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Die Passion Christi

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Die Passion Christi Barbara 30.3.04 13:50
Die Passion Christi Dietmar Kesten 31.3.04 15:57

Barbara schrieb:

» Mein Kommentar zu dem Film: "Die Passion Jesu" von
» Mel Gibson
»
» Vorab: Ich kritisiere hier einen FILM, keine
» Heiligen, keine biblischen oder evangelikalen
» Inhalte und erst recht nicht den Ewigen und
» Einzigen.. Darum werde ich im folgenden den
» Hauptdarsteller nicht Jesus nennen, sondern "Den
» Schauspieler, Der Jesus Spielt", abgekürzt: DSDJS.
»
» DSDJS sieht aus wie "Der gute Hirte" auf den
» Gemälden um die vorletzte Jahrhundertwende im


» Schlafzimmer, hold und rein, symmetrische-arische
» Züge, fehlte noch, dass er blond wäre. Diesen Jesus
» sieht man im Film aber nur noch in den zahlreichen
» Rückblenden, die in die Handlung einfließen: DSDJS,
» wie er als stupsnasiger lockiger Bub hinfällt,
» DSDJS, der einen Tisch gezimmert hat und mit der
» Mutter scherzt, DSDJS, der mit den Jüngern redet
» und isst etc. Dieser holde DSDJS steht im Verlauf
» des Films in immer krasserem Gegensatz zu dem mehr
» und mehr entstellten Körper des gegeißelten DSDJS.
»
» Am Anfang sieht man DSDJS im nächtlichen Garten,
» mit gepresster Stimme betet er. Judas hat ihn schon
» verraten, Soldaten dringen in den Garten ein, es
» wird gehauen und gestochen, das Ohr ist ab, DSDJS
» heftet das Ohr aber wieder dran. Außer in den
» Einblendungen, in denen er eine normale Stimme hat,
» spricht DSDJS im gesamten Film irgendwie
» weinerlich. Judas, inzwischen bereut er seinen
» Verrat, sieht man auf einem einsamen Stück Land
» neben einem Dromedarkadaver, aus dem die Maden
» krabbeln, dann hängt er sich auf. Pilatus
» erscheint: endlich einer, der mit normaler Stimme
» redet, sympathisch, männlich, nüchtern. Auch seine
» bildhübsche Frau Claudia, die einen warmherzigen
» Eindruck macht und sich um DSDJS sorgt, wirkt
» normal und lebendig. DSDJS hat inzwischen ein
» zugeschwollenes Auge, da er während der 2 Stunden
» unaufhörlich gequält wird, sieht er bald schon
» reichlich mitgenommen aus.
»
» Nun sehen wir Herodes, inmitten vollgesoffener
» Gestalten, die durchs Bild purzeln. Wie angenehm,
» dass bald wieder Pilatus auftaucht, wieder männlich
» entschlossen. Nun lässt er DSDJS geißeln: 19.05 Uhr
» bis 19.15 Uhr! Alle Instrumente kommen zum Einsatz,
» DSDJS stöhnt, grunzt, röchelt, verdreht die Augen,
» fällt hin, blutet und röchelt und grunzt. (So war
» es, ja, grunzt! Ich hoffe, DSDJS wurde für die
» Darstellungen, die sicher nicht ganz ohne Schmerzen
» zu filmen waren, gut bezahlt!? Ich empfand sie als
» reines Sado-Maso-Spektakel, wenn ein Mann soo
» stöhnt, dann – tut mir leid... klingt das, als
» stünde er kurz vorm Orgasmus!) Ich betone: hier
» geht es um einen Film, Leute, kommt runter auf den
» Teppich! Es gibt durchaus glaubhafte Darstellungen
» von Gewalt, von leidenden Helden, aber da klingt
» das Stöhnen nicht sooo. Hier wurde auch nicht
» synchronisiert, also ist es der Originalton, den
» ich gehört habe.
»
» Die jüdischen Film-Frauen, Mutter Maria und Maria
» Magdalena, stehen stets am Rand. Sie sind ernst,
» aber gefasst, kein Schrei entringt sich trotz der
» Grausamkeiten ihren Lippen. Sie pirschen sich, als
» DSDJS weg ist, an den Folterplatz heran, der voller
» Blut ist und wischen mit schneeweißen Tüchern im
» Blut herum (vergessen wir nicht: es ist Ketchup,
» Leute!) und pressen sie dann an ihre Lippen...
» (eine Geste, die noch heute z.B. bei den
» Palästinensern nur eins bedeutet: Rache nehmen!) Im
» Gegensatz zur Pilatus-Ehefrau Claudia, die voller
» Sorge versucht, etwas zu unternehmen, stehen Maria
» und Maria Magdalena meist nur passiv herum und
» starren, sehen weg oder gehen weiter. DSDJS liegt
» auf dem Boden, die Kamera filmt ihn von ganz unten
» zwischen den Füßen aufwärts, dabei hört man ihn
» stöhnen, wollüstig stöhnen. Nun stöhnt er die ganze
» Zeit, röchelt, röhrt, grunzt, verdreht die Augen,
» fliegt in Zeitlupe hin, ist inzwischen über und
» über rot und mit kleinen und großen Wunden bedeckt.
» DSDJS knallt aufs Gesicht (sie lassen nichts aus)
» man sieht jedes Detail. Wenn er nicht gegeißelt
» oder verhört wird, schlägt, bespuckt, beschimpft
» und beleidigt man ihn. Faustschläge hageln in sein
» Gesicht, Fußtritte, Stockschläge. Es gibt keine
» Pause, eine Brutalität nach der anderen, den ganzen
