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Der Herr der Ringe - Die Rückkehr des Königs

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Der Herr der Ringe - Die Rückkehr des Königs Dietmar Kesten 19.12.03 13:11
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Der Herr der Ringe - Die Rückkehr des Königs Dietmar Kesten 24.12.03 11:10

DER HERR DER RINGE – DIE RÜCKKEHR DES KÖNIGS

RÖCHELN FÜR DEN MARKT

von DIETMAR KESTEN, GELSENKIRCHEN, 19. 12. 2003.

Die Figuren kann man mögen oder nicht. Wie im Buch, so im Film.
Die Fantasy- und Hysteriewille, die zur Zeit durch die Kinos rast,
ist allerdings ein schlimmer Rückfall in die Trivialität des
Aufbruchskinos, als mit Sagen- und Ritterfilmen ferne
Weltgegenden über den Kinematograph ins heimische
Wohnzimmer geholt wurden: tröstlich, verlogen, sentimental.

Sauron und die Hobbits, den Ringträger Frodo (Elija WOOD),
den Zauberer Gandalf (Ian McKELLEN), Legolas (Orlando BLOOM),
Aragon (Viggo MORTENSEN), Arwen (Liv TYLER), die Unfigur Gollum,
Ringgeister, Elben, Olifanten, Flugsaurier, Riesenspinnen und
anderes Untier, die Orcs, Chroniken und Karten, Stammbäume, die
saubere Landschaft, die Story, die Kamera, Filmschnitt, den
Einsatz der Computertechnik und die atemberaubenden
Bilder- all das, und das gewaltigste Werk der Filmgeschichte machen
allerdings noch keinen grandiosen Film aus.

Die Handlung zu erzählen, macht keinen Sinn mehr. Jeder kennt sie
bereits: Saurons Armee steht vor den Toren von Gondor- bereit
zur entscheidenden Schlacht um Mittelerde. Die Schicksale der
verstreuten Gefährten laufen in einem einzigen Showdown zusammen.
Jeder weiß, wie die Ring-Saga endet. Spätestens seit der Berliner
Uraufführung ist sie kein Geheimnis mehr: der Ring ist vernichtet im
Feuer des Schicksalsberges.
Ein engstirniges Machwerk feiert nun einen scheinbar weiteren
Erfolg, und hieraus zieht sich das Potenzial der Handlungsstränge,
die mit der Postmoderne assoziiert werden können.

Der dritte Teil ist trotz aller perfekten Tricks nur Effekthascherei.
Zeigt er doch die völlige Konstruiertheit der Geschichte.
Er offenbart nämlich zwangsläufig eine der Schwächen des
Regisseurs Peter JACKSON, die bereits in den vorhergegangenen
Teilen zum Makel wurden.
JACKSON lässt Gandalf sagen:
„Du kannst nur entscheiden, wie Du die Zeit nutzen willst, die Dir
gegeben ist!“
Die Tolkien Fan-Gemeinde wird zwar in Jubel ausbrechen, und über
diese Sätze genauso hinwegsehen wie über die Knebelung der
Filmverträge, mit denen Warner die Kinos bei der Stange hält.
Wie im Film, so ist auch dort die Kleingläubigkeit bereits angekommen.
Und am Markt ist sie derart fortgeschritten, dass diese hilflose
Kommunikationskost einen Höhepunkt nach dem anderen erreicht.

Der zentrale Satz Gandalfs, der die Ring-Sage durchzieht, nährt bei
näherer Betrachtung eine Spirale der Verunsicherung. Schwört er doch
auf Wesenszüge und Charaktereigenschaften, die die Moderne schon
längst als Platzhalter in ihrem System begreift, und die zur dunklen
Seite der Gesellschaft gehören, wie der kindliche Hobbit Frodo Beutlin.
Wer kann heute noch entscheiden, „wie er seine Zeit nutzen will?“
Die Niederganggeschichte der Zeit, die mit der Selbstgenügsamkeit
beginnt, und mit den Bewegungsformen des Kapitalismus endet,
führt zwangsläufig zu einer kompletten Destabilisierung des Subjekts
und seines sog. ‚freien Willen’.
Eine individuelle Freiheit, wie sie der „Herr der Ringe“ suggeriert, gibt
es nicht. Vielleicht zu Hause am Kaminfeuer, im heimischen ‚Auenland’,
oder bei der Ring-Anhängerschar.

