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Die Passion Christi

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FETISCH RELIGION

Zu den Hintergründen des Films
Antisemitismus im Neuen Testament
Kurzer Abriss zur Unerkennbarkeit des historischen Jesus
Das Kreuz mit dem Kreuz
Immer wenn der Hahn kräht...

von DIETMAR KESTEN, GELSENKIRCHEN, 31. MÄRZ 2004

Mel GIBSON und seine Passion ist in seiner radikalen Art, Action auf die Leinwand zu bringen, eine konsequente Weiterführung der Splatter-Movies, die uns aus dem Kino der Moderne seit Jahren bekannt sind. Dieses Kino scheint unnachgiebig auf Gewalt zu setzen, und da es selbst ein Hort der Gewalt ist, reiht sich der Film hier gnadenlos ein. Die Gewaltbereitschaft wird unerträglich bedient, und sie ist schon fast eine hermetische Versiegelung im fiktionalen filmischen Raum. Dieser wird letztlich nur noch eine bestimmte Art von Filmen zulassen, die sich am dem Repertoire ihrer Protagonisten orientieren.

Allerdings muss man auch wieder diese Position etwas abschwächen, weil es immer wieder Filme geben wird, die gesellschaftliche Probleme aufgreifen, Gegenentwürfe zum modernen Kino auf die Beine stellen, und sich auf Aussagen konzentrieren, die an den Grundfesten der menschlichen Existenz rütteln. Verweisen möchte ich ich u. a. auf "In America", "Mystic River" und "21 Gramm". Obwohl diese Filme natürlich auch ohne ein gewisses Gewaltpotential nicht auskommen, so sind sie doch Verkörperungen der alltäglichen Gewalt in Staat, Gesellschaft, Familie usw. Sie entledigen sich in gewisser Weise auch ihrer bürgerlichen Maske, und nehmen von den Versatzstücken des etablierten Kinos Abstand.

Im Weltbild des Horrorspektakels und der Actionklassiker, wird Mel GIBSON und sein Passions-Spektakel eine besondere Bedeutung besitzen. Wagt er sich doch an ein Thema, an dem sich die Geister scheiden. Doch es war auch "Der Herr der Ringe", der die Figuren überzeichnete, die Dominanz und die Stärke der Guten, die Unterkühlung der Bösen, die Neutralität der geschminkten populären Kultur (z. B. Gandalf) herausstellte. Obwohl die Ring-Saga ein ganzes anderes Genre bedient, so gibt es doch Parallelen, die sicherlich auf den ersten Blick nicht zu durchschauen sind, die aber jene emotionale Geborgenheit heucheln, die beide Filme auszeichnet. Ist doch das Stilprinzip dieser: der Kontrast, der Armut und Reichtum, hoher und niedriger Sozialstatus, Gefühlskälte und Emotionalität plakativ gegenüberzustellen und die Charaktere als Verkörperung dieser kontrastierenden Eigenschaften anzulegen.

Dass der Film Klischees über Klischees bedient, ist keine Frage. Die Attraktivität für GIBSON war doch, einen Film zu machen, der sich mit der zurückgenommenen Aussage des Vatikan "so war es" arrangieren konnte. Und völlig unabhängig von der Existenz der historischen Figur im NT, strickt er seinen Traum von Liebe und Glück mit deutlichen Märchenmotiven einer kompensationsbedürftigen gesellschaftlichen Wirklichkeit. GIBSON tut so, als ob diese manifestierte Liebesgeschichte mit ihrem Tragödienhaften Aufbau und dem tragische Ende die eigentliche Apokalypse der Menschheit vorwegnimmt. Insofern ist dieser Film eine einziger reaktionärer Schuss in den Ofen; denn die Warenproduktion insistiert auf den ausbeutungsfähigen Menschen, und nicht auf Konflikte mit Strenggläubigen.