» Film durch. Die jüdische religiöse Führung und die
» römischen Besatzer mit ihren Soldaten werden
» eindeutig als Verursacher und Vollstrecker dieser
» Bestialität gegen einen so harmlosen, guten Mann
» ausgemacht.
»
» Nun muss Jesus sein Kreuz, richtig massiv Holz,
» tragen. Bricht immer wieder zusammen, er klammert
» sich schließlich, um nicht umzufallen, am Kreuz
» fest, sodass der arme Simon das Kreuz und DSDJS
» schleppen muss und wirklich zu bedauern ist... Nun
» setzen sie ihm die Dornenkrone auf. Maria sieht
» allmählich etwas mitgenommen aus. Und Mel Gibson
» lässt wirklich nichts aus: Jeder Hammerschlag darf
» miterlebt werden, von Kopf bis Fuß, es ist eklig.
» Sie nageln und nageln den weiterhin stöhnenden und
» röchelnden DSDJS am Kreuz fest, schön langsam. Dann
» fällt ihnen ein, dass auch von hinten noch Nägel
» reinmüssen, sie drehen das bis dahin liegende Kreuz
» um und der arme DSDJS hängt nun mit seinem Gewicht
» an den Nägeln, klatscht mit Gesicht und Körper auf
» den steinigen Boden, das Kreuz knallt auf ihn
» drauf. Und schon geht´s weiter: er soll wieder
» umgedreht werden, wieder anders herum. Das Kreuz
» wird gedreht mit dem daran hängenden DSDJS, man
» sieht, wie das Körpergewicht ihn an den Nägeln
» hinunterreißt, den hängenden, röchelnden, an Händen
» und Füßen angenagelten DSDJS - und die ganze Zeit
» dieses Stöhnen, dieses irgendwie widerlich
» wollüstig klingende Stöhnen!
»
» Mittlerweile sieht DSDJS wirklich gruselig aus,
» Gesicht aufgequollen, eine Auge zu, Blut und
» Speichel überall. Der DSDJS hat einen so harten
» Mund, mit dem Blut darin wirkt sein verzerrtes
» Gesicht fratzenhaft, hart. Inzwischen ist überall
» Blut, aber Maria hat nur etwas Blut am Mund bisher,
» das soll sich nun ändern: als sie DSDJS in die
» Seite stechen, schießt ein Schwall blutiges Wasser
» heraus und ergießt sich von oben bis unten auf die
» Schauspielerin Mutter Maria, die nun auch besser
» zum Filmgeschehen passt. DSDJS röchelt noch
» weinerlich: es ist vollbracht! und stirbt. Sie
» holen den armen blutigen Fleischklumpen runter und
» Maria hält ihn auf ihrem Schoß, eine Hand steif und
» fassungslos von sich gestreckt.
»
» 1 Minute vor Schluss: die Auferstehung: Die
» Grabkammer des DSDJS wird von Licht überflutet,
» DSDJS hat nicht eine Wunde mehr am Körper, Kamera
» (Nahaufnahme) geht auf seine Hand: ein Loch vom
» Nagel ist drin, dabei kann man noch eben seitlich
» den nackten Po von DSDJS bewundern. DSDJS steht auf
» und geht aus dem Bild. ENDE.
»
» Fazit: Ich distanziere mich als Mitglied der evang.
» Kirche entschieden von diesem Werk und von allen
» christlichen Gruppierungen, die darin eine
» spirituelle Erweckungsmöglichkeit sehen!
»
» Ich halte den Film für äußerst gefährlich und
» stelle ihn in seiner propagandistischen Ausrichtung
» auf eine Stufe wie z.B. den antisemitischen
» NS-Film: "Jud Süß". Auch wenn antisemitische
» Klischees nicht direkt in der Handlung nachweisbar
» sind (Mel Gibson ist sehr vorsichtig gewesen?), so
» bilden sie sich bei bestimmten Menschen während des
» Betrachtens der Bilder, denn hier wird in einer
» scheinbar geschichtlich und religiös korrekten
» Darstellung eine ganz gefährliche Botschaft
» transportiert. Simpel und einleuchtend, aber schwer
» zu entdecken, wie ein Suchbild. Und es ist die
» gleiche Botschaft, die in früheren Jahrhunderten
» Kreuzritter aufs Pferd gezogen hat, um sich mit dem
» Aufschrei: Rettet das Grab unseres lieben Heilandes
» im Heiligen Land! In den Krieg und Pogrome zu
» stürzen. Derselbe religiös-gefärbte Antisemitismus,
» der die christlichen Kirchen 2 Jahrtausende lang
» nach Blut lechzen ließ, nach jüdischem Blut. Hier
» wird er erzeugt durch gekonnte Fiktion in modernen
» Medien. Es gibt neben Jesus, seiner Mutter, Maria
» Magdalene, den Jüngern und dem dekadenten König
» Herodes drei Sorten von Akteuren: die bösen Juden,
» die sadistischen Soldaten und ein paar "gute,
» vernünftige Katholiken" wie Pilatus und seine Frau.
» Wie auch immer Mel Gibsons Glaubenswelt aussieht,
» sie muss, das verrät mir der Film, irgendwie sehr
» simpel sein. Ob die schwülstig
» sadistisch-masochistischen Szenen und der unentwegt
» stöhnende Hauptdarsteller unbewusst etwas über
» seine sexuelle Ausrichtung aussagen, sei
» dahingestellt.
»
» Und ich fürchte, nicht zuletzt deshalb wird dieser
» Film ein Renner in der gewaltbereiten
» islamistisch-fundamentalistischen Welt. Warum? Weil
