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Der Untergang

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Russische Massenvergewaltigungen... Thomas G. 1.10.04 21:07
Russische Massenvergewaltigungen... 16.10.04 12:36
Russische Massenvergewaltigungen... egal 2.10.04 15:29
Russische Massenvergewaltigungen... corinna 4.10.04 00:26
@ corinna Steven kram 9.10.04 13:27
@ corinna Joringel von Amulunc 18.10.04 08:53
@ corinna 20.10.04 22:41
Russische Massenvergewaltigungen... egal 8.10.04 20:52
Russische Massenvergewaltigungen... Dietmar Kesten 4.10.04 16:14
Russische Massenvergewaltigungen... Dietmar Kesten 2.10.04 10:35
Ihr seid schon seltsam a.p. 10.10.04 17:36
Ihr seid schon seltsam Dietmar Kesten 11.10.04 13:25
DER UNTERGANG - EINIGE MERKWÜRDIGKEITEN Dietmar Kesten 12.10.04 17:26
Selbstdarstellung katja 19.10.04 10:30
Selbstdarstellung Dietmar Kesten 21.10.04 17:14
Selbstdarstellung Dietmar Kesten 21.10.04 16:15
Selbstdarstellung steven kram 22.10.04 12:34
Selbstdarstellung Dietmar Kesten 23.10.04 10:48

DER UNTERGANG

EINIGE MERKWÜRDIGKEITEN

von DIETMAR KESTEN, GELSENKIRCHEN, 12. OKTOBER 2004.

„Der Untergang“ macht einige historische Voraussetzungen,
die bei näherem Hinsehen auch hier die Fragwürdigkeit des
Films ausmachen.

Beispiel: Rote Armee. Sie taucht sozusagen aus dem Nichts
auf und ist zu Beginn des Films nur durch das Dröhnen der
Artillerie präsent.
Ohne dass dieser Vormarsch filmisch erwähnt wird, muss
sich der unbedarfte Kinogänger die Frage stellen: was hatte
es damit auf sich?
Auf eine Beantwortung der Frage wartet man vergebens.
Es hat mich schon sehr verwundert, dass ca. zur Mitte des
Filmes eine Sekretärin Traudl JUNGE dazu aufrief, zu den
Amerikaner (Alliierte) zu gehen. Dort sei sie „auf der
sicheren Seite“. Der Film geht auch gar nicht in diesem
Zusammenhang auf die Allianz zwischen Amerikaner,
Briten und Russen ein. Das jedoch hätte erst verdeutlichen
können, wie sich der Kriegsverlauf gestaltet hatte, und wie
der Vormarsch auf Berlin zu gewichten war.

Beispiel: Die Hitlerdarstellung durch Bruno GANZ.
Das ist alles sehr fragwürdig.
Allem Anschein nach wird hier der Versuch unternommen,
eine Ethik Hitlers zu entwickeln, die ihn zugänglich
erscheinen lässt.
Hitler mit Herz erinnert an einen alten Mann, der seine
Grenzen überschritten hat, der aber trotzdem „Mensch“
war, aber ohne Gnade.
Man empfindet Schande, aber kaum Scham.
Man dämonisiert seine Herrschaft durch schicksalhafte
Ereignisse, dass ohne das eigentliche Wollen der
Bevölkerung eingetreten ist. Und man hat im Kopf,
dass dies alles nur ein „Betriebsunfall der deutschen
Geschichte“ war.
Diese Hitlerdarstellung ist doch zu sehr
verbrämte demokratische Ethik, nämlich in jedem
Verbrecher, Mörder und Henker immer noch ein Stück
eines „guten Menschen“ zu sehen.
Preußische Tugenden und demokratische Ethik war
im übrigen auch im „Historikerstreik“ (1986/87)
angesagt.
Als ob die Ursache für die europäische Katastrophe
die „faktische Machtbedrohung“ durch „den
„Bolschewismus“ (Ernst NOLTE) gewesen sei!
Und Hitlers Krieg darauf lediglich als Antwort
auf eine epochale Bedrohung Westeuropas zu
sehen, war ebenso irritierend.
Dann nämlich wird es ideologisierend. Und man
ordnet schnell, das Phänomen Hitler in die Mär
von seinen „guten Seiten“ ein, einem
Menschenschlächter, dem ein Hang zu Frauen
nachgesagt wurde, und der Schokolade und
Schokoladentorte mochte.

