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Factotum

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NEUE SPRECHER? Dietmar Kesten 10.1.06 17:28

FACTOTUM

NEUE SPRECHER?

von DIETMAR KESTEN, GELSENKIRCHEN, 9. DEZEMBER 2005.

Charles BUKOWSKI, Amerikaner, hat Kurzgeschichten geschrieben, Essays, Gedichte, Romane. Alles drehte sich bei ihm um Sex, Alkohol und Poesie.
In Seinem Roman „Factotum“ ist es nicht anders. Die immer wiederkehrenden Themen kreisen um Suff One Night Stands und Literatur. Die Thematiken sind bekannt. Nur wenigen gelang es, im Rausch zur wahren Filmgröße heranzureifen
und sich zu outen. Erinnert werden soll an das Drama „Barfly“ (Regie: Barbet SCHROEDER, 1987) mit Mickey ROURKE in der Rolle des Henry Chinasky, aber auch an „Leaving Las Vegas“ (Regie Mike FIGGES, 1995), oder an „Der Trinker“ (Regie: Tom TOELLE, 1995) mit Harald JUHNKE. Den Sprung aus der Bürgerlichkeit heraus, schaffte keiner von ihnen. Alle wollten sie ihrem trostlosen Milieu entfliehen, kehrten aber bald wieder in die geborgene Welt zurück.

Nun will auch Henry (Matt DILLON) den großen Sprung wagen. Er ist ambitioniert, kann schreiben. Und will heraus. Aber wohin nur? Er schlägt sich als Gelegenheitsarbeiter durch, hat Affären, wettet auf Pferde, lernt eine Frau kennen, die von einem möglichen bürgerlichen Leben und einer großen Liebe träumt. Henry hängt vor allem an der Flasche. Wo es geht, schreibt er, stellt sich bei Verlagen vor, sendet Manuskripte ein, um seine eigentlichen Interessen zu finanzieren. Niemand will ihn veröffentlichen.

Mit dieser Gefühlswelt schleppt sich Henry durch den Film. Sollte man ihn bedauern, gar Mitleid mit ihm haben? Das Porträt eines Künstlers als Verlierer ist doch recht abgegriffen. Und immer dann, wenn es darauf ankommt, schaut der Film weg.
Matt DILLON bleibt immer an Rande der Bürgerlichkeit. Und er ist immer zartbesaitet, damit auch keine Kultur verloren geht. Hatte Micke ROURKE noch im Suff die schmutzigen Folgen und die umgestülpte Seele seines Tun kennen lernen müssen, so ist Henry hier eine Enttäuschung.

Matt DILLON ist immer sauber. Er ist auch kein Melancholiker. Sein aufgesetzter Blick ist Dramaturgie fürs Theater, wo viel geplant, gedacht, einstudiert und bedacht wird. Er ist nur ein Geschöpf von BUKOWSKI. Ohne eigenständiges Leben und vor allem ohne eigenständige Ideen. Da mag sich der Lebensweg Chinaskys wie ein Buch lesen: immer von Arbeitslosigkeit bedroht, permanentem Geldmangel, keine Bleibe, Weibergeschichten. Bestenfalls ist Henry nur ein Nachfolger aller Süchtigen, vielleicht nur ein großer Bube, der heimlich zu Muttern zurückkehrt, um dann wieder nichts Halbes und nichts Ganzes zu machen.

Bent HAMER (Regie: „Eggs“, 1995, „Water Easy Reach“, 1998, „Kitchen Stories“, 2003) schafft es nicht, aus dem Film erzählende Leidenschaft zu machen. Er ist einfach zu bieder, nur Beschreibung. Mit einigen philosophischen Untertönen versetzt, findet der Film nie zu seiner Sprache. Denn wenn jemand seinen Weg gehen soll, wie Henry es andeutet, dann muss man scharfsinnig genug sein, auf die ganzen Nebensächlichkeiten zu verzichten. Und damit bissig sein, politischen Scharfsinn haben, Prediger und Zweifler in einem sein, Schmerzen, Heiterkeit, Trauer, Trost und Zorn vereinigen können.

So wie HAMER Henry darstellt, ist er nur jemand, der sich im Stakkato seiner Sprache versteckt. Henry ist nur auf der Durchreise. Er ist zu milde, zu versöhnlich. Wenn man so will: nur eine Kette von Verstrickungen, ein fliegendes Kulturrathaus ohne wirkliches Manuskript. Vielleicht wird man DILLON nicht gerecht, weil er wirklich alles gibt, vielleicht ist es aber gerade das, was zu aufgesetzt wirkt?

Fazit: Oft gesehene Dramen unterliegen immer den Abnutzungserscheinungen.
Hier ist es nicht anders. Dillon ist gut, aber nicht aussagekräftig genug. Letztlich springt er nicht über seinen Schatten. Die Bürgerlichkeit holt ihn schnell wieder ein.

Dietmar Kesten 10.1.06 17:28