» er alles an billigen Klischees mitliefert, was ein
» islamistischer gewaltbereiter Fundamentalist
» braucht: Blut fließt reichlich und bietet
» Identifikation mit der eigenen Geschichte von
» (erlebter oder eingeredeter) Unterdrückung, die als
» exzessiv grausam dargestellte jüdische Elite
» (Nahrung für Antizionismus und Antijudaismus) und
» die Grausamkeit der römischen Besatzer
» (USA-Besatzung im Irak etc.), die sich in den
» Köpfen zu einem Konglomerat aus den Schrecken der
» alten Kolonialherrschaft und modernem
» Anti-Amerikanismus verdichtet. Rache- und
» Kriegsgelüste vor allem gegen Juden und Israelis
» werden gestärkt, denn man wähnt sich nun auch noch
» als Leidensgenossen in gutem Einvernehmen mit der
» christlichen Welt., deren religiöser Führer auf so
» grausame Weise von eben genannten Prototypen
» umgebracht wurde... Jesus, eine Art Palästinenser?
» Wer weiß, er spricht ja im Film auch nicht das
» verhasste hebräisch, sondern aramäisch, das macht
» eine Identifikation leichter...
»
» In der christlichen Welt scheiden sich allerdings
» die Geister. Die evangelikalen Christen vor allem
» in den USA meinen, auf der Leinwand tatsächlich
» Jesus zu sehen und vereinnahmen den Film kritiklos
» und begeistert als Evangelisationspropaganda, sie
» sind der Meinung, dass es sozusagen eine Art
» "göttlicher Beteiligung" an der Filmproduktion
» gibt. Im Gegensatz dazu distanzieren sich die die
» traditionellen Kirchen eher von diesem Machwerk
» (siehe unten: Hintergrundinformationen).
»
» Durch die Nahaufnahmen, die getragene
» Hintergrundmusik und das gedämpfte Licht erzeugt
» der Film eine Atmosphäre von bedrängender
» Intimität. Der Betrachter wird aufgesogen von der
» Unmittelbarkeit der Ereignisse, es wird der
» Eindruck erweckt, man bekäme hier live ein richtig
» authentisches Dokument der Zeitgeschichte
» vorgeführt. Mel Gibson versteht es, den Zuschauer
» auf eine Art Zeitreise (sagt er selbst) mitzunehmen
» und lässt ihn – oh Wunder! - die demütigende,
» peinigende Folterung eines Gottes miterleben! Wer
» wollte da nicht dabei sein? (Ich z.B... ;-) Und
» eben dieses scheinbar objektive Miterleben ist es,
» was den Film zur glatten Blasphemie verkommen
» lässt: es gibt in Wirklichkeit keine Zeitzeugen, es
» gibt erst recht keine Schuldigen für Jesu
» Kreuzestod und es gibt in sämtlichen alten
» religiösen Dokumenten der Juden und Christen keine
» Abbildungen! Warum: Jeder Mensch soll und darf sich
» seine ganz persönliche Vorstellung von einem
» Schöpfer machen, kein vorgefertigtes Bild (kein
» Gemälde, keine Skulptur und auch kein Film) soll
» diese befreiende Möglichkeit einengen.
»
» Hier nun tritt Mel Gibson, der erzreaktionäre
» Katholik, direkt gegen biblische Grundaussagen an:
» er missbraucht die Künste der modernen Filmtechnik,
» um den Zuschauer in eine irreführende Schein-Nähe
» zu den Akteuren zu versetzen. Aufdringlich
» überlagert sein Jesus-Bild die Möglichkeiten der
» eigenen Vorstellungs- und Empfindungskraft.
» Bereiche der Seele, die wir für eine ganz bestimmte
» und doch nicht genau definierbare Kraft freihalten
» sollten, werden von dem so authentisch scheinenden
» Film-Jesus zugekleistert. Und ich persönlich finde
» die Art und Weise, wie Gibson Jesus darstellt
» himmelschreiend abstoßend: ein unablässig
» stöhnender, röchelnder Mann, schwach in der
» Bedrängnis, weinerlich-schwülstig, pathetisch bis
» zum Abwinken. Jeder gefolterte Widerstandskämpfer
» in anderen Filmen war überzeugender als dieser
» schauspielernde Religionsbruder von Mel Gibson! Es
» kostet mich jedoch Mühe, sein Bild wieder
» loszuwerden!
»
» Verfasser von schwülstigen Werken, die immer weiter
» und weiter auf ein Thema eindreschen, ohne es
» eigentlich künstlerisch verarbeiten zu können,
» mögen diese Art von Kunst. Ich bin froh, dass es
» auch wirklich begabte Künstler gibt, die befreiende
» und friedliebende Botschaften, pure Freude oder
» tiefen Schmerz auf eindrucksvolle Weise darstellen
» können, sodass der Betrachter bereichert wird im
» Sinne der für uns Menschen entscheidenden
» Botschaften der Liebe und Gerechtigkeit. Wenn
» jemandem wirklich an der künstlerischen
» Verarbeitung von religiös christlichen Themen
» liegt, dann sollte er unbedingt sein Gewissen
» prüfen und seine Motivation, vielleicht kommt er
» dann zu dem Schluss, die Finger davon zu lassen.
» Und an die Christen. Die den Film befürworten, ein
» Wort zum Schluß: Der Zweck heiligt nicht die
» Mittel!
» B.E.

