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Die Passion Christi

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Die Passion Christi Barbara 30.3.04 13:50
Die Passion Christi Dietmar Kesten 31.3.04 15:57

Mein Kommentar zu dem Film: "Die Passion Jesu" von Mel Gibson

Vorab: Ich kritisiere hier einen FILM, keine Heiligen, keine biblischen oder evangelikalen Inhalte und erst recht nicht den Ewigen und Einzigen.. Darum werde ich im folgenden den Hauptdarsteller nicht Jesus nennen, sondern "Den Schauspieler, Der Jesus Spielt", abgekürzt: DSDJS.

DSDJS sieht aus wie "Der gute Hirte" auf den Gemälden um die vorletzte Jahrhundertwende im Schlafzimmer, hold und rein, symmetrische-arische Züge, fehlte noch, dass er blond wäre. Diesen Jesus sieht man im Film aber nur noch in den zahlreichen Rückblenden, die in die Handlung einfließen: DSDJS, wie er als stupsnasiger lockiger Bub hinfällt, DSDJS, der einen Tisch gezimmert hat und mit der Mutter scherzt, DSDJS, der mit den Jüngern redet und isst etc. Dieser holde DSDJS steht im Verlauf des Films in immer krasserem Gegensatz zu dem mehr und mehr entstellten Körper des gegeißelten DSDJS.

Am Anfang sieht man DSDJS im nächtlichen Garten, mit gepresster Stimme betet er. Judas hat ihn schon verraten, Soldaten dringen in den Garten ein, es wird gehauen und gestochen, das Ohr ist ab, DSDJS heftet das Ohr aber wieder dran. Außer in den Einblendungen, in denen er eine normale Stimme hat, spricht DSDJS im gesamten Film irgendwie weinerlich. Judas, inzwischen bereut er seinen Verrat, sieht man auf einem einsamen Stück Land neben einem Dromedarkadaver, aus dem die Maden krabbeln, dann hängt er sich auf. Pilatus erscheint: endlich einer, der mit normaler Stimme redet, sympathisch, männlich, nüchtern. Auch seine bildhübsche Frau Claudia, die einen warmherzigen Eindruck macht und sich um DSDJS sorgt, wirkt normal und lebendig. DSDJS hat inzwischen ein zugeschwollenes Auge, da er während der 2 Stunden unaufhörlich gequält wird, sieht er bald schon reichlich mitgenommen aus.

Nun sehen wir Herodes, inmitten vollgesoffener Gestalten, die durchs Bild purzeln. Wie angenehm, dass bald wieder Pilatus auftaucht, wieder männlich entschlossen. Nun lässt er DSDJS geißeln: 19.05 Uhr bis 19.15 Uhr! Alle Instrumente kommen zum Einsatz, DSDJS stöhnt, grunzt, röchelt, verdreht die Augen, fällt hin, blutet und röchelt und grunzt. (So war es, ja, grunzt! Ich hoffe, DSDJS wurde für die Darstellungen, die sicher nicht ganz ohne Schmerzen zu filmen waren, gut bezahlt!? Ich empfand sie als reines Sado-Maso-Spektakel, wenn ein Mann soo stöhnt, dann – tut mir leid... klingt das, als stünde er kurz vorm Orgasmus!) Ich betone: hier geht es um einen Film, Leute, kommt runter auf den Teppich! Es gibt durchaus glaubhafte Darstellungen von Gewalt, von leidenden Helden, aber da klingt das Stöhnen nicht sooo. Hier wurde auch nicht synchronisiert, also ist es der Originalton, den ich gehört habe.

Die jüdischen Film-Frauen, Mutter Maria und Maria Magdalena, stehen stets am Rand. Sie sind ernst, aber gefasst, kein Schrei entringt sich trotz der Grausamkeiten ihren Lippen. Sie pirschen sich, als DSDJS weg ist, an den Folterplatz heran, der voller Blut ist und wischen mit schneeweißen Tüchern im Blut herum (vergessen wir nicht: es ist Ketchup, Leute!) und pressen sie dann an ihre Lippen... (eine Geste, die noch heute z.B. bei den Palästinensern nur eins bedeutet: Rache nehmen!) Im Gegensatz zur Pilatus-Ehefrau Claudia, die voller Sorge versucht, etwas zu unternehmen, stehen Maria und Maria Magdalena meist nur passiv herum und starren, sehen weg oder gehen weiter. DSDJS liegt auf dem Boden, die Kamera filmt ihn von ganz unten zwischen den Füßen aufwärts, dabei hört man ihn stöhnen, wollüstig stöhnen. Nun stöhnt er die ganze Zeit, röchelt, röhrt, grunzt, verdreht die Augen, fliegt in Zeitlupe hin, ist inzwischen über und über rot und mit kleinen und großen Wunden bedeckt. DSDJS knallt aufs Gesicht (sie lassen nichts aus) man sieht jedes Detail. Wenn er nicht gegeißelt oder verhört wird, schlägt, bespuckt, beschimpft und beleidigt man ihn. Faustschläge hageln in sein Gesicht, Fußtritte, Stockschläge. Es gibt keine Pause, eine Brutalität nach der anderen, den ganzen Film durch. Die jüdische religiöse Führung und die römischen Besatzer mit ihren Soldaten werden eindeutig als Verursacher und Vollstrecker dieser Bestialität gegen einen so harmlosen, guten Mann ausgemacht.