GIBSON bedient die Oberflächenebene, unter der sich die eigentliche Geschichte verdeckt. Das ist ziemlicher unlauter, weil er Liebe, wenn es sie überhaupt gibt, auf eine Symbolfigur projiziert. Diese Funktion hat für ihn womöglich auch einen relevanten politischen Wert; denn sie (die Figur) erscheint ja als Mittel zur Bewältigung gesellschaftlicher Konflikte (Tempelreinigung usw.). Mit Verlaub: wer sich auf diese Personifikation eines neuen 'Werts' stützen möchte, dem muss diese befremdliche Behauptung einer personifizierten Identität als Horrorvorstellung vorkommen: "Die Menschen machen ihre Geschichte selbst" hätte Karl MARX gesagt, und er hätte hinzugefügt "Religion ist Opium des Volkes".

In Staat und Gesellschaft geht es in der Zwischenzeit um Aggression und Verbrechen, um Mord und Terror. Und die Darstellung darüber ist im Film vielleicht so zu gewichten wie in "A Clockwork Organge" (Regie Stanley KUBRICK, 1971). In diesem Sinne ist der Diskurs über staatliche Hilflosigkeit bei Gewalt und Terror ein viel wichtigeres Thema, als ein Disput über einen Film mit vielen sadistischen Szenen einer Blutorgie. Die Tendenz zur Aktualisierung dieses Stoffes ist im übrigen seit "Braveheart" die paranoide Verzückung, in die sich GIBSON zu verstricken scheint. Deswegen ist er realitätsfern und von einem unglaubwürdigen Humanismus durchzogen. Dass die immer wiederkehrende Verbindung von Sex, Gewalt und Träumen (orgastische Präsenz) in Bibelfilmen ein beliebiges Thema ist, ist auch seit "Das Leben des Brian" (Regie: Terry JONES, 1971) unumstritten.

Die exemplarische Konfliktfigur aus der Bibel war ja dort nichts anderes als ein intellektueller Assoziationstest, der die pointierte Wiederholung einer imaginären Geschichte zum Thema hatte. Das entwicklungsgeschichtliche Credo war aber der Versuch, die Obrigkeit und die Uniformität zu desavouieren, und sie mit imaginierten Bibelzitaten, mit dem ideologischen Subsens der zirkulierenden Erzählstruktur zu verbinden. Die Hintergründigkeit dieses Films war: "Wie schrecklich ist es auf der Welt zu sein" (F. KAFKA) mit einem ironisierten Unterton nahezu zu überdimensionieren.

Das durchstilisierte moderne Design eines GIBSON unterscheidet sich natürlich von dieser Persiflage, obwohl er in Konsequenz nichts anderes ist, als eine manipulative Wiederholung der aufbrechenden Pop- und Op-art dieses Bibelgenres. So gesehen haben beide Filme eine Tradition vorzuweisen: sie greifen das alte viktorianische Thema von der Kraft der bösen Lust und die gereinigte Darstellung darüber auf. Doch diese in sich paraphrasierende Pop-Kunst hebt sich selbst wieder auf, nämlich durch die Verbindung von Imperialismus und Konsumkultur, von Warenästhetik und Geldfetischismus. Die in sich zerstörende Selbstreflexion des Films, die Selbstzweifelexzesse, das Masochistisch-Sadistische erobert die Kinobühnen. Das irritiert und schockiert auch aus der gesellschaftlich-politischen Perspektive; denn der einfache Wunsch, Werte zu artikulieren, kann nicht durch plumpe Gewaltdarstellungen begründbar erscheinen.

Eine hochrangige Verfilmung ist "Die Passion Christi" nicht. Er lotet alle Ansätze der sadistisch-masochistischen heutigen Alltagsrituale gekonnt aus. Das ist die Dominanz der westlichen Kultur, aber auch des Warenfetischismus und der daraus resultierenden Beziehung 'Ware-Geld-Ware'. Hollywood ist nur zu gerne dazu bereit, dieses Pferd weiter zu bedienen.

"Nur ein Atheist kann ein guter Christ sein; nur ein Christ kann ein guter Atheist sein." (Ernst BLOCH)

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