Guten Tag!

Wenn Sie auch als Mitglied der evangelischen Kirche
eine besondere Stellung zum NT, den darin
vorkommenden Aussagen, und eine Nähe zur biblischen
Verkündung nicht verleugnen, so will ich Ihnen doch
kurz antworten.
"Jeder soll nach seiner Fasson selig werden" sagte
bereits der Alte Fritz. Das ist Ihnen unbenommen.
Ich habe nun selbst im 'Spezial' 4 Teile zu
Mel Gibsens Film veröffentlicht, und sehe zumindest
in seiner radikalen Art, Action auf die Leinwand
zu bringen, eine konsequente Weiterführung
der Splatter-Movies, die uns aus dem Kino der Moderne
seit Jahren bekannt sind.
Da kann ich Ihnen, wenn Sie das meinen, nur zustimmen.
Ich würde sogar noch einen Schritt weiter gehen:
das Kino der Moderne scheint unnachgiebig auf
Gewalt zu setzen, und da sie selbst ein Hort der
Gewalt ist, reiht sich der Film hier gnadenlos ein.
Die Gewaltbereitschaft wird unerträglich bedient,
und sie ist schon fast eine hermetische
Versiegelung im fiktionalen filmischen Raum.
Dieser wird letztlich nur noch eine bestimmte Art
von Filmen zulassen, die sich am dem Reportoire
ihrer Protagonisten orientieren.

