvoll)
Eine junge Frau rennt gehetzt durch den Wald, in ihrem Arm ein Bündel. Nur ein Albtraum? „Alles, was man vergessen hat, schreit im Traum nach Hilfe.“ Märchenhaft souverän und bildgewaltig dekliniert der genresprengende, atmosphärisch dichte Film die Elemente des Horrorfilms, bietet eine Anthologie der Ängste, begeistert mit seiner suggestiven Kameraarbeit. Eine bemerkenswert stilsichere Regiearbeit, gut geführte Darsteller und sorgsam ausgefeilter Sound runden das Ganze.

20.12.06 15:45