Nun muss Jesus sein Kreuz, richtig massiv Holz, tragen. Bricht immer wieder zusammen, er klammert sich schließlich, um nicht umzufallen, am Kreuz fest, sodass der arme Simon das Kreuz und DSDJS schleppen muss und wirklich zu bedauern ist... Nun setzen sie ihm die Dornenkrone auf. Maria sieht allmählich etwas mitgenommen aus. Und Mel Gibson lässt wirklich nichts aus: Jeder Hammerschlag darf miterlebt werden, von Kopf bis Fuß, es ist eklig. Sie nageln und nageln den weiterhin stöhnenden und röchelnden DSDJS am Kreuz fest, schön langsam. Dann fällt ihnen ein, dass auch von hinten noch Nägel reinmüssen, sie drehen das bis dahin liegende Kreuz um und der arme DSDJS hängt nun mit seinem Gewicht an den Nägeln, klatscht mit Gesicht und Körper auf den steinigen Boden, das Kreuz knallt auf ihn drauf. Und schon geht´s weiter: er soll wieder umgedreht werden, wieder anders herum. Das Kreuz wird gedreht mit dem daran hängenden DSDJS, man sieht, wie das Körpergewicht ihn an den Nägeln hinunterreißt, den hängenden, röchelnden, an Händen und Füßen angenagelten DSDJS - und die ganze Zeit dieses Stöhnen, dieses irgendwie widerlich wollüstig klingende Stöhnen!

Mittlerweile sieht DSDJS wirklich gruselig aus, Gesicht aufgequollen, eine Auge zu, Blut und Speichel überall. Der DSDJS hat einen so harten Mund, mit dem Blut darin wirkt sein verzerrtes Gesicht fratzenhaft, hart. Inzwischen ist überall Blut, aber Maria hat nur etwas Blut am Mund bisher, das soll sich nun ändern: als sie DSDJS in die Seite stechen, schießt ein Schwall blutiges Wasser heraus und ergießt sich von oben bis unten auf die Schauspielerin Mutter Maria, die nun auch besser zum Filmgeschehen passt. DSDJS röchelt noch weinerlich: es ist vollbracht! und stirbt. Sie holen den armen blutigen Fleischklumpen runter und Maria hält ihn auf ihrem Schoß, eine Hand steif und fassungslos von sich gestreckt.

1 Minute vor Schluss: die Auferstehung: Die Grabkammer des DSDJS wird von Licht überflutet, DSDJS hat nicht eine Wunde mehr am Körper, Kamera (Nahaufnahme) geht auf seine Hand: ein Loch vom Nagel ist drin, dabei kann man noch eben seitlich den nackten Po von DSDJS bewundern. DSDJS steht auf und geht aus dem Bild. ENDE.

Fazit: Ich distanziere mich als Mitglied der evang. Kirche entschieden von diesem Werk und von allen christlichen Gruppierungen, die darin eine spirituelle Erweckungsmöglichkeit sehen!

Ich halte den Film für äußerst gefährlich und stelle ihn in seiner propagandistischen Ausrichtung auf eine Stufe wie z.B. den antisemitischen NS-Film: "Jud Süß". Auch wenn antisemitische Klischees nicht direkt in der Handlung nachweisbar sind (Mel Gibson ist sehr vorsichtig gewesen?), so bilden sie sich bei bestimmten Menschen während des Betrachtens der Bilder, denn hier wird in einer scheinbar geschichtlich und religiös korrekten Darstellung eine ganz gefährliche Botschaft transportiert. Simpel und einleuchtend, aber schwer zu entdecken, wie ein Suchbild. Und es ist die gleiche Botschaft, die in früheren Jahrhunderten Kreuzritter aufs Pferd gezogen hat, um sich mit dem Aufschrei: Rettet das Grab unseres lieben Heilandes im Heiligen Land! In den Krieg und Pogrome zu stürzen. Derselbe religiös-gefärbte Antisemitismus, der die christlichen Kirchen 2 Jahrtausende lang nach Blut lechzen ließ, nach jüdischem Blut. Hier wird er erzeugt durch gekonnte Fiktion in modernen Medien. Es gibt neben Jesus, seiner Mutter, Maria Magdalene, den Jüngern und dem dekadenten König Herodes drei Sorten von Akteuren: die bösen Juden, die sadistischen Soldaten und ein paar "gute, vernünftige Katholiken" wie Pilatus und seine Frau. Wie auch immer Mel Gibsons Glaubenswelt aussieht, sie muss, das verrät mir der Film, irgendwie sehr simpel sein. Ob die schwülstig sadistisch-masochistischen Szenen und der unentwegt stöhnende Hauptdarsteller unbewusst etwas über seine sexuelle Ausrichtung aussagen, sei dahingestellt.