Allerdings muss ich das auch wieder etwas abschwächen,
weil es immer wieder Filme geben wird, die
gesellschaftliche Probleme aufgreifen, Gegenentwürfe
zum modernen Kino auf die Beine stellen, und sich
auf Aussagen konzentrieren, die an den Grundfesten
der meschlichen Existenz rütteln. Verweisen darf
ich u. a. auf "In America", "Mystik River" und
"21 Gramm". Obwohl diese Filme natürlich auch
ohne ein gewisses Gewaltpotential nicht auskommen,
so sind sie doch Verkörperungen der alltäglichen
Gewalt in Staat, Gesellschaft, Familie usw.
Sie entledigen sich in gewisser Weise auch ihrer
bürgerlichen Maske, und nehmen von den Versatzstücken
des etablierten Kinos Abstand.

Im Weltbild des Horrorspektakels und der Actionklassiker, wird Gibsons Film eine besondere
Bedeutung besitzen. Wagt er sich doch an ein
Thema, dass die Geister scheidet.
Ich vergleiche das mit dem HDR, der auch die
Figuren überzeichnet, die Dominanz und die Stärke
der Guten, die Unterkühlung der Bösen, die
Neutralität der geschminkten populären Kultur (z.
B. Gandalf) herausstellt.
Obwohl (siehe auch meine Kritiken auf dieser Seite)
der HDR ein ganzes anderes Genre bedient, so gibt
es doch Parallelen, die sicherlich auf den ersten
Blick nicht zu durchschauen sind, die aber jene
emotionale Geborgenheit heucheln, die beide Filme
auszeichnet, und woran ich auch vehemente Kritik
eingebracht habe.
Ist doch das Stilprinzip beider Filme der
Kontrast, der Armut und Reichtum, hoher und
niedriger Sozialstatus, Gefühlskälte und
Emotionalität plakativ gegenüberstellt, und die
Chaaktere als Verkörperung dieser kontrastierenden
Eigenschaften angelegt.
Nun will ich mich nicht mehr mit dem HDR beschäftigen,
weil die gegensätzlichen Standpunkte dermassen
gravierend sind, dass die Darstellung einfacher
Gegensatzpaare der Widersprüche selbst bei denen,
die den HDR verehren, nur Verteufelung der Gegenseite
hervorrufen.
Dass es sie aber gibt, ist mir nach dem Gibson Film
relativ deutlich geworden.

Dass der Film Klischees über Klischees bedient, ist
keine Frage. Da stimme ich Ihnen zu.
Die Attraktivität für Gibson war doch, einen Film
zu machen, der sich mit der zurückgenommenen Aussage des Vatikans "so war es" arrangieren konnte.
Und völlig unabhängig von der Existenz der
historischen Figur im NT, strickt Gibson seinen
Traum von Liebe und Glück mit deutlichen
Märchenmotiven einer kompensationsbedürftige
gesellschaftlichen Wirklichkeit.
Gibson tut so, als ob diese manifestierte
Liebesgeschichte mit ihrem tragödienhaften Aufbau
und dem tragische Ende die eigentliche Apokalypse der Menschheit vorwegnimmt.
Da hat er von dem (und zwar ohne Religion), was auf sie zukommen wird, wenig verstanden.
Insofern ist dieser Film eine einziger reaktionärer
Schuss in den Ofen; denn die Warenproduktion
insistiert auf den ausbeutungsfähigen Menschen,
und nicht auf Konflikte mit Strenggläubigen.

