filmz.de
Closed

München

[ Info ] [ Links ] [ Kommentare ]
GESCHICHTSFÄLSCHUNG Dietmar Kesten 27.1.06 17:54
MÜNCHEN/KOMMENTAR Dietmar Kesten 30.1.06 22:22
DER POLITFILM/KOMMENTAR Dietmar Kesten 28.1.06 17:18
DER UNSICHTBARE AUFSTAND UND MÜNCHEN Dietmar Kesten 29.1.06 13:28

MÜNCHEN/KOMMENTAR

von DIETMAR KESTEN, GELSENKIRCHEN, 30. JANUAR 2006.

Abu DAUD, einer der Führer der Organisation des „Schwarzen September“ 1972, hat sich im „Spiegel - tv“ vom 30. Januar 2006 dahingehend geäußert, dass „keiner der Palästinenser, die der israelische Mossad nach dem Attentat von München liquidiert“ hat, tatsächlich an den Anschlägen beteiligt gewesen war. Das könnte die Auffassung bestätigen, dass Steven SPIELBERG, der amerikanische Regisseur von „München“ Informationen aufgesessen ist, die seinen Film aus dieser Sicht unglaubwürdig machen könnten. DAUD hatte sich ja schon bereits im Vorfeld beschwert, dass er sich nicht bei ihm „über den Verlauf der Ereignisse“ erkundigt habe. DAUD, der bis 1989 in Ostberlin untertauchte, und auf den selbst ein Anschlag verübt worden war, merkte auch an, dass es den Israelis gar nicht darum ging, die wirklichen Attentäter zu fassen, sondern die jeweils die „ranghöchsten Palästinenser zu töten“.

Danach müsste die Frage von Schuld und Rache neu definiert werden. Darf ein Staat einfach zu denen im Film beschriebenen Mitteln greifen, um sich selbst als höchste Autorität herauszustellen? Auf welches Recht würde man sich berufen können?
Auge um Auge, Zahn um Zahn? Mit „München“ scheint sich der Meister nicht nur übernommen zu haben, sondern sich auch einem Ideenfanatismus zu verschreiben, einem Heroismus im Niemandsland, wo es nur noch darum geht, einen „guten Willen zum Selbstuntergang“ zu beweisen. Abu DAUD sprach auch die Ereignisse in Beirut an, die der Film widerspiegelt. Die Israelis hätten bei dieser Aktion alles wahllos mit ihren Maschinenpistolen niedergemäht, was „nach Palästinensern aussah“.

Was bliebe also von „München?“ Ein Aufschrei gegen den Terror? Diese Stimme müsste von beiden Seiten erhoben werden, von denen die Terror ausgeübt haben, und von denen, die den Terror auf höchster politischer Staatsebene gebilligt hatten. „Niemand von denen, wird mehr sicher sein“, sagte Golda MEIR kurz nach dem Attentat. Sie hatte recht behalten. Die aggressive Enthemmung setzte sich fort und fort. Doch der Film schweigt dazu.

SPIELBERGs Film lässt diese Sensibilität eindeutig vermissen. Er dokumentiert auf seine Weise historische und politische Zusammenhänge, die man annehmen kann, aber keinesfalls muss. Im damaligen internationalen Netzwerk des gesponserten Terrorismus, war der „israelische Zionismus“ (so auch UN - Resolutionen) so etwas wie ein geheimer „spiritus rector“ des gesamten Weltimperialismus. Hier gab es unzählige Verschwörungstheorien, die dem modernen politischen Antisemitismus des 19. oder frühen 20. Jahrhunderts im übrigen in nichts nachstanden.

Es wäre also die Frage zu stellen, ob nicht die Geschichte die SPIELBERG erzählt, gerade deswegen eine (unzulässige) Parteinahme darstellt? Der Film reduzierte sich dann nämlich, von dem eigentlich Attentat einmal abgesehen, nur noch auf die Jagd nach den vermeintlichen Terroristen, die sie hätten sein können. Dass der Mossad nach Beirut im übrigen keine Ruhe gab, zeigte sich auch daran, dass einer der Stellvertreter ARAFATs, Abu DSCHIHAD, 1988 von einem israelischen Kommando in Tunis ermordet wurde.

Doch viel wichtiger erscheinen mir die ethischen Kategorien zu sein, deren Logik in „München“ allerdings im einem Wirrwarr aus Widersprüchen und falschen Antworten unterzugehen scheinen. Das ideologische Stückwerk von „München“, die mögliche und perfekte Verwischung von Spuren, durchzogen von Halbwahrheiten und Ungereimtheiten, wäre nur mit der Waage der Philosophen neu zu überdenken: was ist Schuld, was ist Vergebung, was folgt auf Rache, was ist Sühne?

Dietmar Kesten 30.1.06 22:22