Bespiel: Aufrechnung.
Was hier ja unterschwellig ausgesagt wird, ist ein
makaberes Rechenspiel. Man beginnt
aufzurechnen. Und vordergründig verwissenschaftliche
Diskussionen driften in eine konservative
Vergangenheitsbewältigung ab. Darauf basiert u.a. der
Rassismus und der Rechtsradikalismus, der immer in
der deutschen Gesellschaft vorhanden war. Und jetzt
wieder offen propagiert werden kann.
Diese Sprache, die all die Verbrechen Hitlers
kaschieren möchte, diente doch nur der
Durchsetzung seiner Ziele, der Diktatur,
des Rassenkampfes und des Ostkriegs.

Beispiel: Naziideologie.
Darüber erfährt man rein gar nichts. Man
erfährt nichts darüber, was den Nationalsozialismus
ausmachte, nichts darüber, auf welcher
eigentlichen Ideologie er basierte.
Nichts darüber, was die gesellschaftlichen Ursachen
dafür waren, dass der Nationalsozialismus die
Macht übernehmen konnte, und dass es vermutlich
Spuren gab, die bis weit in die deutsche
Nationalgeschichte zurückreichen.
Stichwort: LUTHER, Preußens FRIEDRICH,
BISMARCK.

Beispiel: Der Ideenbrei des Adolf HITLER.
Seine Weltanschauung setzte sich aus
jenem Konglomerat der Nationalstaatlichkeit
Deutschlands zusammen.
Der Nationalsozialismus hatte kein originäres
Programm, keine selbstentwickelte Ideologie.
Der u. a. vom preußischen Staat entlehnte Gedanke
des Rassismus und Antisemitismus, der Blut- und
Bodenbeschwörung, Lebensraum und Weltpolitik,
politischer Anarchismus, Erbhöfe und Elitenherrschaft,
Weltanschauung und Überlebenskampf, Volk und
Nation- das war das geschwätzige, vage und mythische,
letztlich die grenzenlosen Vokabeln des
Nationalsozialismus. HITLER propagierte diesen
ideologischen Geist mit der Grundlage des
Gewaltprinzips. HITLER setzte das auf allen Ebenen
schnell durch: er war Kanzler, Führer,
oberster Militär und oberster Richter, wie im
übrigen STALIN auf einer anderen Ebene auch.
„Mein Kampf“ führte Härte, Brutalität,
Gnadenlosigkeit, Vernichtung, aber auch Humanität in
den deutschen Sprachschatz ein.
Etwas, was nie verschwunden ist.
Und insofern hatte Heiner KIPPHARDT Recht,
wenn er einmal vom „Bruder Hitler“ auch in der
deutschen Sprache gesprochen hatte.
Und Christoph HEIN schloss sich dem mit den
Worten an:
„Hitler bleibt der Bruder der Deutschen“ (nachzulesen
in Wilhelm von STERNBURG: „Warum wir? Die Deutschen
und der Holocaust", Berlin 1996).

Beispiel: Humanitätsduselei und Ethik.
Die Vermischung einer liberalen Humanitätsduselei
mit (heroischer) Ethik muss deshalb für Irritationen
sorgen, weil hier alle humanen Grenzen
gesprengt werden. HITLER war weder „Mensch mit
Härte“, „Gnade“, „Ethos“, „Ehre“ „Mensch mit
Schwächen, sondern, er trieb zum Krieg.
Dazwischen gibt es nichts.
HITLER wurde möglich, weil über Generationen
hinweg der Glaube gewachsen war, es gäbe eine
fundamentale Erlösung aus all den sozialen,
politischen und geistigen Wirrnissen der Zeit.
Humanität und Ratio müssen außen vorbleiben,
weil bei all diesen Erklärungen über ihn
vergessen wird, dass die Opfer seinen hybriden
Allmachtswünschen zuzuschreiben sind.
Wenn wir dies aus der historischen Erinnerung
herausnehmen, verspielen wir unsere Zukunft.

