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Der Herr der Ringe - Die Rückkehr des Königs

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Der Herr der Ringe - Die Rückkehr des Königs Dietmar Kesten 19.12.03 13:11
Der Herr der Ringe - Die Rückkehr des Königs Cub_744 7.1.04 02:35
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Der Herr der Ringe - Die Rückkehr des Königs Dietmar Kesten 24.12.03 11:10

DER HERR DER RINGE

DER LOB AUF DEN FILM KLINGT WIE EIN NEUER ZWANG

von DIETMAR KESTEN, GELSENKIRCHEN, 26. DEZEMBER 2003.

Als 1982 Marion ZIMMER BRANDLEY ihren Fantasy- Roman
„Die Nebel von Avalon“ herausbrachte, schoss das lebhafte
Interesse für diesen populären Kitsch spürbar in die Höhe.
Die Kritiker waren bereit, diesem Buch so zu begegnen, wie
sie heute dem „Herrn der Ringe“ begegnen: völlig unkritisch
und fern ab jeder Realität.
Der heutige Alltag spuckt in der Zwischenzeit ständig Menschen
aus, die diesen Monumentalschinken mehr Aufmerksamkeit
widmen, als der Frage, ob nicht die Unterhaltung die
mächtigste und unausweichlichste Kraft unserer Zeit darstellt,
und ob nicht genau in diesen Werken der Kontext bloß Unterhaltung
heißt.

Während sich die Kultur der Tyrannei der Unterhaltung beugt, und
das Leben zum Film wird, beklagen die Kritiker, dass zwar alles
grob, vulgär oder trivial geworden sei, doch sie behalten ihre
‚Heiligen Kühe’, die im Medienrummel heraufbeschworen, jene
eigenartige Mischung aus Zusammengehörigkeitsgefühl,
Märchen und Entwerfen neuer Werte darstellen.
Alle, die nach Helden, Vorbildern und Erlösung suchen, kann man
nur enttäuschen.
Dem Trügerischen wird heute weitaus größere Erfolgschancen
eingeräumt, als denjenigen, die die Finger auf die Wunden legen,
und fragen, ob es nicht sein kann, dass Medien wie Fernsehen,
Radio, Kino, Internet, Video und DVD diese Macht der Darstellungen
in überhöhter Form als Populärkultur verkaufen.
Der Literaturkritiker Michael WOOD hat in seinem Buch
„America and the Movies“ diesen Mechanismus analysiert und
beschreibt unsere Filme, als die „Reorganisation unserer Probleme
zu Formen, die sie bezwingen und an den Rand unseres
Bewusstseins drängen“, wo „wir sie schließlich vergessen können“.
Und ist nicht so, dass wir mit Filmen wie „Der Herr der Ringe“ dem
Leben entfliehen, indem wir uns in saubere narrativen Formeln
flüchten, in die die meisten Erzeugnisse der Unterhaltung
verpackt sind?

Heute will niemand mehr im Kino ‚lebloses Zelluloid’ sehen.
Darin liegt die Crux. Die Mechanik der wehrlosen Klassiker ist
vorbei. Und auch deshalb ist „Der Herr der Ringe“, der sich in
schönen und noblen Bildern präsentiert, etwas ‚sensationelles’
bezüglich der Unterhaltung.
Er hilft schlicht das Bild des Alten, des Guten, des Bösen, zu
bewahren. In gewisser Weise entspricht er damit der
Originalität der Unterhaltung, die als konventionell und formelhaft
bezeichnet werden kann.
Ob er damit den Geist der Kultur in der Postmoderne atmet,
muss gefragt werden dürfen.
Wenn der öffentliche Diskurs von der Form des Entertainments
beherrscht wird, und Gefühle und Sinne moralische Zugeständnisse
machen, dann nimmt auch die Bildhaftigkeit des Films
im Kino die Form eines verbesserten Lebensfilms an.
Er wird zum Forum, wo Nachrichten transportiert werden.

Trotz aller grellen Bilder und trotz fortlaufender erzählerischer
Melodramen, kann ich mich mit der grenzenlosen
Trivialität des „Herrn der Ringe“ kaum anfreunden.
Das leichtgläubige Publikum nimmt seine Gewaltorgien gerne
an. Ist der „Herr der Ringe“ doch noch ein Märchen. Und im
Märchen darf dann munter losgemetzelt werden; denn es ist
ja nur Unterhaltung, die hier angeboten wird. Sie wird aber
klammheimlich zum allgemeinen Wertmaßstab für die Realität.
Die Verrohung und die stetige Entwicklung der Gewalt, die
mit Fernsehen und Kino in Zusammenhang gebracht werden
können, ist z. B. auch seit Alexander MITSCHERLICH bekannt.
Ist nicht der „Herr der Ringe“ getreues Abbild
der Kommunikationsmedien? Zwar neu geschaffen durch
Techniken und Visualität, aber immer gewaltbereit.
Vielleicht wird auch die Trilogie deswegen zum vermutlich
verkäuflichsten Kino-Produkt aller Zeiten mutieren.

Ob sich JACKSON damit auseinandersetzt, interessiert hier
nicht. Fest steht aber, dass die Mechanismen der Kulturindustrie
den „Herrn der Ringe“ in ihre Logistik des Entertainments packen.
Angefangen vom Engagement der Schauspieler, den
Verträgen, Filmbudgets und Bruttoeinkommen, Einspielquoten,
Fernseh- Einschaltquoten, Presseberichten, Beratern, Drehbuch,
anderen Leuten, deren Aufgabe es war, beim Erzeugen der
Effekte mitzuhelfen, findet hier eine kolossale Marketing-Strategie
statt, die leider nur beunruhigen kann.
Letztlich dreht es sich auch nicht nur um den „Herrn der Ringe“,
sondern auch um die Frage, ob der überfüllte Medien-Supermarkt
diesen Crash überhaupt noch überleben kann.