Gibson bedient die Oberflächenebene, unter der sich die eigentliche Geschichte verdeckt. Das ist
ziemlicher unlauter, weil er Liebe, wenn es sie
gibt, auf eine Symbolfigur projiziert.
Diese Funktion hat für ihn womöglich auch einen
relevanten politischen Wert; denn sie (die Figur)
erscheint ja als Mittel zur Bewältigung
gesellschaftlicher Konflikte (Tempelreinigung usw.)
Mit Verlaub: wer sich auf diese Personifikation
eines neuen 'Werts' stützen möchte, dem muss
diese befremdliche Behauptung einer personifizierten
Identität als Horrorvorstellung vorkommen: "ie
Menschen machen ihre Geschichte selbst" hätte
Karl Marx gesagt, und er hätte hinzugefügt "Religion ist Opium des Volkes".
Einmal mehr hat sich meine Auffassung nach dem Film
bestätigt.

Sie werden mir nicht zustimmen. Doch diese Auseinandersetzung ist, selbst dann, wenn sie nur ein
subversives, subjektivistisches und psychologisches
Spiel sein sollte, ähnlich zu gewichten, wie sie
einst in Kubricks Klassiker "A Clockwork Orange"
(1971) zum Ausbruch kam: es geht um Aggrssion und
Verbrechen.
In diesem Sinne ist der Diskurs über staatliche Hilflosigkeit bei Gewalt und Terror ganz anders zu
gewichten, als ein Disput über einen Film mit
vielen sadistischen Szenen einer Blutorgie.
Die Tendenz zur Aktualisierung dieses Stoffes ist im
übrigen seit "Breavhart" die paranoide Verzückung
(gebrauche ich sehr ungerne!) eines Gibson.
Deswegen ist er realitätsfern und von einem
unglaubwürdigen Humanismus durchzogen.
Dass die immer wiederkehrende Verbindung
von Sex, Gewalt und Träumen (orgastische Präsenz)
in Bibelfilmen ein beliebiges Thema ist, ist auch
seit "Das Leben des Brain" unumstritten.
Die exemplarische Konfliktfigur aus der Bibel
war ja dort nichts anderes als ein intellektueller
Assoziationstest, der die pointierte
Wiederholung einer imaginären Geschichte zum
Thema hatte.
Das entwicklungsgeschichtliche Credo war aber der Versuch, die Obrigkeit und die Uniformität zu
desavouieren, und sie mit imaginierten
Bibelzitaten mit dem ideologischen Subsens
der zirkulierenden Erzählstruktur zu verbinden.
Die Hintergründigkeit dieses Films war: "Wie
schrecklich ist es auf der Welt zu sein" (F.
Kafka)mit einem ironisierten Unterton nahezu
zu überdimensionieren.

Das durchstilisierte moderne Design eines
Gibson unterscheidet sich natürlich von dieser
Persiflage, obwohl er in Konsequenz nichts anderes
ist, als eine manipulative Wiederholung der
aufbrechenden Pop- und Op-art dieses Bibelgenres.
So gesehen haben beide Filme eine Tradition
vorzuweisen: sie greifen das alte viktorianische
Thema von der Kraft der bösen Lust und die
gereinigte Darstellung darüber auf.
Doch diese in sich paraphrasierende Pop-Kunst
hebt sich selbst wieder auf, nämlich durch die
Verbindung von Imperialismus und Konsumkultur,
von Warenästhetik und Geldfetischismus.

Die in sich zerstörende Selbstreflexion des
Films, die Selbstzweifelexesse, das Masochistisch-
Sadistische erobert die Kinobühnen.
Das irritiert mich aus dieser Kunstssicht, auch aus
der gesellschaftlich-politischen; denn
der einfache Wunsch, Werte zu artikulieren, kann
nicht durch plupe Gewaltdarstellungen begründbar
erscheinen.
Eine hochrangige Verfilmung ist "Die Passion
Christi" nicht.
Er lotet alle Ansätze der sadistisch-masochistischen
heutigen Alltagsrituale gekonnt aus. Das ist die
Dominanz der westlichen Kultur, aber auch
des Warenfetischismus und der daraus resultierenden
Beziehung 'Ware-Geld-Ware'.
Hollywood ist nur zu gerne dazu bereit, dieses
Pferd weiter zu bedienen.

"Nur ein Atheist kann ein guter Christ sein;
nur ein Christ kann ein guter Atheist sein."
(Ernst Bloch)

Dietmar Kesten 31.3.04 15:57