Beispiel: Die „Guten“ im Führerbunker.
Ein gottähnliches Ungeheuer entschied quasi im
Alleingang über millionenfaches Überleben
und millionenfachen Tod.
Im HITLERdeutschland wurde aus einzelnen Tätern
ein ganzes System. Im Führerbunker sind es nur
ein paar Leute, schlechte Deutsche und die
„Guten Deutschen“. Auf diese politische und
individuelle Ethik stützt sich der Film insbesondere.
SPEER und JUNGE sind dabei die zögerlichen,
die, die Zweifel haben und die, an denen man sich
aufrichten kann (wenn man will).
Hier tauchen „zu viele gute Deutsche“ auf, merkte
Wim WENDERS an.
Ihre Schuld ist nicht anders zu bewerten, als
die derjenigen, die das Elend mitzuverschulden
hatten.
Da Schuld ein ethischer Begriff ist, sollte er auch
auf das Handeln einzelner Menschen angewandt
werden.
Im Film „Der Untergang“ bleibt das alles auf
der Strecke.

Beispiel: Legenden.
Im „Untergang“ werden Legenden verharmlost
dargestellt. Und noch nicht einmal der Versuch
unternommen, zu verdeutlichen, dass der Täterkreis
erheblich umfangreicher war als wie man es
im Führerbunker zu sehen bekommt.
Nicht mythisches Schicksalswalten war der Ursprung der
Geschichte des Dritten Reiches, sondern irrsinniger
Machtanspruch, chauvinistische Geschichtsbetrachtung
und irrationale Erlösungskonzepte.
Der Führerbunker - nach Fest- war voll „vom menschlichen
Versagen“, „mangelnder Zivilcourage“
und einer „zynischen Verachtung des Lebens“
(nachzulesen bei Fest: „Hitler“, Berlin 1987, S. 912ff.,
S. 988ff.,).
All das führte u. a. auch zu den Vernichtungslagern,
zum Holocaust, den es ebenfalls im Film nicht
gibt.

Beispiel: Holocaust.
Die Judenvernichtung ist kein Filmthema.
Doch die Filmemacher müssen sich die
Frage gefallen lassen, warum sie das noch nicht
einmal ansatzweise problematisiert haben.
So könnte der Eindruck entstehen, dass dieser
Wirrkopf doch nur das Beste für Deutschland wollte.
„Wir sind nicht irgendein Land“ meinte
Jürgen HABERMAS.
Der Holocaust, die maschinelle Vernichtung
von Menschen, der „eliminatorische
Antisemitismus“ (GOLDHAGEN) konnte
sich erst durchsetzen, als „willige Vollstrecker“
(GOLDHAGEN) sich an den Greueltaten
beteiligten. Und ganz „gewöhnliche Deutsche“
(BROWNING) neben der SS und Gestapo
am Vernichtungsprozess beteiligt waren.
Der Antisemitismus war ein irrationales,
tiefsitzendes kulturelles Vorurteil, mit dem der
christliche und/oder nationale Deutsche
von Kindesbeinen an vertraut gemacht wurde.
Judenhass und moderner Antisemitismus
hatten ihre Wurzeln in Staat, Kirche und
Gesellschaft.
Es ist eine der Merkwürdigkeiten des Films,
dass er auch darauf keinerlei Bezug nimmt.
Vielleicht hätten sich Bernd EICHINGER u. a.
mit Lea ROSH/Eberhard JÄCKEL: „Der Tod
ist ein Meister aus Deutschland. Deportation und
Ermordung der Juden. Kollaboration und
Verweigerung in Europa“ (Hamburg 1990)
auseinandersetzen sollen.
Hier wäre klar geworden, was denn
schlussendlich der Holocaust eigentlich war.

Dietmar Kesten 12.10.04 17:26