Und ich fürchte, nicht zuletzt deshalb wird dieser Film ein Renner in der gewaltbereiten islamistisch-fundamentalistischen Welt. Warum? Weil er alles an billigen Klischees mitliefert, was ein islamistischer gewaltbereiter Fundamentalist braucht: Blut fließt reichlich und bietet Identifikation mit der eigenen Geschichte von (erlebter oder eingeredeter) Unterdrückung, die als exzessiv grausam dargestellte jüdische Elite (Nahrung für Antizionismus und Antijudaismus) und die Grausamkeit der römischen Besatzer (USA-Besatzung im Irak etc.), die sich in den Köpfen zu einem Konglomerat aus den Schrecken der alten Kolonialherrschaft und modernem Anti-Amerikanismus verdichtet. Rache- und Kriegsgelüste vor allem gegen Juden und Israelis werden gestärkt, denn man wähnt sich nun auch noch als Leidensgenossen in gutem Einvernehmen mit der christlichen Welt., deren religiöser Führer auf so grausame Weise von eben genannten Prototypen umgebracht wurde... Jesus, eine Art Palästinenser? Wer weiß, er spricht ja im Film auch nicht das verhasste hebräisch, sondern aramäisch, das macht eine Identifikation leichter...

In der christlichen Welt scheiden sich allerdings die Geister. Die evangelikalen Christen vor allem in den USA meinen, auf der Leinwand tatsächlich Jesus zu sehen und vereinnahmen den Film kritiklos und begeistert als Evangelisationspropaganda, sie sind der Meinung, dass es sozusagen eine Art "göttlicher Beteiligung" an der Filmproduktion gibt. Im Gegensatz dazu distanzieren sich die die traditionellen Kirchen eher von diesem Machwerk (siehe unten: Hintergrundinformationen).

Durch die Nahaufnahmen, die getragene Hintergrundmusik und das gedämpfte Licht erzeugt der Film eine Atmosphäre von bedrängender Intimität. Der Betrachter wird aufgesogen von der Unmittelbarkeit der Ereignisse, es wird der Eindruck erweckt, man bekäme hier live ein richtig authentisches Dokument der Zeitgeschichte vorgeführt. Mel Gibson versteht es, den Zuschauer auf eine Art Zeitreise (sagt er selbst) mitzunehmen und lässt ihn – oh Wunder! - die demütigende, peinigende Folterung eines Gottes miterleben! Wer wollte da nicht dabei sein? (Ich z.B... ;-) Und eben dieses scheinbar objektive Miterleben ist es, was den Film zur glatten Blasphemie verkommen lässt: es gibt in Wirklichkeit keine Zeitzeugen, es gibt erst recht keine Schuldigen für Jesu Kreuzestod und es gibt in sämtlichen alten religiösen Dokumenten der Juden und Christen keine Abbildungen! Warum: Jeder Mensch soll und darf sich seine ganz persönliche Vorstellung von einem Schöpfer machen, kein vorgefertigtes Bild (kein Gemälde, keine Skulptur und auch kein Film) soll diese befreiende Möglichkeit einengen.

Hier nun tritt Mel Gibson, der erzreaktionäre Katholik, direkt gegen biblische Grundaussagen an: er missbraucht die Künste der modernen Filmtechnik, um den Zuschauer in eine irreführende Schein-Nähe zu den Akteuren zu versetzen. Aufdringlich überlagert sein Jesus-Bild die Möglichkeiten der eigenen Vorstellungs- und Empfindungskraft. Bereiche der Seele, die wir für eine ganz bestimmte und doch nicht genau definierbare Kraft freihalten sollten, werden von dem so authentisch scheinenden Film-Jesus zugekleistert. Und ich persönlich finde die Art und Weise, wie Gibson Jesus darstellt himmelschreiend abstoßend: ein unablässig stöhnender, röchelnder Mann, schwach in der Bedrängnis, weinerlich-schwülstig, pathetisch bis zum Abwinken. Jeder gefolterte Widerstandskämpfer in anderen Filmen war überzeugender als dieser schauspielernde Religionsbruder von Mel Gibson! Es kostet mich jedoch Mühe, sein Bild wieder loszuwerden!

Verfasser von schwülstigen Werken, die immer weiter und weiter auf ein Thema eindreschen, ohne es eigentlich künstlerisch verarbeiten zu können, mögen diese Art von Kunst. Ich bin froh, dass es auch wirklich begabte Künstler gibt, die befreiende und friedliebende Botschaften, pure Freude oder tiefen Schmerz auf eindrucksvolle Weise darstellen können, sodass der Betrachter bereichert wird im Sinne der für uns Menschen entscheidenden Botschaften der Liebe und Gerechtigkeit. Wenn jemandem wirklich an der künstlerischen Verarbeitung von religiös christlichen Themen liegt, dann sollte er unbedingt sein Gewissen prüfen und seine Motivation, vielleicht kommt er dann zu dem Schluss, die Finger davon zu lassen. Und an die Christen. Die den Film befürworten, ein Wort zum Schluß: Der Zweck heiligt nicht die Mittel!
B.E.

Barbara 30.3.04 13:50