Doch nicht nur das macht die Fragwürdigkeit aus.
Der drohende Untergang im Film, die transformierenden Bewegungen,
die Geistererscheinungen im Reich der Unwirklichkeit, selbst die
Ordnung zwischen Rassen, Geschlechtern, Männern und den wenigen
Frauen, zeigen ein Bild, dass rein äußerlich an Wesenszüge und
Charaktereigenschaften der ‚Rassen’ anknüpft.
Für den Philosophen Etienne BALIBAR bestehen darin die Grundlagen
eines „neuen Rassismus“.
Zwar sollte man JACKSON nicht unterstellen, dass er mit seiner
Trilogie einer ‚Rassengeschichte’ Vorschub leistet.
Streng genommen ist aber die Schroffheit des Films und die rückwärts
gewandte Ideologie, die sich in dem Versuch niederschlägt,
die ‚blaublütigen’ und ‚tapferen’ Menschen kategorisch einzuteilen,
und sie fein säuberlich von den Untoten zu trennen, leider nichts
anderes als ein Rauchvorhang, hinter dem sich die Endlosschleife
des ideologischen Mythos vom Endkampf im „Kampf der
Kulturen“ (HUTTINGTON) in einer Spirale stetig entwickelt.

Nur der Stärkere siegt, es gibt keine „Freiheit ohne Opfer“, und kein
„Sieg ohne Leid“.
Wer genau hinhört und hinsieht, erfährt wie der „Herr der Ringe“ sich
mit diesen Zitaten schmückt, und wie er sich die Quintessenz des
Lebens vorstellt. Wird die ganze Pracht des schönen Scheins
aus dem Film herausgenommen, dann bleibt Block-Denken und
ein Kriegsbild übrig, in dem selbst eine Totenarmee als Bündnispartner
gewonnen werden kann. Die zum Endkampf hochstilisierte Erlösererkenntnis,
dass das Schicksal eine Kreisbewegung ist und bis zum Schluss
auf zauberische Weise im Gestrüpp der Betroffenheit beeinflusst
werden kann, spiegelt auf seltsame Weise die Ereignisse nach
dem 11. September 2001 wider.
Diese Vergangenheit, die mit einem (mythischen) Schlag der
horizontfüllenden Armeen gegen das vermeintliche Böse begonnen
hatte, und die mit der Wortgewaltigkeit von BUSH, RUMSFELD
und WOLFOWITZ schnurgerade in den Schlachtruf gegen
den Terrorismus einmündete, ist nicht nur eine Parallele
zum „Herrn der Ringe“.

Der ‚flexible’ Kapitalismus mit seinen kurzfristigen Arbeitsverhältnissen,
mit der stetigen Sucht, globale, multinationale und nationale
Konflikte auszulösen, trägt in sich den Zerfall fester
Orientierungs- und Identitätsgrößen.
Diese irrationale Verarbeitung findet im „Herrn der Ringe“
seine Entsprechung.
Es ist der Mythos von den ‚Guten’ und den ‚Schlechten’, die sich
im Kampf gegenüberstehen.
Man könnte auch sagen: die von der Wohlstandsgesellschaft
ausgeschlossenen sind vergiftet und todgefallen von Anfang an.
Für sie gibt es keine Rettung mehr.
Wenn am Ende Gandalf zu einer letzten Reise aufruft, dann ist
das keine Magie, sondern plumpe Geschichtsmetaphysik und
Sicherheitsheuchelei. Gerade in seiner Person ist die längst
vergangene Kraft der Filmindustrie vereint, die noch einmal
die ganze Herrlichkeit der Verpuppung der ‚richtigen’ Männer
als Ultraanachronismus ins Leben zurückbeordern will, so als
ob sie noch den Boden von historischen Realitäten unter den
Füßen hätte.

Fazit: Hier schließt sich der Ring-Kreis schlussendlich.
Sein plakativer Entwurf ist der eines kleinbürgerlichen Glücks
mit übertragener Schrebergartenidylle. Die Mythen-Verkitschung
Tolkiens mit seiner Zwangsmoral ist ein Beispiel dafür, wie sich
das Bildergetriebe im Leerlauf drehen kann, und die Macher auch
noch Freude empfinden, wenn vor aller Augen ein Feuerwerk
aus Effekten aufsteigt um dann restlos zu verglühen. Der Beifall
ist ihnen gewiss. Die gedrillten Krieger, die nun wieder
Zivilisten geworden sind, und die im mattweißen Licht dafür
mit mehr als fragwürdigen Tugenden belohnt werden, haben
das vorzivilisatorische Grauen durch die originäre Barbarei
ersetzt. Am Vorabend neuer kriegerischer Auseinandersetzungen
auf der Welt, steht der „Herr der Ringe“ für die mörderische
Irrationalität des modernen Staates.
Doch es kommt die Zeit, wo dieser zeitgenössische Edelkitsch,
unterlegt mit der Ideologie und den Denkmustern der
Warengesellschaft, in den Archiven verstauben wird.

Dietmar Kesten 19.12.03 13:11