Das Publikum giert nach Unterhaltung. Fast scheint es schon zu
sein, dass das menschliche Leben sich dieser Unterhaltung
beugt und in eine Künstlichkeit, die „Der Herr der Ringe“ auch
zu bieten hat, abdriftet.
Wenn Unterhaltung nur noch darauf hinausläuft, provokative und
sensationellen Verpackungen zu wählen, dann wird das Leben
selbst ein einziges verkäufliches Produkt.
Kino ist auch ein Produkt der Sprache.
Es wird uns von ihm in einer immer neueren Form des Denkens zur
Verfügung gestellt, das wir gerne annehmen, weil das Medium
Botschaft ist und das Medium (hier das Kino) die Aussagen über
die Welt bestimmt.

Der Zusammenhang ist ja gerade der, das die Kulturindustrie die
Menschen auf Massenwesen reduziert hat, was seit den Kritikern der
Kulturindustrie unstrittig ist.
Wenn jetzt "Der Herr der Ringe" mit dem sogenannten selbstbestimmten
Menschen antritt, dann entspricht das nur der Euphorisierung der
aktuellen Konjunktur.
Der Verdacht, dass der „Herr der Ringe“ sich genau daraus nährt,
und eine für die Medien inszenierte Show ist, ist latent vorhanden.
Die Bilder des "Herrn der Ringe" sind Wiederkäumaschinen, in
denen sich Stereotypen entfalten und triumphieren.
Es ist kein Geheimnis mehr, dass Märchen oder Fantasy reine
Täuschung ist, die die Sachzusammenhänge verkennen.
Es sind sozusagen planetare Verwicklungen, die dieses
Präzisions-Machwerk zu dem gemacht haben, was es ist: den
Massenmarkt mit exakt kalibrierten Bildern zu beliefern.

Die Geschichte, die Tolkien zu bieten hat, wird zum Stoff, aus dem
die Träume sind.
Bei JACKSON dient der gewaltige digitale Aufwand nur dazu,
einen Versuch des Triumphs der Verzauberung zu starten, um
dadurch einen Bilder- und Blutrausch zu erzeugen, der letztlich
die Mächte der Finsternis auf der Strecke bleiben lässt.
Aus diesen tragischen Irrläufern, die uns hier begegnen, entsteht
die Verwässerung, jene Mischung aus Untergangsangst und
Augenlust, die jeden ins Kino treibt, der auch Gollum sehen will:
jenes Fabelwesen, das die Animations-Standards der heutigen
Technik verkörpert und als Digitalkreatur herumgeistert.

Der Publikumsfilm, wozu "Der Herr der Ringe" zählt, gehorcht der
größtmöglichen Lesbarkeit: Konventionalität, Klischees.
Hollywood ist dadurch bekannt geworden, und es hat diese
Bastardform 'Massenkultur' stetig weiterentwickelt, sie auch in seinen
inneren Strukturen radikal verändert.
Jeder weiß, dass die audiovisuellen Massenmedien in Megafusionen
machen. Dies nicht nur auf technologischem Gebiet, und auch nicht
nur aus Gründen Geldstrategischer Vernetzung, sondern auch aus dem
Grund, Ideologie zu produzieren.
Die symbolische Prothese ist die Vereinheitlichung der Welt, im Fernsehen,
wie im Kino. Das menschlichen Schicksal auf diesem Planeten: lieben,
hassen und töten.
Und diese Trilogie wird auch im Film immer dichter.

Hollywood ist nur noch als Bild, als digitalen Schnitt, zu begreifen.
Fragwürdig wird der „Herr der Ringe“ dann, wenn hinterfragt wird,
ob er nicht ein kurzsichtiger Heimatfilm mit kriegerischer epochaler
Wirkung ist, der auf das reale Leben pfeift, weil ständig die
ewigen Symbole von Recht, Unrecht, Glauben, Mythos,
Gehorsam eingefordert werden. Die Gottgleiche Tolkien-Mittelerde
Ist nicht nur hierarchisch aufgebaut, sondern ebenso Hinweis
auf die ‚schöpferische’ Einmaligkeit.
Die inneren Strukturen der Bilder, die jetzt als episches Dokument
gefeiert werden, treiben schlicht diese Gottgläubigkeit, aber auch die
Amerikanisierung im Kino voran.
Die amerikanischen Blockbuster, die weltweit die Kassen
klingen lassen, sind Fleisch vom Fleisch. So weit ist die
Amerikanisierung bereits fortgeschritten, dass Kritik an solchen
Machwerken manchen Leuten zunehmend unerträglich erscheint.

Bedrohlich wird das dann, wenn sich Fernsehen und Kino diesem
Entertainment unterwerfen, und dass die Prinzipen des
Showbusiness nicht nur in der Werbung, sondern auch das gesamte
öffentliche Leben durchdringen.
Die Logik des Profits, dass das Kino auch zu Werbeträgern der
Unterhaltung macht, muss zum Maßstab der Kritik werden, wenn
wir nicht unsere Authentizität und Selbstbestimmung verlieren
wollen.
Die stille Propaganda zwingt dazu, den sich wiederholenden Bildern
zu misstrauen.

“Was, wenn die Welt eine Art – Show wäre?
Was, wenn wir alle nur Talente wären, vom großen Talentsucher
dort oben zusammengestellt? De große Show des Lebens!
Jeder ein Schauspieler! Was, wenn Unterhaltung der Sinn des
Lebens wäre!“ (Philip ROTH)

Dietmar Kesten 26.12.03 15:28